Zwei Zentren bilden die Grundsteine zur neuen Innenstadt
Entwicklungsschub durch Eisenbahnbau
Der nächste Entwicklungsschub kam mit dem Eisenbahnbau und der Errichtung des Bahnhofs (erbaut 1844-1847) auf einem bisher kaum genutzten Fcld. Der dadurch bedingte Anschluss an den überregionalen Verkehr und Transport brachte einigen Aufschwung nicht nur für das Gewerbe, sondem auch für die innerstädtische Infrastruktur. Für die ankommenden Gäste mußten z.B. bequem erreichbare Hotels zur Verfügung stehen. Die Hotelszenerie verlagerte sich deshalb aus der Calenberger Neustadt in das Bahnhofsquartier, die sogenannte Ernst-August-Stadt. “ Schon 1853 erwarteten hier eine ganze Reihe mehr oder weniger „comfortabler“ Häuser dic Gäste …“ 3
Städtebauliche Entwicklungskonzepte
Unter städtebaulichem Gesichtspunkt stand die Aufgabe an, die Georgstraße an dcn
Bahnhof, wo sich damals vorwiegend Leute aus den gehobenen Schichten trafen, anzugliedern.
Der Schwerpunkt der baulichen Entwicklung Hannovers lag zwischen 1850 und 1860 in der Ernst-August-Stadt und den angrenzenden Gebieten. Die Ernst-August-Stadt wurde einerseits durch die Georgstraße und das Bahngelände, andererseits durch die Kanalstraße, die Umfuhr und die Prinzenstraße begrenzt.
In diesem unregelmäßigen Vieleck waren zwei Zentren entstanden. Zum einen war dies der Bahnhof von 1843 mit dem vorgelagerten Ernst-August-Platz und zum anderen der aus einer alten Bastion und ihren zugeschütteten Gräben hervorgegangene dreieckige Platz, auf dem 1845/52 das Hoftheater, das heutige Opernhaus, erbaut wurde und der von der Georgstraße begrenzt wurde. So waren in unmittelbarer Nähe zwei Plätze entstanden, die in idealer Weise geeignet waren, Verkehr, Handel und gesellschaftliche Repräsentation in städteplanerisch-architektonische Gestaltung umzusetzen. Die geistig-kulturellen und die technisch-wirtschaftlichen Merkmale der Gründerzeit erfuhren in der Ernst-August-Stadt ihre adäquate und sichtbare bauliche Ausprägung. Jedes Zentrum wurde durch eine axiale Straße hervorgehoben, der Bahnhof durch die Bahnhofstraße und das Theater durch die Theaterstraße. Diese Achsen wurden jeweils yon zwei symmetrisch angelegten Straßen flankiert, die Bahnhofstraße von der Luisen- und Reitwallstraße (heute: Schillerstraße), die Theaterstraße von der Luisen- und Sophienstaße. Die Verbindung zwischen den beiden Schwerpunkten besteht darin, daß die Luisenstraße beiden Axialsystemen angehört. (1)
Die Bahnhofsmitte, der Marktkirchenturm, der Wintergarten des Leineschlosses und die Achse des Waterlooplatzes mit der Säule bilden eine gerade Linie, welche zum einen die neu angewachsenen Vororte nördlich und nordöstlich des Bahnhofs und zum anderen die Calenberger Neustadt und die südlichen Vororte Ohe, Glocksee, Linden über die Altstadt hinweg miteinander verklammert. Diese imaginäre Linie bildet den Vorläufer für den späteren Durchbruch der Karmarschstraße, um die Verbindung vom Bahnhof nach Linden zu schaffen.
Adelheid von Saldern (1991)