Mädchen hinter Gittern

Inhalt

Handlungsort ist das frühe Nachkriegsdeutschland. Unter dem Verdacht der Mittäterschaft an einem versuchten Raubmord wird Ursula Schumann, die für das Zuchthaus noch zu jung ist, in eine Fürsorgeanstalt für verwahrloste bzw. kriminell gewordene Mädchen und junge Frauen eingeliefert. Diese „Besserungsanstalt“ wird in zeitgemäß autoritärer Form und mit harter Hand von Irmgard Rechenberg geführt, von den zum Teil renitenten, bisweilen sogar regelrecht rebellischen Mädchen wird unbedingter Gehorsam erwartet. Ursula, die sich bezüglich der ihr zu Last gelegten Tat in Schweigen hüllt, hat in dieser neuen Umgebung beträchtliche Anpassungsschwierigkeiten, die durch das Verhalten der sie ablehnenden Mitgefangenen noch gefördert werden. Die Konflikte nehmen bald überhand. Im Zentrum der Handlung stehen vor allem die vielfältigen Interaktionen der Insassen untereinander, aber auch die Divergenzen zwischen den Mädchen und dem weiblichen Anstaltspersonal.

Als Ursula eines Tages vom Tod ihrer Mutter Frau Schumann erfährt, sieht sie sich nicht länger genötigt, über die ihr zur Last gelegte Tat zu schweigen. Sie erklärt die Zusammenhänge, und es stellt sich heraus, dass sie und ihre Mutter einst in die Hände eines skrupellosen Verbrechers namens Richard Halbes, dem damaligen Liebhaber ihrer Mutter, gerieten. Beide versuchten an dem feinsinnigen Kunsthändler Peter Breuhaus den Ursula unterstellten Raubmord zu verüben und mussten dafür ins Gefängnis, während Ursula ins Heim überstellt wurde, obwohl sie unmittelbar vor der Tat die Polizei über das geplante Verbrechen informierte. Damit nahm das Schicksal seinen Lauf. Nachdem nun alle Fakten offenliegen, wird Ursula entlassen und sie kehrt der Hölle hinter Gittern den Rücken. Endlich kann sie ein neues Leben an der Seite des liebgewonnenen Mannes, Herrn Breuhaus, beginnen. (wijipedia 23.06.2023)

Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1949
Länge 85 Minuten
   
Stab
Regie Alfred Braun
Drehbuch Otto Heinz Jahn
Produktion Artur Brauner
Musik Herbert Trantow
Kamera Fritz Arno Wagner
Schnitt Walter Wischniewsky
DarstellerInnen
  • Petra Peters: Ursula Schumann
  • Richard Häussler: Peter Breuhaus, Kunsthändler
  • Edelweiß Malchin: Elfie Meyen
  • Susi Deitz: Wanda Schmidt
  • Gina Presgott: Irmchen Fischer, genannt „Würmchen“
  • Marianne Prenzel: Lore Liebhold
  • Micheline Hoerle: Isolde „Isa“ Loring
  • Gabriele Heßmann: Irmgard Rechenberg, genannt „der Boss“
  • Ruth Hausmeister: Ilse Heidenreich, genannt „die Heidin“
  • Berta Drews: Paula Rellspieß, genannt „der Spieß“
  • Else Ehser: Hanna Späthe, genannt „Hannchen“
  • Elisabeth Wendt: Else Richnow, genannt „die Bohnenstange“
  • Ralph Lothar: Richard Halbes
  • Fritz Wagner: Harald Hauffe
  • Gerd E. Schäfer: Heinz Brandt
  • Arno Paulsen: Helmcke
  • Erich Dunskus: Franz Schmidt
  • Alice Treff: Frau Schumann
  • Renée Stobrawa: Frau Liebhold
  • Hildegard Grethe: Frau Hardtcke
  • Wolfgang Kühne: Dr. Helwig
  • Carl Heinz Carell: Paulus

„Erziehung ist Liebe und Vertrauen“

Von dem Motiv der Unschuld, die zu Straffälligkeit führen kann, von der Aufdeckung dieser Unschuld und von der Aussicht auf Erlösung in Liebe und Ehe erzählt auch dieser Vergleichsfilm (Kinostart in Deutschland: November 1949; Regie: Alfred Braun). MÄDCHEN HINTER GITTERN beginnt im Gegensatz zu MARTINA bereits programmatisch. Nach einer melodramatischen, ins Melancholische wechselnden Eingangsmusik erscheint auf der Leinwand der Satz:

„Erziehung ist Liebe und Vertrauen.“ Pestalozzi 1)

Danach fährt die Kamera zurück: das Porträt Pestalozzis und dann das Zimmer der Vorsteherin einer Fürsorgeanstalt werden sichtbar. Es wird über einen Neuzugang, einen „besonderen Fall“ gesprochen: Ursula Schumann (Petra Peters) habe noch Glück gehabt, ein Jahr älter, und sie wäre im Zuchthaus geIandet.

