Wiederbelebungsversuche

Im Jahre 1977 wurde in Bendestorf ein weiterer Anlauf unternommen, um wieder einen großen deutschen Spielfilm zu produzieren. Wie häufig im deutschen Filmschaffen griff man, wenn man nicht recht weiter wusste, auf eine bekannte Literaturvorlage zurück. Diesmal war es Storms Novelle DER SCHIMMELREITER, die bereits 1933 als Filmvorlage gedient hatte. Für die Herstellung der Neuverfilmung wurde eigens eine Produktionsfirma, die ,,Schimmelreiter- Albis-Film“ gegründet; neben dem ZDF war auch die ,,Studio-Film“ an der Produktion beteiligt. Der Routinier Alfred Weidenmann inszenierte den Film, der einen internationalen Anstrich haben sollte: ,,Bittere Tatsache ist“, so Weidenmann, ,,daß ein rein deutscher Großfilm selbst unter günstigen Bedingungen nur selten die Chance hat, seine Kosten in der Bundesrepublik Deutschland einzuspielen. Ein internationaler Film, um den es uns geht, braucht deshalb Schauspieler, die in anderen Ländern als Stars gelten.“‚; Neben Gerd Fröbe als alter Deichgraf waren es der Amerikaner John Phillip Law und Anita Ekström. Aber auch diese Bemühungen führten nicht dazu, die Spielfilmproduktion in den Atelierbetrieben dauerhaft wiederzubeleben. Zehn weitere .Jahre sollte es dauern, bis wieder ein größeres Spielfilmprojekt nach Bendestorf kam.

Aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation der Atelierbetriebe verpachtete Peter Fink, der die Leitung der Firma von seinem Vater übernommen hatte, die Studios ab Januar 1982 an den Hamburger Alan Vydra, der allerdings noch im gleichen .Jahr mit seinen Alster-Studios in Konkurs ging. Zwei Jahre später übernahm die Familie Fink nochmals die Leitung der Ateliers, wieder wurden fast ausschließlich Werbefilme hergestellt. Wenn in den achtziger Jahren und danach Werbespots von Ariel, Kukident, Mon Cherie, VW und Blaupunkt über die Kinoleinwand oder den Fernsehbildschirm liefen, wenn der Travestie-Star Mary sich für eine Marmeladensorte ins Zeug legte, dann entstanden diese Bilder häufig in Bendestorf.

Ab 1987 gelang es noch einmal, drei Spielfilmproduktionen in die Ateliers zu holen: DER MADONNAMANN (1987, Regie: Hans-Christoph Blumenberg), DER MANN NEBENAN (1991) unter der Regie von Petra Haffter sowie die Neuverfilmung SlSl (1991, Regie: Christoph Böll).

Ein im Nebel über die Deiche jagender Gespensterreiter, so erzählt eine norddeutsche Legende, kündigt eine drohende Sturmflut an. Der Husumer Theodor Storm verfasst kurz vor seinem Tod 1888 aus dieser Überlieferung seine berühmte Novelle „Der Schimmelreiter“, in der er düster und resigniert Lebensbilanz zieht. Hauke Haien, der durch seine Weitsicht zum Deichgrafen aufsteigt, geht im Kamp gegen die Naturgewalten des Meeres zugrunde. Eine Sturmflut fordert den tragischen Tod von Elke, der Tochter des alten Deichgrafen. Hauke Haien wird zum gespenstischen „Schimmelreiter“.

Die Novelle, die bereits 1933 von Curt Gertel und Hans Deppe verfilmt wurde, dient Regisseur Alfred Weidenmann 1977 als Vorlage für den bis dahin teuersten Spielfilm der Studio-Film. Sie produziert das Zwei-Millionen-Projekt gemeinsam mit der Albis-Film, Hamburg, der Anila-Film, Königstein, und dem Zweiten Deutschen Fernsehen.

