Heimkehr (1928)

Inhalt

Mit dem Melodram Heimkehr produzierte Erich Pommer eine stark kommerziell ausgerichtete Verfilmung von Leonhard Franks Kriegsheimkehrer-Erzählung „Karl und Anna“ aus dem Jahr 1926: Im Frühjahr 1917 versuchen die Kameraden Karl und Richard, aus der Kriegsgefangenschaft in Sibirien zu fliehen, doch nur Karl gelingt es zunächst, in die Heimat zu gelangen. Als er dort Richards Frau Anna besucht und sie ihn bei sich als Untermieter einquartiert, dauert es nicht lange, bis beide füreinander Gefühle entwickeln. Als auch Richard aus Russland zurückkehrt, kommt es zum Eklat.

Film in der Weimarer Republik


Filmansicht auf filmportal.de

Heimkehr kann auf der Website Filmportal in ungekürzter Fassung (stumm) angesehen werden.

 
Produktion: Universum-Film AG (Ufa)
Regie: Joe May
Buch: Fred Majo, Dr. Fritz Wendhausen (nach einer Vorlage von Leonhard Frank)
Produzent: Erich Pommer
Kamera: Günther Rittau, Konstantin Tschet
Bauten: Julius von Borsody
Schnitt: Joe May
Musik: Willy Schmidt-Gentner
Uraufführung: 29. August 1928, Berlin
Länge: 115 Minuten
Darsteller:  
Lars Hanson Richard
Dita Parlo Anna
Gustav Fröhlich Karl
Nr.
Inhalt
Länge
Zeit im Film

1

Vorspann.

März 1917: Die beiden deutschen Kriegsgefangenen Karl und Richard harren seit 729 Tagen auf einem Flecken sibirischen Ödlands aus, wo sie als Fährbesatzung eingesetzt werden. Richard quält die Sehnsucht nach seiner Frau Anna. Karl ist heiterer, er spielt Akkordeon und freut sich auf das Abendessen. Er holt einen Fisch aus der Reuse, bringt ihn in die Wohnbaracke und zieht Richard damit auf, dass er aufgrund dessen ständiger Erzählungen Richards Heim und Frau besser vor Augen hat als Richard selbst.

6.33

0.00 – 6.33

2

Draußen wird ein Zug aneinandergeketteter Kriegsgefangener in Richtung der Bleibergwerke geführt. Als Karl und Richard mittels der Fähre für die nächtliche Überfahrt sorgen, begegnet Richard ein Kamerad, der aus Sehnsucht zu seiner Frau einen Fluchtversuch unternommen hat und dafür zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Der russische Wachtposten, der das Gespräch unterbricht, äußert Verständnis für die Motive des Gefangenen: auch er sehnt sich nach seiner Frau.

5.49

6.33 – 12.22

3

Zurück in der Wohnbaracke sinniert Richard über das eigene Heimweh, das der gefangenen Kameraden und ihres Bewachers nach, während Karl den Fisch serviert. In einem Gefühlsausbruch beklagt Richard, dass er für Anna seinen Wunsch aufgegeben habe, zur See zu fahren. Anschließend legen sich die beiden schlafen.

6.34

12.22 – 18.56

4

Mitten in der Nacht springt Richard auf und beginnt, seine Flucht vorzubereiten. Nach anfänglichem Zögern beschließt Karl, Richard zu begleiten. Bevor sie aufbrechen, wird die Katze ein letztes Mal gefüttert.

5.49

18.56 – 24.45

5

Beim Marsch durch die Steppe verlassen Richard die Kräfte. Er fordert Karl auf, ihn zurückzulassen. Karl entdeckt eine nahegelegene Quelle und holt Wasser für seinen Kameraden, der in der Zwischenzeit von Kosaken aufgegriffen und verschleppt wird. Karl kommt zu spät, um Richard noch helfen zu können. Nachdem er seine Wasserflasche erneut befüllt hat, setzt Karl den endlos erscheinenden Fußmarsch in die Freiheitfort. Ein ganzes Jahr ist Richard unterwegs, bevor er 1918 endlich in der Heimat eintrifft. Vom Zug aus ist die Einfahrt in Hamburg zu sehen.