Gleich danach zeigt der Film das rigide Regiment über die Mädchen: nur für die Besuchszeit dürfen sich die jungen Frauen bessere Kleidung anziehen, sie durchlaufen eine Fingernägelkontrolle. Doch scheint eine gewisse Strenge durch eine Szene kurz vor dieser gerechtfertigt. Wieder einmal haben sich die Mädchen gegenseitig bestohlen. Die Neue bestätigt spiegelnd den Eindruck der Zuschauer: sie schaut entsetzt in Mädchengesichter, die Entsittlichung, Verschlagenheit und Verwahrlosung ahnen lassen.

Doch bereits in der Besuchsszene heben sich einzelne Mädchen aus diesem „Sumpf“ heraus: Das herbe Mädchen Wanda, das von ihrem Vater, einem Alkoholiker, verführt und verkuppelt wurde, und ein jüngeres Mädchen, das nach dem Tode ihres Vaters offenbar versucht hat, in der schwierigen Nachkriegssituation die .Mutter zu versorgen.

Ursula Schumann steht von Anfang an am Rande dieser Gemeinschaft: Deutlich hebt sie sich durch ihre Herkunft (ihre Mutter war Pianistin) und ihre aufrechte Haltung und gute Kleidung von den anderen ab. Sie bleibt Außenseiterin. Auch die Schwere des ihr angelasteten Verbrechens (Raubmordversuch an einem Antiquitätenhändler) unterscheidet sie von den ‚kleinen‘ Schwarzhändlerinnen, Diebinnen, Prostituierten, Betrügerinnen. In einer kurzen, dichten Szene, in der eines der Mädchen Ursula als Schwerverbrecherin beschimpft, wird deutlich, dass die Mädchen aus ihren Straftaten auch Identität gewinnen. Ein jüngeres Mädchen („Würmchen“) kontert voll Witz und Ironie:

„Du hast’s nötig. Du wärst doch auch gern ’ne Frau mit Vergangenheit. So’n richtiger Vamp wir.. Marlene Dietrich. (Sie stolziert hüft- und eine imaginäre Stola hin- und herschwingend vor den Mädchen her und singt mit verstellter tiefer Stimme:) Jonny, wenn du Geburtstag hast,… 2)

Die Erzieherin Heidenreich unterscheidet sich schon durch ihre etwas aus der Zeit fallende Eleganz der Jahrhundertwende in Kleidung und Frisur von der NS-Aufseherinnen-Strenge ihrer Kolleginnen. Sie wird von den Mädchen liebevoll „Heidi“ genannt. Mit ihr tritt ein neues Interpretations- und Orientierungsmuster auf den Plan, das am Ende des Films ins Recht gesetzt wird. ‚Heidi ‚ sagt:

„Was man auch getan hat im Leben, es lässt sich alles wieder gutmachen.“

Der Zuschauer des Films erfährt in der Rückblende der nächsten Szene einige Hintergründe. Erzählt wird, wie Ursula und ihre Mutter (Alice Treff) durch die Flucht getrennt wurden. Ursula war danach unter der mütterlichen Obhut einer Nachbarin. Die Mutter, entwurzelt, gerät dagegen unter den unheilvollen Einfluß eines moralisch haltlos und skrupellos gezeichneten Malers (Ralph Lothar): Sie wird morphiumsüchtig und von der Rauschmittelversorgung und der Liebe des Malers abhängig. Dieser scheut sich nicht, gleich auch der Tochter nachzusteigen, und verwickelt Ursula in einen Raubüberfall auf einen von ihr geliebten Kunsthändler (Richard Häussler). Um ihre Mutter nicht zu belasten, schweigt Ursula vor Gericht.

