Diskussion zum Umgang mit den Vorbehaltsfilmen

In der wissenschaftlichen, pädagogischen und politischen Öffentlichkeit gibt es immer wieder einmal Diskussionen über den Umgang mit den ausgewiesenen NS-Propagandafilmen, wobei nicht immer differenziert wird zwischen den Vorbehaltsfilmen und NS-Propagandafilmen generell. Auch gegenwärtig wird diskutiert, wie man – fast 75 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur – mit den Vorbehaltsfilmen umgehen soll.

Sind die Bürger der Demokratie nicht mündig genug, um selbst zu entscheiden was sie sehen wollen, und es zu beurteilen? Macht eine gesonderte Behandlung der Filme sie nicht erst recht interessant? Gibt sie ihnen nicht die Weihe des Bedeutsamen? Dies sind nur einige der Fragen, die dabei gestellt werden.

Positionen, die die Vorbehalte generell in Frage stellen – zum Teil verbunden mit dem impliziten politischen Vorwurf, ob der Vorbehalt nicht auch Zensur sei – provozieren am meisten. (Schmid 2010; Rodek 2012)

Jenseits dieser – politisch nicht unproblematischen – Positionen gibt es ein eher pragmatisches Argument gegen diesen Umgang mit den Vorbehaltsfilmen: Jeder kann sie längst sehen – z.T. auf YouTube, auf Webseiten wie z. B. archive.org,[1] oder zuhause auf dem DVD-Player, wenn man sie im Ausland bestellt, oder von einer Reise mitbringt. (Suchsland 2014; Alt/Beyer 2017)

Der Filmregisseur und Autor Oskar Roehler z.B. plädiert deshalb in Felix Möllers Dokumentarfilm „Verbotene Filme“ aus dem Jahr 2014 für eine Freigabe der wichtigsten Propagandafilme. Er erinnert auch daran, dass die inkriminierten Filme mit ihrem „frivolen Ruch des Verbotenen“ immer schon „in der Szene“ kursierten: in den 1980er-Jahren in Klubs und Off-Kinos, heutzutage im Internet.

Auch darüber, „ob politische Bildung anhand dieses Extrembeispiels sinnvoll und ratsam ist, gehen die Meinungen auseinander. Wegen der Aufführung von »Jud Süß« wurde in Dresden Strafanzeige erstattet – zum ersten Mal überhaupt, sagt Rüsel, der betont, die Vorführpraxis sei mit jüdischen Verbänden abgestimmt. Vorbehalte gibt es indes. Zur Auseinandersetzung mit dem »komplexen Phänomen« Antisemitismus sei es nicht nötig, Filme wie »Jud Süß« zu zeigen, sagt Nora Goldenbogen vom jüdischen Kulturverein »Hatikva« Dresden. Sie befürchtet, die Aufführungen könnten »eher etwas kaputtmachen als ihre Absicht zu erreichen«. Beim »Schulkino«, das den Film auch während einer Lehrerfortbildung zeigte, wird die Befürchtung nicht geteilt. Der Film ist Teil einer Schwerpunktreihe zum Rechtsextremismus, sagt Mitbetreiber Nils Behr: »Wir wollen Akzente setzen«“ (Lasch 2005)

Letztere Auffassung unterstützt auch die Erziehungswissenschaftlerin Katharina Rhein in einem Interview mit Katja Irle in der Novemberausgabe der „E&W“: „»Nationalsozialisten hätten sehr geschickt manipuliert und indoktriniert –  » manche ihrer Methoden sind bis heute wirksam« „, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Frankfurter Forschungsstelle NS-Pädagogik. »Deshalb ist eine intensive Auseinandersetzung mit den Denkfiguren der NS-Ideologie so wichtig. «“ (E&W 2015)

Alt/Beyer (2017) sehen in diesen Filmen „ein wertvolles Anschauungs- und Studienmaterial für die Mechanismen audiovisueller Propaganda, die bis heute in Kraft sind, in der Gegenwart jedoch in viel gefährlicheren, da dem Zeitgeist entsprechenden Formen dargeboten werden.“

Ernst Szebedits betont, dass immer auch moralisch-politische Grundsätze zu beachten seien: „Natürlich kann man sagen: Was soll denn an diesen Filmen noch gefährlich sein? Bei diesen Filmen reden wir auch mit einer bestimmten moralischen Haltung.“

Es ist also geboten, über den Umgang mit den Vorbehaltsfilmen nicht nur zu reden, sondern Projekte umzusetzen, die sich an pädagogischen Erfordernissen orientieren und zugleich politisch-moralische Grundsätze beachten. Nicht alles was an Filmbildern existiert, muss gezeigt werden um der nationalistischen Ideologie keine unnötige Bühne zu bieten. Deshalb ist auch mit guten Gründen nicht zu verantworten, die Filme ganz den „Gesetzen des Markts“ zu unterwerfen.[2] Stattdessen sollte nach politischen und pädagogischen Prinzipien eine Auswahl von Filmen getroffen werden, die es ermöglichen, eine vertiefende historisch-kritische Filmanalyse zu leisten. Alt/Beyer sprechen sich in diesem Sinne „für einen zeitgemäßen Umgang mit einem problematischen Erbe“ aus. Es ist angebracht dafür die Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung gegeben sind, zu nutzen.


[1] Zum Beispiel https://archive.org/details/1933hitlerjungequex und https://archive.org/details/1941-Stukas [12.11.2018]

[2] Horst Walther bringt dies auf den Punkt: „Stellen Sie sich mal vor, wenn sie den freigeben den Film, dann läuft er dann bei RTL. Wie soll das dann aussehen: ‚Gucken Sie sich den schlimmsten Anti-Juden-Film aller Zeiten an!‘ Unterbrochen von Waschmittelreklame. Na hören sie mal! Ich finde, das kann man nicht machen. Nach unserer Geschichte, kann so etwas nicht machen. (Sobolla 2010)

 

 

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