9.39

24.45 – 34.24

6

Karl sucht Richards Frau auf – offenbar in der Hoffnung, dort auch Richard wiederzutreffen. Doch Anna ist seit anderthalb Jahren von ihrem Mann ohne Nachricht, obwohl der Krieg mit Russland längst beendet ist. Aus seinem letzten Brief geht hervor, dass Richard zur Zwangsarbeit verurteilt wurde.

In dem Bleibergwerk, in denen Richard und andere deutsche Kriegsgefangene eingesetzt sind, wird eine Amnestie verkündet. Im Freudentaumel strömen die Männer zum Ausgang der Mine.

6.48

34.24 – 41.12

7

Karl berichtet unterdessen Anna von der gemeinsamen Kriegsgefangenschaft mit Richard. Dabei erzählt er so charmant, dass Anna darüber die Kartoffeln vergisst, die sie aufgesetzt hat. Als sich Karl verabschieden will, um sich eine Bleibe zu suchen, lädt Anna ihn ein, bei ihr Unterkunft zu nehmen. Karl nimmt an. Zu Annas Überraschung findet er sich bestens in der Wohnung zurecht. Mit der Bemerkung, er wisse noch viel mehr, macht er sie neugierig und demonstriert, dass er sogar von dem Muttermal auf ihrer Brust weiß.

7.25

41.12 – 48.37

8

Anna geht einkaufen, Karl nimmt ein Bad. Nach dem gemeinsamen Abendessen darf Karl auf einem Klappbett im Nebenraum Quartier nehmen. Bei der Verabschiedung zur Nacht wird deutlich, dass sich beide zueinander hingezogen fühlen.

8.33

48.37 – 57.10

9

Während Anna zu Bett geht, lauscht Karl an der Wand. Er macht Anstalten, hinüberzugehen, entscheidet sich aber dann doch dagegen. Während Anna schlaflos liegt, träumt Karl verwirrende Szenen von ihr, Richard und der eigenen Kriegsgefangenschaft, aus denen er mit Schrecken erwacht.

6.26

57.10 – 63.36

10

Am nächsten Morgen betrachtet Anna Vorkriegsfotografien von Richard. Karl bringt den Müll herunter, beobachtet Straßenmusikanten und kauft von einer Blumenfrau einen Strauß für Anna. Zurück in der Wohnung überreicht er ihr den Strauß und überredet sie zu einem gemeinsamen Konzertabend.

4.54

63.36 – 68.30

11

Karl und Anna verbringen einen Abend mit Musik und Tanz.

Derweil wartet Richard mit einem zerlumpten Haufen seiner Kameraden an einem sibirischen Bahnhof auf den Zug.

In heiterer Stimmung kommen Karl und Anna vom Tanz nach Hause. Als er Anna bereits in den Armen hält, entsinnt sich Karl seines Freundes Richard. Ihre Umarmung bleibt noch platonisch.

Im fahrenden Zug unterhält sich Richard mit einem Kameraden darüber, dass sie bis zur Grenze vier Wochen benötigen werden.

10.25

68.30 – 78.55

12

Im Heimkehrer-Zug: Die Grenze ist nur noch wenige Stunden entfernt. Ankunft am Hauptbahnhof: zufällig gehen Karl und Anna inmitten der Heimkehrer spazieren, ohne zu wissen, dass Richard unter ihnen ist.

2.38

78.55 – 81.33

13

Richard betritt seine Wohnung und findet das bezogene Gästebett und Karls Soldatenuniform vor. In diesem Moment kommen auch Karl und Anna von ihrem Spaziergang zurück. In der Wohnung kommt es zum Kuss zwischen den beiden, den Richard beobachtet. Richard stellt sie zur Rede und bricht dann weinend zusammen. Erfolglos versucht Karl ihm beizubringen, dass zwischen ihm und Anna nichts passiert sei. Nach langem Schweigen sucht Richard das Gespräch mit Anna, die sich jedoch seinen Annäherungsversuchen verweigert.

15.41

81.33 – 97.14

14

Richard geht ins Nebenzimmer, wo Karl auf dem Bett liegt und sich schlafend stellt. Beim Anziehen seines Mantels entdeckt Richard seine Pistole und droht, Karl zu erschießen, erinnert sich dann aber daran, dass der ihn bei der gemeinsamen Flucht nicht im Stich gelassen hat. Richard und Karl versöhnen sich miteinander.