Erst mit dem Tod ihrer Mutter 3) wird die Voraussetzung für die positive Wende geschaffen, die allerdings erst am Ende eintritt. Zunächst glaubt der geliebte Kunsthändler die nun von Ursula offenbarte Wahrheit, daß nicht sie, sondern ihre Mutter gemeinschaftlich mit dem Maler den Raubüberfall begangen hat, nicht. Nach einem Selbstmordversuch Ursulas kehrt der Kunsthändler jedoch reumütig zu ihr zurück und verspricht ihr die Ehe. Noch immer ist die junge Frau jedoch über den Mangel an Vertrauen gekränkt, den sie von diesem Mann erlebt hat. Von ihrer Todessehnsucht versucht sie die verehrte Erzieherin Heidenreich zu heilen:

„Du kommst jetzt ‚raus aus der Anstalt, wirst frei. Hast einen Menschen, der dich lieb hat. Es ist das Schönste für eine Frau, (gedehnt, betont) für jemanden da zu sein.“

Vor dem ergreifend inszenierten Happy-End 4) liegt jedoch eine Debatte über Erziehungsmethoden und Wege der Besserung zwischen der Heimleiterin (in dunkler, uniformähnlicher Kleidung und mit geflochtener Frisur) und der Erzieherin Heidenreich: Nur mit Güte und Verständnis, darin fühlt sich die Vorsteherin nach einem vorübergehenden Ausbruch der Mädchen bestätigt, ginge es eben nicht. Dagegen zeigt sich „Heidi“ überzeugt von ihrer Haltung: Einer müsse die Mädchen in Schutz nehmen „gegen Lieblosigkeit, gegen die Trägheit des Herzens“. Im folgenden Dialog stehen sich noch einmal die grundlegenden Positionen gegenüber:

“ Heimleiterin: Unsere Mädchen müssen Härte (…) spüren, eiserne Zucht.

Heidenreich: Was erreichen Sie damit? Hass oder Heuchelei.

Heimleiterin: Kind, was erreichen Sie mit ihren Mondscheinsonaten und Lesestunden und psychologischen Methoden. Nichts. Sie untergraben lediglich die Autorität.“

Tatsächlich zeigen die Mädchen sich gegenüber der Heimleiterin bereits in der übernächsten Szene widerständig:

„Einsperren, das ist ihre Erziehung“, schleudern sie ihr entgegen.

Am Ende des Films kommt es zu einer erneuten Diskussion über Wandlungsfähigkeit und -wege, dieses Mal zwischen einem Beamten der Fürsorgebehörde, der Heimleiterin und dem Kunsthändler. Der Beamte räumt dabei ein, er habe sich seine Aufgabe auch einmal ganz anders vorgestellt, aber mit der Zeit verkruste man. Die Heimleiterin insistiert, indem sie auf die Verschlagenheit und Bosheit ihrer Zöglinge hinweist:

„Kunsthändler: Aber müssen Sie nicht an das andere denken, dass in jedem dieser Menschen…

(Der Beamte führt den Satz zu Ende, spricht aber nicht laut, sondern vor sich hin:)…manchmal recht verschüttet, das Gute ist. (Dann direkt und laut:) Aber, sie haben recht, daran müssten wir anknüpfen. „

Erst der Beinahe-Tod Ursulas und die Aufdeckung ihrer Unschuld führen auch in der Einstellung der Heimleiterin eine sehr plötzlich eintretende Wandlung herbei. Sie sagt zur Erzieherin Heidenreich:

„Sie haben recht gehabt. Das Mädchen ist schuldlos. Ja, aber wir haben beinahe eine große Schuld auf uns geladen. (…) Helfen Sie mir. Heute morgen hab‘ ich noch gedacht, Sie oder ich. Wollen wir es nicht zusammen versuchen. Die Mädels brauchen Sie. Und ich auch. Es muss anders werden.“ 5)

Die Kamera fährt aus der Totale auf das Pestalozzi-Porträt zu. Der Film endet beim Eingangsbild: der Maxime Pestalozzis.

Bettina Greffrath (1993)

Der Originaltitel des Films lautet „Mädchen hinter Gittern“. Wer einen Film sucht, der nervenzehrend, spannend und packend ist, wird als Fan des Genres ‚Krimi‘ voll auf seine Kosten kommen. Darsteller wie Petra Peters, Richard Häussler und Alice Treff sind die Zugpferde bei diesem Film. Beim Drehbuch zu „Mädchen hinter Gittern (1949)“ handelt es sich um ein Werk von Otto Heinz Jahn, und die Regieanweisungen bei diesem 85-minütigen Film kamen von Alfred Braun. Produziert wurde dieser Film in Deutschland im Jahre 1949. Freigegeben ist „Mädchen hinter Gittern (1949)“ ab 16 Jahren. In der Fachpresse war folgendes über den Film zu lesen: „Psychologisch-pädagogische Krimistudie mit dem Schwerpunkt auf Milieuschilderung und Charakterzeichnung.“ (Lexikon des Internationalen Films). 

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