Einfach nur da sein (1981)

Inhalt

Zwei Straßensozialarbeiter der Drogenberatungsstelle „Drobs“, in Hannover (Anna und Alfred) werden bei ihrer täglichen Arbeit begleitet. Der Dokumentarfilm zeigt Beratungsgespräche, das regelmäßige Aufsuchen der Drogenkonsumenten in Kneipen, Discotheken und an anderen Treffpunkten, die Zusammenarbeit mit Ärzten, Rechtsanwälten und Selbsthilfegruppen sowie die Teamarbeit in der Beratungsstelle.

Der Film arbeitet nach dem Prinzip der teilnehmenden Beobachtung. Zu hören sind nur die im Film auftretenden ProtagonistInnen, es gibt keinen erklärenden Off-Kommentar. Einige Zwischentitel ordnen das Geschehen ein.

Hannover-Filme

Produktionsjahr: 1981

Produktion: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU), Grünwald
Regie: Bernt Lindner
Kamera: Georg Theilacker

Schnitt: Dietmar Preuß

Ton: Julia Hagemeyer

Musik: Atom-Musikanten
Länge: 36 Minuten

Originalformat: 16mm, s/w, Lichtton

Neuherausgabe auf DVD: 2023

 Nr.

Inhalt

Dauer

Laufzeit

1

Vor Schaulustigen spielen die „Atom-Musikanten“ in der Innenstadt von Hannover einen Protestsong. Der Sozialarbeiter Alfred ist einer der Musikanten.

01.41

00.00 – 01.41

2

Anna und Alfred stellen sich gegenseitig vor und geben einführende Erklärungen zu ihrer Tätigkeit. Anschließend eine Situation aus dem Arbeitsalltag: Zwei Klienten sind beim Arzt, Alfred unterstützt sie beim ersten Gespräch. Teestube und Werkstätten der Drogenberatungsstelle werden vorgestellt. Telefonische Kontaktgespräche, Beratung in der „Drobs“, Schlosswenderstraße 12.

06.28

01.42 – 07.10

3

Gang durch die Bahnhofspassage/Passarelle.

Zwischentitel: „Anna und Alfred berichten aus ihrer Arbeit. Sie begrüßen Klienten und Bekannte. Alfred spricht mit Ralf S., der wegen Drogenhandels polizeilich gesucht wird.“ Beobachtungen und Gespräche in der Szene; Versuch, Vertrauen aufzubauen.

05.44

07.11 – 12.55

4

Auf dem Flohmarkt.

Zwischentitel: „Anna hat sich mit Vera K. verabredet, die für ihre Selbsthilfegruppe ein Haus sucht.“

01.58

12.56 –14.54

5

Gespräch in einer Kneipe („Maulwurf“, Lavesstraße)

Zwischentitel: „Kneipe 1. Alfred trifft Klaus S., der `Trips schmeißt`. Das Gespräch ist schwierig und schleppend. Klaus will zu Hause ausziehen. Alfred bietet seine Hilfe an.“

 

03.53

14.55 – 17.58

6

Gespräch in weiterer Kneipe („Erich Rinas“, Knochenhauerstraße).

Zwischentitel: „Kneipe 2. Anna spricht mit Eddie H., der im Strafvollzug mit Drogen in Berührung kam.“

01.17

17.59 – 19.16

7

Ausschnitte aus einem Supervisionsgespräch geben Einblick in die Praxisschwierigkeiten der Studierenden an der Evangelischen Fachhochschule.

Zwischentitel:

„Projektstudium `Streetwork` an der Fachhochschule. Alfred nimmt als Ausbilder regelmäßig an Supervisionsgesprächen teil.“ Treffpunkt Café in der Karmarschstraße.

02.16

19.17 – 22.33

8

Beratungsgespräch in der „Blockhütte“, Weißekreuzplatz.

Zwischentitel: „Kneipe 3. Manfred H. erzählt Alfred, daß zwei seiner Freunde wegen Verdachts auf Drogenkonsum verhaftet wurden. Alfred berät Manfred, wie ein Haftprüfungstermin erreicht werden kann.“

 

 

02.17

22.33 – 24.50

9

Besuch einer Diskothek („Rotation“, Anzeiger Hochhaus).

Zwischentitel: „Die Szene ist wechselhaft wie die Drogenkonsumenten selbst. Alfred trifft kaum `Bekannte`. Trotzdem ist es wichtig, daß Anna und Alfred sich regelmäßig sehen lassen.“

01.25

24.51 – 26.16

10

Gespräch in einer Justizvollzugsanstalt (JVA Hannover).

