Diese Nacht vergess‘ ich nie (1949)
Inhalt
Drei Generationen einer Anwaltsfirma in Scheidungssachen – Großvater Max Schröter, Vater Paul Schröter und Sohn Eugen – geraten in einer Nacht in amouröse Abenteuer. Der Großvater, Gourmet und Mann von Welt, und Sohn Eugen, Referendar und ein noch etwas „grüner“ Draufgänger, sind im Landhaus der Familie Rivalen um die Gunst der schönen Yvonne, einer geschiedenen Klientin. Paul Schröter wiederum, der an diesem Abend eigentlich nur zu einer Angeltour aufbrechen wollte, muß sich auf dem Weg dorthin noch um die ordnungsgemäße Überführung einer LKW-Ladung kümmem, die eigentlich sein Freund, der Spediteur und Ringkämpfer Franz Bauer erledigen soll. Dabei wird Paul auf der Landstraße in einen Autounfall mit Eva verwickelt, die gerade von zu Hause ausgerissen ist, um ihrem geschäftstüchtigen Vater, einem Hamburger Kaffeehändler, zu entkommen, der sie gewinnbringend unter die Haube bringen möchte. lnfolge des Autounfalls lemen sich Paul und Eva kennen und, nach ersten gegenseitigen Vorwürfen, bald auch lieben. Die LKW-Ladung erreicht schließlich noch rechtzeitig ihr Ziel in Hamburg, und Franz Bauer gewinnt sowohl die dortige Ringkampfmeisterschaft als auch die Liebe von Lucie, die er unterwegs kennengelemt hatte. Nach unzähligen Verwechslungen gelingt es auch Paul, Eva zum Traualtar zu führen. Großvater Max und Sohn Eugen indes müssen auf Yvonne verzichten, die
einen vermögenden jungen Mann, der eigentlich Eva zugedacht war, für sich entdeckt
hat.
Aus: Peter Stettner: Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik. Die „Junge Film-Union“ 1947-1952, Hildesheim 1992, S. 67


Regie: Johannes Meyer
Buch: Bobby E. Lüthge, Rolf Meyer nach einer Idee v. Gustav Fröhlich
Regieassistenz: Greta Oexle
Kamera: Albert Benitz
Bauten: Erich Grave
Maskenbildner: Heinz Fuhrmann
Schnitt: Martha Dübber
Ton: Emil Papenfuß
Musik: Wemer Eisbrenner
DarstellerInnen:
Gustav Fröhlich (Dr. Paul Schröter)
Winnie Markus (Eva Suren),
Paul Henckels (Dr. Max Schröter)
Hardy Krüger (Eugen Schröter)
Jaester Naefe (Yvonne Rödern)
Emst Waldow, Hans Schwarz jun., lnge Landgut, Charlotte Witthauer, Albert Florath, Willi Schaeffers, Hans Richter, Elise Aulinger, Ludwig Dose, Carl Voscherau, Hans Harloff, Herbert A.E. Böhme
Produktion: Junge Film-Union, Rolf Meyer, Hamburg-Bendestorf
Produktionsleitung: Helmuth Volmer
Aufnahmeleitung: Georg Mohr
Drehzeit: November 1948 – Februar 1949
Außenaufnahmen: Winsen/Luhe, Hamburg
Atelier: Bendestorf
Länge: 2918m (Westalliierte Militärzensur): 106 Min.
Zensurdatum : April 1949 (Westall. Militärzensur) 5.8.1949 (FSK)
Erstverleih: Schorcht-Filmgesellschaft mbH. (West-Deutschland/West-Berlin)
Uraufführung: 3.5.1949, Hamburg, Harvestehuder Lichtspiele ; Berlin-West 16.6.1949
Austauschfilm der Defa: AFFÄRE BLUM
Dieser Film wurde mit ca. 1,2 Millionen DM der teuerste in schwarzweiß gedrehte Film, den die JFU überhaupt herstellte. In den Hauptrollen agierten bekannte Stars wie Gustav Fröhlich, Winnie Markus, Paul Henckels sowie der damals schon bekannte Nachwuchsschauspieler Hardy Krüger. Auch die Nebenrollen waren mit Emst Waldow, Albert Florath, Inge Landgut, Carl Voscherau usw. ungewöhnlich gut besetzt. DIESE NACHT VERGESS’ICH NIE war beim Publikum nicht erfolglos, in Betracht der hohen Produktionskosten war der Film aber schließlich doch ein finanzieller Verlust für die JFU.