8.11

97.14 – 105.25

15

Szenen am Hafen. In der Wohnung: Als Karl erwacht, stellt er fest, dass Richard verschwunden ist, und mit ihm die Truhe, in der er seine Seemannssachen aufbewahrt hat.

3.15

105.25 – 108.40

16

Richard heuert derweil auf einem deutschen Schiff an. Karl trifft ihn am Kai an und sucht die Aussprache. Weil er erkannt hat, dass sie ihn nicht mehr liebt, will Richard nicht zu Anna zurück. Auf der Gangway verabschiedet er sich von Karl mit einem Händedruck. Das Schiff fährt ab.

5.55

108.40 – 114.35

Die UFA kaufte den vielversprechenden Stoff an; der berühmte Produzent Erich Pommer übertrug die Regie des Films, der unter dem Titel HEIMKEHR entstand, dem Routinier Joe May, der gewöhnlich eher für Abenteuerfilme zuständig war. Vermutlich verbirgt sich May auch hinter dem Drehbuchautor „Fred Majo“. (1) Das Drehbuch wich in ganz entscheidenden Punkten von der Vorlage ab und verschob Leonhard Franks Intentionen damit erheblich. Karls und Richards gemeinsame Flucht findet bei der Durchquerung einer Wüste ein Ende. Richard ist nicht mehr fähig, weiterzugehen und bittet den Freund, der noch bei besseren Kräften ist, ihn zurückzulassen. Durch unglückliche Umstände wird er von Kosaken aufgegriffen, während Karl entkommen kann. Mit übermenschlicher Anstrengung erreicht er Richards Heimatstadt und sucht Anna auf, eigentlich nur, um ihr Richards Tod mitzuteilen. Die Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf, aber unter ganz anderen Vorzeichen als bei Frank: Karl gibt sich nicht als Richard aus, der Konflikt entsteht deshalb nicht durch den Widerstreit von Lüge und Wahrheit des Gefühls, sondern durch die aufbrechende Leidenschaft der vereinsamten jungen Leute, die sie mühsam zu beherrschen suchen. Bei Richards Rückkehr ist noch nichts zwischen ihnen vorgefallen außer inneren Kämpfen und Spannungen. Richard verzichtet auf Anna und geht fort, auf See. Es trifft sich gut, daß er schon immer eine Sehnsucht nach dem Matrosenleben gehabt hatte, das er Annas wegen einst aufgegeben hatte – das wird im Film zwischendurch erwähnt. Am Ende steht eine versöhnlich-gefühlvolle Abschiedsszene der beiden Freunde.

Die UFA rührte schon während der Dreharbeiten heftig die Werbetrommel für ihre Großproduktion, die mit erheblichem Aufwand in Szene gesetzt wurde. May hatte das Budget dann auch schon bald erheblich überschritten. (2)

„Ein großes sibirisches Bergwerk, völlig echt nachgebaut, entstand nach Entwürfen des bekannten russischen Malers Professor Arnstam, Hunderte von Komparsen arbeiteten hier als Gefangene, unter ihnen die markante Erscheinung von Theodor Loos. Ein rußischer Provinzbahnhof, mit dem ganzen Leben und Treiben jener bewegten Tage und Nächte wurde erbaut.
Ein altertümliches Stadtviertel der Hafenstadt Lübeck mit großen Schiffen, winkligen Straßen, Animierkneipen, Heuerbüros mußte errichtet werden. Arbeiter bauten in vielen Tausenden von Arbeitsstunden diese Stadt aus 5000 qm Sperrholz, 1000 Säcke Sand wurden verbraucht.
Der Bahnhof einer deutschen Großstadt entstand im Freien. Nächte hindurch bestrahlten 100 große Scheinwerferden mit Geschäften und Lokalen ausgestalteten Platz für die Aufnahmen.
Eine drehbare Eisen-Wandelkonstruktion von 15 Meter Höhe, in Deutschland zum ersten Male angewandt, ermöglichte dem Operateur Rittau ganz neue, überraschende Einstellungen – alles Beweise dafür, mit welcher außerordentlichen außerordentlichen Sorgfalt auch die technische Seite dieses von eindrucksvoller Handlung und seelenvoller Tiefe erfüllten Filmes gehandhabt wurde.“ (3)

In Bezug auf Bauten und die dagegengesetzten Naturaufnahmen läßt der Film manches zu wünschen übrig. Die – ohnehin viel zu heimelig wirkende – Hütte der beiden Gefangenen in Rußland, pittoresk von Nebelschwaden umwabert, sieht ein bißchen aus wie das Innere einer Schneekugel; auch die Landschaft der Fluchtsequenz wirkt unecht, ebenso wie die Stadtbauten.

