Menschen am Sonntag (1961)

Inhalt

Nach der Fanfare zu Beginn – „dkp zeigt“ – rast ein Zug gen Hannover, „Chattanooga Choo Choo“ klingt an. Ein Leierkastenmann stromert über eine Wiese mit Wohnwagen, hebt etwas auf: nichts Brauchbares! Aus der Uhu-Bar in der Bahnhofstraße kommt im Morgengrauen ein Mann mit Kontrabass auf dem Rücken, steigt auf’s Rad und radelt davon. In Linden wird der Eismann von Kindern verfolgt („Vielleicht gibt´s was umsonst?“).

Auf der Ihme zieht ein Achter mit Steuermann seine Bahn. Der Achter fährt unter der Brücke am Capitol hindurch.

Immer wieder taucht ein kleines Mädchen (die Tochter Horst Latzkes) im Bild auf, tippelt auf dem Georgplatz umher, „füttert“ ihren Teddy, staunt. Auf einer Wiese spielen Jungen Fussball. Mädchen führen vor Publikum auf einer Lichtung in der Eilenriede Bodenturnen vor. In der Neustädter Kirche dirigiert Prof. Heinz Hennig den von ihm gegründeten Knabenchor Hannover. Es wird der Einleitungschor aus Händels Cäcilien-Ode gegeben. Ein Angler lässt sich im Boot auf einem See treiben. Diverse Menschen ergehen sich im süßen Nichtstun: Mädchen im Bikini, ein Paar mit Kofferradio, eine alte Dame mit Sonnenhut. Eine Familie picknickt im Georgengarten, im Hintergrund das Continental-Verwaltungsgebäude.

Dösen auf dem ruhenden Schützenfest.
Ein Ihme-Dampfer nähert sich der Brücke am Capitol und passiert sie.
Auf einer Wiese in der Eilenriede lauschen die Jungen des Knabenchors den Akkordeonklängen eines blonden Jünglings, der auf einem Baumstumpf sitzt, und summen zu dem Shanty. Hier kommt Erhardt Meyer-Sewerings selbstgebauter Kamerawagen zum Einsatz: Hinfahrt, Stand, Rückfahrt mit Schwenk nach rechts. Und das auf unebenem Boden, ohne Ruckeln und Zittern!

Der Ihme-Dampfer ist jetzt ungefähr auf der Höhe von Ahlem. Die Menschen an Bord grüßen eine Gruppe von Radfahrern, die auf dem schmalen Treidelpfad neben dem Fluss munter fahren. Ein Mann fährt in Ahlem auf einem Moped mit einem anderen Mann, der Concertina spielt, rücklings auf dem Gepäckträger sitzend Zwei Männer schieben einen Oldtimer bergan, geben erschöpft auf, der dandyhafte Fahrer beschwert sich: „los, weiter!“. Das stehende Auto wird von dem Duo auf dem Moped überholt, von vorn kommt ihnen ein Opel entgegen.

Das Schützenfest erwacht zum Leben: Der Leierkastenmann spielt, wird belohnt und bedankt sich, Kettenkarussell und Schiffsschaukel sind in Aktion, ein Mann mit Fez, der türkischen Honig verkauft, ein fliegender Händler mit Kitschfiguren. Ein Trickspieler zeigt Kartentricks, aber das Publikum versteht nichts.

Die Jungen des Knabenchors im Zoo. Ein Konzert des Knabenchors (mit einem schwedischen Lied) vor offenbar internationalem Publikum, Abschied am Naturfreundehaus im Norden von Hannover. Abschlusskonzert in der Marktkirche: Prof. Heinz Hennig dirigiert Knabenchor und Jugendsinfonieorchester mit Prof. Barbara Koerppen als Konzertmeisterin. Es wird Georg Friedrich Händels Cäcilien-Ode gegeben, Chor und Orchester geben ihr Bestes. Wolfgang Zettls Klavierbegleitung lässt das spüren. Als Schlussbild zeigt die Kamera die wunderschöne Orgel der Marktkirche.

Bezugsquelle

Für die Bildungsarbeit in Niedersachsen ist er zudem über das Portal Merlin des NLQ verfügbar und kann hier abgerufen werden.

Der Film „Das Gesicht einer Stadt“ ist von der GFS auf DVD mit zugehörigem Booklet herausgegeben worden und zum Preis von 10 € an folgenden Verkaufsstellen in Hannover zu beziehen:

  • GFS, Hannover, Expo Plaza 12
  • Kino im Künstlerhaus, Hannover, Sophienstr. 2
  • Historisches Museum, Hannover, Pferdestraße 6
  • Antiquariat Ingeborg Becker, Hannover, Lister Meile 49
  • Schloss-Shop-Herrenhausen, Herrenhäuser Straße 5

Filmansicht auf dem Medienserver Merlin

 

Titel: Menschen am Sonntag
Untertitel:
Impressionen einer Stadt
Produktion: Graf v. Bethusy-Huc
Regie: Horst Latzke
Kamera: Erhardt Meyer-Sewering
Musik: Wolfgang Zettl (2007)
Länge: 15 Minuten

 

Vor einigen Jahren wurde in der Filmsammlung „Horst Latzke“, die Mitte der 1990er Jahre von der Niedersächsischen Lottostiftung erworben und der damaligen Landesmedienstelle zur Aufbereitung übergeben wurde, eine Filmkopie entdeckt, die die Grundlage des hier vorgestellten Films bildet: Es handelt sich um eine stumme 16mm-Positivkopie, die ohne weitere Unterlagen überliefert wurde. Eine Sichtung des Films ergab, dass es sich um eindrucksvolle Schwarzweiß-Aufnahmen aus Hannover um 1960 handelt, die in ihren Motiven und in der Art der Inszenierung – Stichwort „Poetischer Realismus“ – deutlich von den bisher bekannten Hannover-Filmen der Nachkriegszeit abweichen, die durch die Darstellung des Wiederaufbaus geprägt sind.