Mit dieser Verwechslungskomödie setzte sich die JFU sehr gründlich von den frühen Zeitfilmen ab. Die Nachkriegszeit der Jahre 1948/49 mit den noch bestehenden
Nöten aller Art ist im Bild nicht mehr zu erkennen, stattdessen beherrscht
ein gehobener Wohlstand die Szenerie, das vorherrschende Milieu ist das der so-genannten Gesellschaft, wie man es aus zahllosen Unterhaltungsfilmen der 30er und frühen 40er Jahren in Deutschalnd kennt. Die Rechtsanwaltsfamilie verfügt nicht nur über Dienstmädchen, sondern auch über ein Landhaus, und der junge Referendar kommt bereits am Vormittag vom Hockeyspielen. Praktisch alle Beteiligten verfügen über Automobile, mit denen rasante Fahrten unternommen werden. Wenn in DIESE NACHT VERGESS’ICH NIE im Prinzip an ein traditionelles „Gesellschaftsmilieu“ angeknüpft wird, so erscheinen Wohlstand und Luxus in dieser Verwechslungskomödie doch mitunter in einer Weise, die an amerikanische Verhältnisse denken läßt. Dazu tragen etwa die zahlreichen Verfolgungsfahrten bei sowie der betont sportliche Referendar, aber auch das modeme Hochhaus, in dem die Anwälte residieren und in dem sie mit einem Fahrstuhl in die Höhe befördert werden.
Die große Distanz, die diese Filmwelt zur Alltagswelt in der deutschen Nachkriegszeit aufwies, wurde auch in der Presse bemerkt. „Ein Märchen der Nachwährungsreform-Prosperity“, meinte ein Rezensent anläßlich der Münchner Uraufführung. „Geht es uns wirklich schon wieder so gut?“135) Dem Publikum jedenfalls gefiel diese Märchenwelt. Es „freut sich des üppig blühenden Klamauks
und lacht aus vollem Halse, wenn das erotisch furiose Töchterchen des Hamburger Kaffeeimporteurs in einer Nacht gleich zwei Luxuskabriolets zu Bruch fährt.“136) Auch in Hamburg lief der Film mit großem Publikumserfolg an.137) Wenn in den Presseberichten über DIESE NACHT VERGESS‘ ICH NIE nach Griünden für den zumindest anfänglich guten Erfolg des Films nachgedacht wurde, so sprach man von „altbewährten Rezepten, mit denen sich die Fihnindustrie einstmals hochge’schwankt‘ hat: man nehme eine Anzahl Stars, lasse sie von einer komischen Situation in die andere purzeln, gebe etwas Liebe und Sport hinzu (…).“138) Auch an anderer Stelle konstatierte man ein „Wiedersehen mit alten Bekannten. Man hatte für ein Massenaufgebot gesorgt – an prominenten Schauspielern und bewährten Gags.“139) Diese beiden Aspekte, das Staraufgebot der Schauspieler, von Paul Henckels über Gustav Fröhlich bis zu Winnie Markus, und die zahlreichen komischen Situationen, die die Darsteller durchleben, bestimmen in der Tat den Film in wesentlichen Teilen. Dabei rücken die sogenannten Gags den Film immer wieder in Schwanknähe: so z.B. wenn die wütende Eva eine Flasche auf den Boden knallt und dabei unbeabsichtigt den Fuß des Managers Camillo Brause trifft oder wenn die beiden Schwerenöter Max und Eugen Schröter beide angetrunken ins Bett der begehrten Yvonne springen, die dort allerdings nicht mehr weilt, so daß Großvater und Enkel unsanft aufeinanderprallen.
Aus: Peter Stettner: Vom Trümmerfilm zur Traumfabrik. Die „Junge Film-Union“ 1947-1952, Hildesheim 1992, S. 67ff