In der Filmtechnik 19/1928 heißt es:
„Dieser Film verträgt die zwischengeschnittenen Naturaufnahmen nur schwer. Sie stechen unerbittlich von der Künstlichkeit der größtenteils gebauten, obgleich mit Geschmack gebauten und mit Geschmack photographierten Landschaften sowie Interieurs ab. Es ergibt sich wiederum einmal, daß zuviel Stil nicht mehr ist als zu wenig. Ein Kunstwerk, daszugleich in drei, vier Richtungen stilisiert wird, muß an den barocken Überlagerungen der verschiedenen Stilarten seine Hauptlinie einbüßen. Stilisiertes Spiel, stilisierter Bildbau, stilisierte Photographie und stilisierte Regie könnten nur dann zu einem positiven Gesamtstil addiert werden, wenn sie statt von einem ganzen Arbeitsstab von einem einzigen Schöpfer gemeistert werden könnten oder sich einem genial-diktatorischen Willen und Können zu beugen gezwungen wären. Dieser Willen und dieses Können fehlen hier. (Oder sitzen hinter dem Schreibtisch der Produktionsleitung dem Schaffensprozeß viel zu entfernt.) Was zustande kommt, ist daher wohl beachtenswert, schön, um Einzelheiten bereichernd. Doch letzten Endes zu gepflegt, unursprünglich, ohne Schwung, zwecklos. L’art pour l’art. Pantomime. Kunstgeschäft.“ (4)

Allerdings war Joe May bemüht, innere Vorgänge und Zeitabläufe zu visualisieren – wie beispielsweise die Einsamkeit und Sehnsucht als unerbittliche Kraft, die erst die Männer zur Flucht und dann Karl und Anna zueinander treibt. Den endlos langen Marsch Karls beschreibt er sehr eindrucksvoll, indem er immer wieder nur Karls marschierende Stiefel zeigt, die immer mehr zerschleißen. In vielen entscheidenden Momenten aber benötigte er doch zu viele Zwischentitel als Hilfsmittel. „…Um ihre wachsende Erregung darzustellen, zeigt eine Szene des Films, wie sie sich ruhelos in ihren Betten umherwälzen, die nur durch eine dünne Zwischenwand getrennt sind. Was in Worten gesagt werden kann, eignet sich nicht immer zur bildlichen Darstellung, da Bilder oft spürbar versagen, wenn sie die Bedeutungen der Wörter, die sie illustrieren, treffen sollen. Diese groteske Szene ist eine irreführende Übertragung des Romans insofern, als sie unter dem Vorwand unwiderstehliche Liebe abzubilden, bloße Sinnlichkeit ausstellt.“ (5) Zwar hatte man mit Dita Parlo und Gustav Fröhlich zwei populäre Darsteller gefunden, aber die Wahl scheint mir nicht sehr glücklich. Dita Parlo ist nicht die in sich ruhende, bodenständige, stille Anna. Und Gustav Fröhlich -seinem Namen allzu penetrant Ehre machend -legt eine derart aufgesetzte unermüdliche Munterkeit an den Tag, die ihn in keiner noch so tragischen Situation verläßt, daß sein schelmisches Grinsen am Ende nur noch auf die Nerven geht. Eine Liebesgeschichte wie viele andere also, deren Happyend zu der verwässerten Handlung paßt – nur mit der Geschichte Franks hat das nicht mehr viel zu tun.

HEIMKEHR wurde überwiegend zurückhaltend angenommen.

„… Aber auch die Erzählung klingt versöhnlich aus – nur ist die Harmonie des seelischen Geschehens, das durch den Schluß Leonhard Franks hergestellt wird, dem Film nicht zugänglich. Daß der Film seelischen Zwiespalt in Handlung umsetzen muß, zeigt noch deutlicher die entscheidende Änderung: daß sich Karl nicht in vertauschter Identität Anna naht. Aus der dichterischen Verwirrung des Gefühls wird ein äußerlicher Kampf mitdem Sittengesetz, dessen Spannung darin besteht: Werden sie sich finden, ehe Richard zurückkehrt? Die Stationen von Karl und Annas steigendem Liebesempfinden und die Stationen von Richards immer näher rückender Heimkehr wechseln ab und überschneiden einander. Die Intensität des inneren Geschehens wird aber durch das dramatische Kräftespiel, das die Handlung zusammenhält, nicht gesteigert: als Karl und Anna von Richard beim ersten Kuß überrascht werden, muß der Film sich eines Titels als technischer Nothilfe bedienen — der aussagt, was im Spiel nicht herauskommt: daß es der erste Kuß der Liebenden war.