Zur Finanzierung wird eigens die „Schimmelreiter-Albis GmbH“ gegründet. Weidenmann will mit der Verfilmung des Friesendramas auch den internationalen Markt ansprechen. Er besetzt die Rolle des Hauke Haien mit dem Amerikaner John Phillip Law, die Schwedin Anita Ekström spielt Elke und Gert Fröbe ihren Vater, den alten Deichgrafen.

Gedreht wird zuerst im Bendesdorfer Atelier und anschließend an verschiedenen Schauplätzen Nordfrieslands. Das Meer macht nicht nur Hauke Haien, sondern auch dem Filmteam zu schaffen.

„De Filmlüt wer sich noch wundern, ob die Tide“, kommentiert ein Küstenbewohner die Außenaufnahmen im Watt von Dagebüll, als die auf einer Sandbank postierte Kamera allmählich geflutet wird. Die Presse lobt vor allem die stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen und die hervorragenden Schauspieler. Die mystisch-unheimliche Atmosphäre der Stormschen Novelle findet sich in Weidenmanns routinierter Inszenierung jedoch nur teilweise wieder.

Hans-Christoph Blumenberg, ehemals Filmkritiker der „Zeit“, inszeniert seinen dritten Spielfilm DER MADONNA-MANN (1987) in Bendesdorf. Marius Müller-Westernhagen kommt hier als Held ider Willen einemkunstversessenen Gangsterboss auf die Schliche und kann, obwohl selbst von Killern gejagd, einen Mord verhindern. Die Presse beurteilt den Film ihres früheren Kollegen kritisch: „Leider erweist er sich auch in seinem dritten Werk mehr als Filmkenner, denn als –könner.“ (Stuttgarter Zeitung)

Christoph Böll widmet sich mit SISI UND DER KAISERKUSS (1991) einem Thema, das dank Ernst Marischkas SISSI-Trilogie mit Romy Schneider bereits Generationen von Kino- und Fernsehzuschauern ans Gemüt ging: dem Leben der Kaiserin von Österreich. Der Plan Bölls, nun die „wahre Geschichte der SISI zu verfilmen, sorgt für Wirbel. Auf Zeitungsannoncen melden sich über 10.000 Bewerberinnen, die die Nachfolge von Romy Schneider antreten wollen. Vanessa Wagner gehört nicht zu ihnen, sie wird durch Zufall vom französischen Co-Produzenten entdeckt. Böll versteht den Film jedoch nicht als Remake, sondern geht ironisch der Frage nach, warum sich Kaiser Franz Joseph nicht mit der für ihn bestimmten Helene, sondern mit ihrer kleinen Schwester verliebt. „Der Franz Joseph war eine Flasche“, lautet Bölls Antwort. Sein Prinz (Nils Tavernier) ist ein Mama-Söhnchen voller Frauenkomplexe. Die schöne Helene (Sonja Kirchberger) beängstigt ihn, während die kindliche Sisi nur einen „Kaiserkuss“ verlangt.

Regisseurin Petra Haffter und Hauptdarsteller Anthony Perkins bei Dreharbeiten zu DER AMNN NEBENAN in Bendestorf

 

Petra Haffter inszeniert in den Bendestorfer Ateliers den Thriller DER MANN NEBENANN/A DEMON IN MY VIEW (1991) mit dem PSYCHO-Star Anthony Perkins. Arthur Johnson (Perkins) führt seit zwanzig Jahren in einem Londoner Mietshaus in psychopathisches Doppelleben. Ein neuer Mieter (Uwe Bohm), der nicht nur ebenfalls Johnson heißt, sondern auch noch eine Doktorarbeit über Psychopathen schreibt, löst eine Katastrophe aus. Es ist die vorletzte Filmrolle von Anthony Perkins (…). Das Studio erhält den Zuschlag, weil es neben den Ateliers der Münchener Bavaria und dem Studio Babelsberg als einziges über die nötige Bauhöhe für eine Treppenhauskulisse verfügt.

 

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