Nachdem im Rahmen des Hannover-Film-Projektes der Ges. f. Filmstudien e.V. Finanzmittel eingeworben worden waren, stand fest, dass auch dieser Film in die Auswahl der zu sichernden Filme aufgenommen werden würde. Da keine schriftlichen Unterlagen zur Entstehung des Films mehr existierten, führten wir – etwa 45 Jahre nach Entstehung des Films – Gespräche mit dem Regisseur Horst Latzke sowie mit dem damaligen Kameramann Erhardt Meyer-Sewering, um etwas über die Entstehungsgeschichte zu erfahren. Die Filmemacher berichteten, dass es sich bei diesem Film um keine Auftragsproduktion gehandelt habe, sondern dass sie hier eigenen Interessen nachgegangen seien. Grundidee sei gewesen, Schauplätze und Motive einzufangen, die in der üblichen Dokumentarfilmproduktion jener Zeit, die stark durch Tempo, Dynamik und Wirtschaftswunder geprägt sei, nicht vorgekommen seien. Eine Anregung sei auch der bekannte Berlin-Film „Menschen am Sonntag“ von 1930 (Billie Wilder, Robert Siodmak u.a.) gewesen. Die Motive in dem hannoverschen Film, etwa die Aufnahmen vom Schützenfest, Bilder von Gastarbeitern, Ausflügler und Menschen, die ein Sonnenbad nehmen, seien mit der Kamera beobachtet worden. Einige wenige Aufnahmen basierten auf erfundenen Szenen, wie etwa die zwei Männer, die ein Auto eine Steigung empor schieben und dabei von einem Moped überholt werden.
In dieser Art der Beobachtung und Inszenierung von Alltäglichem zeigen sich deutliche Einflüsse durch das französische und italienische Kino der späten 1940er und 1950er Jahre, etwa Filme des Neorealismus (de Sica, Fellini), die von Horst Latzke und Erhardt Meyer-Sewering in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre voller Bewunderung im hannoverschen Hochhaus-Kino gesehen wurden.

Horst Latzke berichtete, dass „Menschen am Sonntag – Impressionen einer Stadt“ damals einschließlich einer Musikuntermalung fertig gestellt und auch aufgeführt worden sei. Diese kombinierte Kopie ist offensichtlich verschollen, es ist auch keine separate Tonspur überliefert, noch gibt es ausreichende Hinweise auf die verwendete Musik.1 Wie bereits erwähnt, wurde lediglich die stumme 16mm-Kopie von „Menschen am Sonntag- Impressionen einer Stadt“ überliefert. Um diese zu sichern und den interessanten Film einem breiteren Publikum vorführen zu können, haben wir uns dafür entschieden, den kompletten Film neu zu vertonen: In Zusammenarbeit mit dem hannoverschen Filmkomponisten Wolfgang Zettl, der seit vielen Jahren im Künstlerhaus Stummfilme mit Klaviermusik begleitet, wurde eine neue Tonfassung hergestellt. Herr Zettl hat eine passende Musik komponiert, gespielt und aufgenommen, die wir dann mit den entsprechenden Rechten erworben haben. In Zusammenarbeit mit dem Kopierwerk Atlantik, Hamburg wurde schließlich die neue Tonfilmkopie geschaffen. Die überlieferte stumme Kopie existiert weiterhin in unserem Archiv. Sie wird gemeinsam mit einem neuen Sicherungsnegativ sowie dem neuen Tonnegativ im Filminstitut Hannover aufbewahrt.


1 Die im Film zu sehende Konzertmusik ist allerdings durch den zeitgleichen Film „Abseits der Hauptstraße“ bekannt und überliefert. Dieser Film thematisiert Konzertreisen des Knabenchors Hannover und enthält auch die diesbezüglichen Sequenzen des Films „Menschen am Sonntag – Impressionen einer Stadt“.

 

Horst Latzkes Film, dessen Titel den berühmten semi-dokumentarischen Berlinfilm „Menschen am Sonntag“ (1929/30, Regie: Robert Siodmak) zitiert, verbindet eine assoziative Erzählweise mit technischem Können und dramaturgischem Geschick und hebt sich auf diese Weise spürbar vom gewöhnlichen Stadtportrait ab. Dass der Originalton verschollen ist, muss als besonders bedauerlich betrachtet werden, da ursprünglich wahrscheinlich (neben den wiederkehrenden Personen) vor allem die musikalischen Motive den Zuschauer durch den Film leiteten. Die 2007 angefertigte Neuvertonung beabsichtigt, diesem Erzählkonzept Rechnung zu tragen. Mit großer Leichtigkeit verdichtet der Film Schauplätze und Personen, Momentbeobachtungen und Alltägliches zu einer atmosphärischen Gesamtkomposition, die unter den Hannover-Filmen eine Sonderstellung einnimmt.

 

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