Das Ergebnis: der Film schwankt unentschieden — zwischen epischem Bericht und dramatischer Handlung. Er hat sich nicht einmal von Elementen aus dem Original freigemacht, die er nicht verwertet: wenn im Anfang, ebenfalls mit dem Hilfsmittel der Titel, zum Ausdruck gebracht wird, daß Richard nicht mehr weiß, wie seine Frau aussieht, während Karl sich aus den Schilderungen des Kriegskameraden ein treues Bild gemacht hat – dieses Motiv hätte nur einen Sinn, wenn auch der Film die seelischen Kräfte sichtbar gemacht hätte, die am Werke waren, das Schicksale der drei Menschen zu gestalten. Der Umguß der Erzählung ‚Karl und Anna‘ in einen Film ist mißlungen, mußte mißlingen, solange der Filmautor sich der e p i s c h e n Gesetze der Filmkunst nicht bewußt wird.“
(Lutz Weltmann in Die Literatur, Jg. 311, 1928/29, S. 188)
Die „Filmwoche“ warf HEIMKEHR vor, bei der allzu privaten Tragik des konventionellen Heimkehrer – Motivs stehengeblieben zu sein. (DIE FILMWOCHE, Jg. 1928, Nr. 37, S.942)
[…]

1) MAY, Joe, Regisseur und Produzent
2) ebda.
3) Greve, Hätte ich das Kino, S. 236 f.
4) Filmtechnik, Die, Nr. 19 / 1928
5) Kracauer, Siegfried: Von Caligari bis Hitler, S. 202

Aus: Elisabeth Lutz-Kopp: Mitten entzweigebrochen. Nebenprodukt und Lebensretter. Der Film im Leben und Werk Leonhard Franks. Gerolzhofen: LAG Film Bayern 1995, S. 44-47:

HEIMKEHR (1) thematisiert das durch gemeinsame Kriegs- und Gefangenschaftserlebnisse entstandene Vertrauensverhältnis eines ledigen und eines verheirateten Soldaten. Die Erzählungen des letzteren über dessen Frau schaffen bei seinem Kameraden eine Vertrautheit mit der Ehefrau, welche ihn nach seiner Flucht in die Lage versetzt, an die Stelle seines Kameraden zu treten. Nach seiner Rückkehr erkennt der alte Ehemann die neue Situation und verzichtet darauf, sein Recht von einer Frau zu fordern, die seine Liebe nicht mehr erwidert und geht zur See.

