Professor Mamlock (1961)
Inhalt
Eine deutsche Universitätsstadt zu Beginn des Jahres 1933. Professor Mamlock ist Jude und Chef einer chirurgischen Klinik. Politik interessiert ihn nicht, auch nicht die Warnung vor den Nazis. Er setzt auf Staat, Familie und humanistische Prinzipien. Den verwundeten Kommunisten Walter versorgt er zwar medizinisch, aber er versteht ihn nicht. Seinem Sohn Rolf weist er die Tür, als dieser zum Widerstandskämpfer wird. Seiner Tochter Ruth glaubt er nicht, dass man sie als Jüdin aus der Schule geworfen hat. Auch die völkischen Reden des Dr. Hellpach hat er nie ernst genommen. Erst als auch er seine Arbeit verliert und von SA-Leuten aus der Klinik geführt wird, bricht sein Glaube an Recht und Ordnung zusammen. Durch die Intervention eines einflussreichen Unternehmers bekommt er seine Arbeitserlaubnis wieder. Als Chefchirurg muss er jedoch die Entlassungsliste der anderen jüdischen Mitarbeiter unterschreiben. Mamlock weigert sich, es kommt zur Auseinandersetzung mit dem kommissarischen Leiter Dr. Hellpach, in deren Verlauf sich die Ärztin Inge Ruoff, Mitglied der NSDAP, auf die Seite Mamlocks, stellt. Aber Mamlock sieht für sich keinen Ausweg und wählt den Freitod.
(Quelle: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946-1992)
Film in der DDR der 50er und frühen 60er Jahre

Produktion: DEFA Potsdam-Babelsberg, KAG ‚Heinrich Greif Regie: Konrad Wolf
Buch: Karl Georg Egel, Konrad Wolf, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Friedrich Wolf
Dramaturgie: Willi Brückner
Kamera: Werner Bergmann, Günter Ost
Musik: Hans-Dieter Hosalla; Ludwig van Beethoven (9. Sinfonie)
Bauten: Harald Hörn.
Ausführung: Walter Colani
Kostüme: Werner Bergemann
Schnitt: Christa Wernicke
Ton: Gerhard Wiek
Regieassistenz: Michael Englberger
Kameraassistenz: Mandred Damm
Literarische Beratung: Walter Pollatschek
Medizinische Beratung: Dr. Ursula Voigt-Figuth Produktionsleitung: Hans-Joachim Funk
Aufnahmeleitung: Irene lkker
DarstellerInnen:
Wolfgang Heinz (Professor Hans Mamlock),
Doris Abesser (Ruth, seine Tochter),
HilmarThate(Rolf seinSohn),
Ursula Burg (Ellen, seine Frau),
Lissy Tempelhof (Dr. Inge Ruoff),
Ulrich Thein (Ernst),
Harald Halgardt (Dr. Hellpach),
Herwart Grosse (Oberarzt Dr. Carlsen),
Peter Sturm (Dr. Hirsch),
Franz Kutschern (Dr. Werner Seidel),
Kurt Jung-Alsen, Günter Neumann, Agnes Kraus, Günter Grabbert, ManfredKrug, Hans Flössel, Hans Teuscher, Johannes Maus, Bruno Carstens, Marianne Daudert, Greti Emmer, Sonja Voigt-Haas, Horst Giesen, Ellen Weber, Wilhelm Besendahl, Wolf Thiessen, Wolfgang Schminke, Dieter Kores, Jürgen Henschke, Johannes Curth, Norbert Moedebeck, Margrit Tippmann, Walter E. Fuß, Gisela Graupner, Heide Kipp, Karl-Helge Hofstadt
Uraufführung: 19. Mai 1961 s/w, 96 Min.
Auszeichnungen:
Der Film wurde 1961 auf dem II. Internationalen Filmfestival von Moskau mit einer Goldmedaille ausgezeichnet und für den Großen Preis nominiert.
Auf dem II. Internationalen Filmfestival in Neu-Delhi erhielt der Film 1961 die Silberne Lotosblume
Mich interessieren immer komplizierte Schicksale, besonders wenn Menschen durch bestimmte Ereignisse und Situationen schwere, sehr schwere Entscheidungen zu treffen haben. Das interessiert mich sehr. Allerdings nicht, wenn in der ersten Minute des Films schon klar ist, wie die Entscheidung ausfällt. Verschlungene und widerspruchsvolle Wege, die zu einer Entscheidung führen, oder eine zu späte, richtige Erkenntnis, die zu einem tragischen Ende führt – wie es bei meinen beiden Filmen PROFESSOR MAMLOCK oder Sterne der Fall war – , sie berühren mich sehr.
Heide Gossing: Für die Zukunft leben, heißt auch, sich der Vergangenheit bewußt sein. Gespräch mit Konrad Wolf; in: Ostsee-Zeitung, Rostock, 13.3.1977
Warum PROFESSOR MAMLOCK?
„Vergessen…? Ehe im Schatten von Kurt Maetzig, Affaire Blum von Erich Engel, Sterne unter meiner Regie, nach einem Buch des Bulgaren Angel Wagenstein, sind Defa-Filme, die sich mit dem Antisemitismus während der Hitler-Barbarei auseinandersetzten. Und nun – PROFESSOR MAMLOCK, der nach einem Drama meines Vaters Friedrich Wolf entstand. Es gibt gewiß Menschen, die der Meinung sind, daß wir uns schon oft genug mit dem Antisemitismus auseinandersetzten und daß der MAMLOCK doch eigentlich gar keine Berechtigung mehr hätte. Sie sagen, laßt doch endlich die Vergangenheit ruhen! Haben wir aber das Recht zu vergessen? Gerade die Gegenwart gibt uns Veranlassung, es nicht nur als unser Recht, sondern vielmehr als unsere Pflicht anzusehen, immer wieder daran zu erinnern -niemals zu vergessen!
Ein berühmter Arzt und Wissenschaftler wird durch die Straßen seiner Heimatstadt gehetzt. Warum? Was hat er verbrochen? Das auf seine Brust geschmierte Wort ‚Jude‘ ist die Antwort darauf.
Ein Schuß zerreißt die Stille der chirurgischen Klinik. Ein wertvoller Mensch setzte seinem Leben ein Ende. Was trieb ihn in den Freitod? Die Antwort ist: Verrat. Verrat an seinen humanistischen Idealen, ausgeübt von Menschen, denen er sein ganzes Vertrauen schenkte, die ihn aber angesichts der brutalen Willkür der faschistischen Machthaber und aus Angst vor der Gefährdung ihrer eigenen Existenz preisgaben. Unrecht ist im Leben der Menschen wie Unkraut – wenn man es nur abmäht, wird es sehr bald wieder wuchern. Man muß die Wurzeln des Unrechts aufdecken und sie mit Stumpf und Stiel ausrotten. Sich dagegen aufzulehnen genügt nicht. Den Schleier des Vergessens darüber zu ziehen, wäre eine verhängnisvolle Begünstigung derjenigen, die uns das Vergangene vergessen machen wollen, weil ihnen die Erinnerung sehr ungelegen kommt. Deshalb – unser MAMLOCK.
Deshalb – das Motto aus Mamlocks Erkenntnis: „Es gibt kein größeres Verbrechen, als nicht kämpfen zu wollen, wo man kämpfen muß!“
Konrad Wolf im Programmheft zu PROFESSOR MAMLOCK, Berlin (DDR) 1961