Zwischentitel: „Alfred besucht zusammen mit einem Rechtsanwalt einen Klienten, um die bevorstehende Gerichtsverhandlung zu besprechen.“ (Rechtsanwalt Detlef Fricke)

04.05

26.17 – 30.22

11

Teambesprechung im Drogenberatungszentrum Schlosswenderstraße.

Zwischentitel: “Es geht um Erfahrungen der Mitarbeiter, die seit einiger Zeit regelmäßig mit Anna und Alfred in die Szene gehen.“

04.37

30.23 – 35.00

12

Straßenmusik der „Atommusikanten“, Credits

00.50

35.00 – 35.50

Straßensozialarbeit oder Streetwork war seit Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ein neues Arbeitsfeld in der Sucht- und Drogenhilfe. Mit der epidemischen Ausweitung des Konsums illegalisierter Drogen Anfang der 70er Jahre entstanden bundesweit und so auch in Hannover Drogenberatungsstellen für die ambulante Beratung und therapeutische Wohngruppen für die Entwöhnungsbehandlung von Abhängigkeitserkrankungen.

Allerdings wurde sehr schnell deutlich, dass die bestehende sog. „Komm-Struktur“ der Beratungsstellen nur sehr begrenzten Zugang zur illegalisierten Lebenswelt von Drogenkonsument*innen hatte.

Aus dieser Erkenntnis heraus entstand die Idee, Streetworker einzusetzen, die an und in die Treffpunkte von Drogenkonsument*innen gehen, dort Kontakte knüpfen, deren Vertrauen gewinnen und bei Hilfebedarf als „Brückenfunktion“ zu der Beratungsstelle oder anderen bestehenden Hilfseinrichtungen fungieren.

Da die Drobs (Drogenberatungsstelle) Hannover beim Einsatz von Streetworkern Vorreiter im Bundesgebiet war, wurde diese besondere konzeptionelle Arbeitsweise in der Fachwelt mit zunehmendem Interesse beobachtet.

So kam auch beim FWU (Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht) in München und hier beim Regisseur Bernt Lindner im Jahr 1980 die Idee auf, über dieses relativ neue Arbeitsfeld einen Lehrfilm für Ausbildungsstätten der sozialen Arbeit zu produzieren.

Nach der Kontaktaufnahme und ersten Sondierungsgesprächen vom Team um Bernt Lindner mit Alfred Lessing und Anna Ehrenberg, die bereits seit einigen Jahren als Streetworker*in für die Drobs Hannover aktiv tätig waren, entstand der Titel des Films EINFACH NUR DA SEIN. Dieser sollte die Kernaussage verdeutlichen: über den regelmäßigen Aufenthalt an den Treffpunkten der Drogenkonsument*innen und die damit verbundene Ausdauer von Alfred und Anna bis zur Entwicklung von Vertrauensbildung zu den Drogenkonsument*innen.

Die Vorbereitung für die Filmaufnahmen, die Drehorte, die Verabredungen mit den Drogenkonsument*innen und die spontanen Filmszenen stellten alle Beteiligten vor große Herausforderungen, da sich das Geschehen immer in illegalisierten Zusammenhängen abspielte und natürlich den Arbeitsalltag von Alfred und Anna, zu unterschiedlichen Tages-, Abend- und auch Nachtzeiten, im Freien, in Kneipen und Diskotheken so authentisch wie möglich widerspiegeln sollte.

Die grundlegende Arbeitsweise für das Filmteam war die unkommentierte teilnehmende Beobachtung. Dabei musste das Filmteam bei den Dreharbeiten, sowohl was das Filmische anbelangte (bei Aufnahmen in der Passerelle wurde der Kameramann auf einem Kofferwagen aus dem Bahnhof geschoben, um unauffällig und doch beweglich zu sein) als auch die Tonaufnahmen (insbesondere in lauten Kneipen und Diskotheken), all ihre Professionalität zum Einsatz bringen. Denn es ging darum, immer so nah wie möglich an den Protagonisten des Films zu sein und dabei aber so unauffällig wie möglich zu agieren. Das, so konnte nach Abschluss der Dreharbeiten festgestellt werden, war Bernt Lindner und seinem Team mit Bravour gelungen.

Private Aspekte fanden auch Einzug in den Film durch das Eingangs- und Abschlusslied „Es kommt noch viel härter“, welches von den Atommusikanten, bei denen auch Alfred Mitglied war, eigens für den Film EINFACH NUR DA SEIN geschrieben wurde.

Alfred Lessing

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