In den Filmvorbesprechungen zu HEIMKEHR fällt auf, das sie sich im Wortlaut stark ähneln, selten über eine Inhaltsangaben hinausgehen und wohl auf eine Agenturmeldung zurückzuführen sind (z.B. CT 31.8.29: 11, NM 7.9.29: 27, NA 7.9.29: 6 etc.). Die erste Notiz des Natal Advertisers berichtet von Erich Pommers Rückkehr aus Hollywood und seinem neusten für die UFA produzierten Film (NA 8.2.29: 9). Um einen Film auch international ansprechend zu machen, habe Pommer in Hollywood gelernt, dass die Story eines Filmes auf das einfachste mögliche Element reduziert werden müsse. Daraus sei HEIMKEHR entstanden, ein Film mit perfekten Details, sehenswert, weil er eben nicht auf Sensationen ausgerichtet sei (ebd.). Die meisten Rezensionen und Vorbesprechungen gingen nicht über Inhaltsangaben hinaus, vereinzelt war von einem zahlreichen Publikum und einer typischen UFA-Produktion mit perfekten Details und Fotografie die Rede (CA 3.9.29: 13). Kritisch äußerten sich nur wenige Kommentatoren, wie z.B. jener in Die Burger, der den zu häufigen Einsatz gemalter Hintergrundkulissen bemängelte, eine Spielerei, von der Pommer auch manchen deutschen Kritikern zufolge schnellstens genesen möge (DB 31.8.29: 8). Nachdem die Handlung in Deutschland angelangt sei, wurde dieser Mangel aber abgestellt und der gewohnte, warme Ton der UFA-Fotografie sei wieder vorherrschend. Bei der Darstellung der Schauspieler rage Lars Hanson deutlich hervor, eine Tatsache die auf Pommer zurückgehe, der den Schweden nicht wie in seinen amerikanischen Rollen nur sentimental agieren lasse. In vieler Hinsicht sei der Film typisch deutsch, besonders in der einfachen Darstellung der europäischen Häuslichkeit und der gewohnten echten Menschlichkeit ohne amerikanisches Gehabe und ähnlichen Zierrat (ebd.). Als „nicht vom üblichen Standard“ sprach hingegen der Natal Mercury, trotz des guten Schauspiels schleppe sich die Handlung an vielen Stellen nur dahin (NM 10.9.29: 8). Der einzige Fehler dieses großartigen Dramas bestand für den Natal Advertiserim Mangel an lichten Momenten, um die dramatische Intensität des Films zu entlasten (NA 10.9.29: 14). In der deutschen Kritik wurde vor allem bemängelt, dass jene dem Kammerspiel zugrundeliegende Novelle „Karl und Anna“ (Leonhard Frank), als Stoff nicht recht zur Verfilmung tauge und die Bilder spürbar versagen, wenn sie die Bedeutung der Wörter, die sie illustrieren, treffen sollen (Kracauer 1995: 202):

„Fanatischer und kompromißreiner Wille zu höchstgesteigerter filmkünstlerischer Qualitätsleistung ist hier verwirklicht – jedoch an einen Stoff verwandt, der sich – grundsätzlich gesprochen – den spezifischen und ureigensten Ausdrucksmitteln und Möglichkeiten des Lichtspiels versagt – versagen muß“ (LBB 30.8.28: 2).

Da der Stoff sich thematisch der Formung durch filmische Ausdrucksmittel entziehe, hätte man höchstens mit revolutionär neuen manuskript- und regie-technischen Lösungen im „Sinne der Russenkunst“ etwas erreichen können, nicht aber mit einem Festhalten an den Traditionen des westeuropäischen Kammerspiels, die nur – und das mit den besten, genial beherrschten Mitteln von heute und morgen – einen Film von gestern entstehen lassen habe (ebd.). Der Höhepunkt des Films, das Erkennen der Liebe zwischen Anna und Karl durch Richard, sei mit novellistischer Psychologie überladen:

„Mit respektheischendem Takt ringt Joe May um bildmäßige Lösungen für schwer ausdeutbare menschliche Beziehungen, die in einer restlos gültigen Sprache auch die gekonnteste Kammerfilmkunst nicht mit letzter Überzeugungskraft zu formulieren vermag. Auf eine simple Formel gebracht, kündete er den Sieg der Freundschaft über die Liebe, des Mannes über das Weib“ (ebd.).

Angeblich sei die erste „Erich-Pommer-Produktion“ in Alfred Hugenbergs UFA vom hauseigenen Blatt „UFA-Dienst“ mit einer Inhaltsangabe versehen worden, die Uneingeweihten suggerieren könnte, dass es sich „um einen Film mit bolschewistischer Tendenz“ handeln würde, was sogleich dementiert wurde (Kreimeier 1992: 202). Bis auf den Hinweis auf die während der Zeit des Zusammenbruchs und der Revolution spielenden Handlung ließ sich aus den UFA-Reklame-Ratschlägen jedoch kein Hinweis auf etwaige Tendenzen entnehmen, auch konnten in der südafrikanischen Rezeption ähnliche Auffassungen nicht nachgewiesen werden. (2) […] Die dortige Presse monierte zwar einige Besonderheiten der Filmbauten (auf Leinwand gemalte Natur- und Stadtlandschaften), erkannte diese jedoch nicht wie spätere Kommentare als oberflächliche Anleihen an den Expressionismus (Dahlke/Karl 1988: 171) und den Straßenfilm der frühen 1920er Jahre (Kracauer 1995: 202), da Filme dieser Epoche (mit der Ausnahme des „Caligari“-Films) in Südafrika nicht gezeigt wurden und somit auch keine Parallelen hergestellt werden konnten. Die Novelle schien ebenfalls nicht besonders bekannt gewesen zu sein, da der von der Literaturvorlage abweichende Ausgang des Films unerwähnt blieb. (3)

(1) NA (= Natal Advertiser) 8.2.29: 9, ST (= Sunday Times) 25.8.29: 6, DB (=Die Burger) 31.8.29: 8, CT (= Cape Times) 31.8.29: 11, CA (= Cape Argus) 3.9.29: 13, NM (= Natal Mercury) 7.9.29: 27, NA (= Natal Advertiser) 7.9.29: 6, CT (= Cape Times) 3.9.29: 7, NM (= Natal Mercury) 10.9.29: 8, NA (= Natal Advertiser) 10.9.29: 14, DFA (= Diamond Fields Advertiser)16.9.29: 3, NW (= Natal Witness) 28.9.29: 13, EPH (= Eastern Province Herold) 30.9.29: 8, EPH (= Eastern Province Herold) 1.10.29: 12, EPH (= Eastern Province Herold) 2.10.29: 15, EPH (= Eastern Province Herold) 5.10.29: 15, TF (= The Friend) 7.1.30: 5 (Johannesburg, Kapstadt, Durban, Kimberley, Pietermaritzburg, Port Elizabeth, Bloemfontein).

(2) Vgl. UFA-Reklame-Ratschlag zu HEIMKEHR. Berlin 1928, 12 S.

(3) Kreimeier spricht von einem „verfälschten Happy-End“ (1992: 202), ein Detail, auf das weder in der Lichtbildbühne noch bei Siegfried Kracauer (1995) eingegangen wurde.

Aus: Michael Eckardt: Zur Rezeption des Spielfilms der Weimarer Republik in Südafrika 1928 – 1933. Eine kinohistorische Untersuchung. Dissertation zur Erlangung des sozialwissenschaftlichen Doktorgrades der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, 2007, S. 281-283:
Michael Eckardts Dissertationsschrift ist hier online abrufbar. In Buchform erschien sie 2008 unter dem Titel: Zwischenspiele der Filmgeschichte. Zur Rezeption des Kinos der Weimarer Republik in Südafrika 1928-1933. (Hochschulschriften, Band 17.) Berlin: Trafo 2008. Die Heimkehr betreffenden Ausführungen finden sich auf den S. 374 f.

Aufgrund des aus heutiger Sicht schleppenden Erzähltempos eignet sich Heimkehr für den Unterrichtseinsatz weniger als die anderen in diesem Bereich vorgestellten Weltkriegs-Spielfilme. Vor allem die langwierige Schilderung der Auseinandersetzung zwischen den drei Protagonisten verlangt dem Zuschauer viel Geduld ab. Erschwerend kommt hinzu, dass die Stummfilm-Melodramatik dieser Szenen, zumal sie in der vorliegenden Fassung durch keine Musik gestützt wird, sehr antiquiert wirkt und vor allem bei jüngeren Zuschauern auf Unverständnis stoßen dürfte. Nichtsdestotrotz bietet der Film partiell Anknüpfungspunkte für den Unterrichtseinsatz, insbesondere weil er das im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg filmisch selten behandelte Thema Kriegsgefangenschaft aufweist (Sequenzen 1-5).

Eine interessante Parallele ergibt sich zudem zum Film Westfront 1918. Georg Wilhelm Pabst schildert darin aus männlicher Perspektive, wie der Soldat Karl auf Heimaturlaub seine Frau inflagranti mit einem Fleischergesellen ertappt (Sequenz 15-16). Ihren Fehltritt begründet seine Frau mit der materiellen Notlage, der die Zivilbevölkerung während des Krieges ausgesetzt ist. Auch wenn dieser Aspekt in Heimkehr nicht thematisiert wird, behandelt der Film die Problematik der zurückgelassenen Ehefrau mit einem stärkeren Fokus auf die weiblichen Perspektive, sodass sich hier Vergleichsmöglichkeiten ergeben. Statt der materiellen ist es die seelische Not, d.h. Annas Einsamkeit und Verlassenheit, die dazu führen, dass sie sich in der Wohngemeinschaft mit dem Freund ihres Mannes zu diesem hingezogen fühlt. Dies wird besonders deutlich in den Sequenzen 8, 9 und 11. 

1./2. Stunde: Kurze Einführung in den Film Westfront 1918 unter Zuhilfenahme der Handlungszusammenfassung sowie ggf. der Bewertung durch Siegfried Kracauer (K 1). Anschließend Vorführung der Sequenzen 14-16 (ca. 14 Filmminuten) und Diskussion der Motive für den Ehebruch von Karls Frau.

3./4. Stunde: Kurze Einführung in den Film Heimkehr unter Zuhilfenahme der Handlungszusammenfassung sowie den von Elisabeth Lutz-Kopp zusammengetragenen zeitgenössischen Pressereaktionen (K 1). Anschließend Sichtung der Sequenzen 6-7 und 11 (ca. 25 Filmminuten) und Diskussion, inwieweit sich die Konstellation und die Motive der Figuren in Heimkehr von denen in Westfront 1918 unterscheiden. Worin liegt auf der einen Seite die Anziehung zwischen Karl und Anna, und was hält sie auf der anderen Seite vom Ehebruch ab?

5./6. Stunde: Vertiefung der Diskussion unter Verwendung von Material M 1: Ute Daniel über Sexualität, Prostitution und Ehe im Ersten Weltkrieg. Im zeitgenössischen Sprachgebrauch handelt es sich bei den Frauenfiguren beider Filme um „Kriegerfrauen“. Welche gesellschaftlichen Ansprüche wurden an sie gestellt, welchen staatlichen Restriktionen unterlagen sie? Ute Daniel zitiert ein Dokument, in dem es heißt: „Es gibt Kriegerfrauen, die Liebe und Treue, Zucht und Sitte vergessen und sich fremden Männern an den Hals werfen, während die Männer draußen darben und bluten; Kriegerfrauen, die zum Tanz und ins Vergnügen laufen, die mit dem Geld, das die Männer schicken, sich wie Dirnen putzen oder im Essen schlemmern, während sich die Kinder mit zerrissenen Strümpfen und Kleidern verwildert auf der Straße herumtreiben.“ (Siehe hier.) In welchem Verhältnis steht das in diesem Zitat gezeichnete Bild zu den beiden Kriegerfrauen in Heimkehr und Westfront 1918?

7./8. Stunde: Perspektivwechsel: Sexualität an der Front. Aufbauend auf Material M 1 (Ute Daniel) sollen die Sequenzen 35 und 37 aus Im Westen nichts Neues (Besuch bei den Französinnen) und die Sequenzen 2, 3 und 11 aus Westfront 1918 (der Student und Yvette) vorgeführt und unter dem Gesichtspunkt der Prostitution bzw. der sexuellen Kontakte mit der Bevölkerung in den deutsch besetzten Gebieten diskutiert werden. In den filmischen Darstellungen erscheint die Romanze des Studenten mit Yvette ebenso wie der tröstliche Besuch Paul Bäumers und seiner Kameraden bei den Französinnen als Moment der Hoffnung: in der zwischenmenschlichen, auch erotischen Annäherung scheint sich eine Völkerverständigung abzuzeichnen. Inwieweit ist diese Darstellung realistisch, inwieweit ist sie kritisch zu bewerten? Welche Probleme ergaben sich daraus für die Frauen in den besetzten Gebieten, und welche Motive mögen sie zur Prostitution oder zu Verhältnissen mit deutschen Soldaten getrieben haben? (Zum Film Westfront 1918 können auch die Thesen von Barbara Ziereis / K 2, Abschnitt „Filmfrauen im Krieg“, herangezogen werden.)

Die vorgestellte Lehreinheit kann ggf. noch ergänzt werden durch eine 9./10. Stunde, in denen die Frauendarstellung der patriotischen Weltkriegs-Spielfilme Berge in Flammen und Morgenrot kritisch zu untersuchen und mit den vorhergegangenen Filmausschnitten zu vergleichen wäre. Im Mittelpunkt sollte die Vorführung und Diskussion der Sequenz 15 aus Berge in Flammen stehen (Besuch Florian Dimais in seinem besetzten Heimatdorf) und der Sequenzen 14 und 16 aus Morgenrot, die die Haltung der weiblichen Bevölkerung in der Heimatstadt der U-Boots-Besatzung veranschaulichen. Ergänzend können hierbei die Thesen von Barbara Ziereis zum Thema „Filmfrauen im Krieg“ herangezogen werden, siehe K 2 zu Berge in Flammen und K 2 zu Morgenrot.

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