Chemie und Liebe (1948)

Inhalt

Die Ernährung der Menschen ist nach dem Krieg ein unmittelbar drängendes Problem. Der Chemiker Dr. Alland hat eine sensationelle Erfindung gemacht hat: Er kann das pflanzliche Ausgangsmaterial – Gras oder Moos – auf direktem Wege in Butter verwandeln, ohne dabei Kühe zu benötigen, die erst Milch produzieren. MehreEinführungre hübsche Damen machen sich an den Erfinder heran, um diese profitversprechende Neuerung jeweils für ihren Konzern an Land zu ziehen. Nach einigen Irrungen und Wirrungen begreift Dr. Alland, dass all diese Damen nur am Geld und nicht an ihm interessiert sind, erkennt in seiner Assistentin seine wahre Liebe und verlässt das Land. (wikipedia)

Film im Nachkriegsdeutschland 1945 – 1950

Produktionsland

Deutschland (SBZ)

Originalsprache

Deutsch

Erscheinungsjahr

1948

Länge

98 Minuten

Stab

Regie

Arthur Maria Rabenalt

Drehbuch

Frank Clifford, Marion Keller

Produktion

DEFA

Musik

Theo Mackeben

Kamera

Bruno Mondi

Schnitt

Alice Ludwig

DarstellerInnen

  • Hans Nielsen: Dr. Alland

  • Tilly Lauenstein: Martina Höller

  • Ralph Lothar: da Costa

  • Ann Höling: Georgia Spaldi

  • Gisela Deege: Aimée

  • Gerd Frickhöffer: Dr. Brose

  • Arno Paulsen: C. D. Miller

  • Arno Ebert: Cornelius Vandenhoff

  • Alfred Braun: Erzähler

  • Anneliese Rausch: Annelie

  • Jakob Tiedtke: Patient

  • Ye Chong Yin: Sprechstundenhilfe

  • Gustav Püttjer: Charly

  • Eugen Klinger: Dr. Nasier

  • Eduard Matzig: Dr. Hirai

Chemie und Liebe ist der erste Science-Fiction-Film der DEFA aus dem Jahr 1948, gedreht von Arthur Maria Rabenalt in Schwarzweiß. Die antikapitalistische Komödie geht zurück auf ein Stück des Filmtheoretikers Béla Balázs.

Béla Balázs:

Brief an Sergej Eisenstein, 1930

Lieber S. M. Hier schicke ich Ihnen ein flüchtiges Exposé – bloß die Idee zu einer Idee – für jene marxistische Komödie der Ideologien, die ich Himmlische und irdische Liebe nannte und die in Ihrer Hand sehr lustig und sehr lehrreich werden könnte. Jedenfalls Ihnen eine Möglichkeit gäbe, eine neue Art der Groteske und der Parodie zu schaffen (im Bürokratieteil der Generallinie bereits begonnen). Auch könnten Sie hier »Gedankenmontage« (…!) machen wie nur an wenig anderen Stoffen. Ich weiß, es wäre wieder ein ganz neues, ein erstes Werk, ein unerbittlich revolutionäres, das trotzdem keine Zensur verbieten könnte. Und ich wäre stolz und glücklich, wenn ich einmal mit Ihnen arbeiten könnte, S. M.! ( … )

Aus einem Brief vom 8. Februar 1930. Quelle: Béla Balázs: Schriften zum Film, 2. Band, Berlin 1984, S. 261 f. Nach dem Exposé »Himmlische und irdische Liebe« schrieb Balàzs später in der UdSSR eine Theaterkomödie in vier Akten und einem Vorspiel.


zitiert nach: FiIm – Fund. Wiederentdeckt – Neu gesehen    Begleitmaterialien zu einer VERANSTALTUNGSREIHE IN ZUSAMMENARBEIT VON CINEGRAPH BABELSBERG, BUNDESARCHIV/FILMARCHIV BERLIN UND DEUTSCHEM HISTORISCHEM MUSEUM BERLIN 

Die DEFA sicherte sich 1946 die Rechte an diesem Stoff und verfilmte ihn nach gravierenden Änderungen unter dem Titel »Chemie und Liebe«. Der Film entstand im Atelier Berlin-Johannisthal mit Außenaufnahmen vom dortigen Außengelände.

 

Arthur Maria Rabenalt (Regisseur)

Sein erster Film nach dem Kriege war eine Komödie, was sonst. Chemie und Liebe hieß das Werklein, mit dem Arthur Maria Rabenalt bei der DEFA sein » neues Denken« unter Beweis zu stellen gedachte. Vermutlich interessierten den Regisseur mehr die Beine der Hauptdarstellerin als die politische Aussage – aber die brauchte er, um einigermaßen vergessen zu lassen, daß er den Nazis ein paar flotte Propagandawerke inszeniert hatte. Achtung, Feind hört mit! (1940), ein Aufklärungsfilm über Rüstungsspionage, gehörte dazu ebenso wie … reitet für Deutschland (1941), in dem Willy Birgel hoch zu Roß als Führergestalt auf die von jüdischen Spekulanten durchsetzte Weimarer Republik herabschaute. Später wies Rabenalt in seinem Buch »Film im Zwielicht« allerdings politische Intentionen zurück: alle seine Kreationen, so schrieb er sinngemäß, ließen sich unter dem Begriff »Unterhaltungsfilm« subsumieren.

(Aus dem Nachruf auf A. M. Rabenalt, »Immerzu flott«. Der Tagesspiegel, Berlin, 23. 3. 1993)

zitiert nach: FiIm – Fund. Wiederentdeckt – Neu gesehen    Begleitmaterialien zu einer VERANSTALTUNGSREIHE IN ZUSAMMENARBEIT VON CINEGRAPH BABELSBERG, BUNDESARCHIV/FILMARCHIV BERLIN UND DEUTSCHEM HISTORISCHEM MUSEUM BERLIN 

> weitere Informationen zum Regisseur bei wikipedia

Während der Film für die Berliner Zeitung vom 06.03.1948 „eine übermütig quirlende Satire auf die Welt des Kapitalismus“ ist, meint Leo Menter in „Die Weltbühne“: „So geht es nicht, meine Herren.“

Da ist nun dieser Rabenalt-Film Chemie und Liebe, von dem in den DEFA-Ateliers so viel gesprochen wurde. Genügend Größen vom Bau sind daran beteiligt, selbst Bela Balazs, der gewiß etwas vom Film versteht, aber es scheint wirklich zu stimmen, daß zu viele Götter niemals gut sind. Althergebrachtes auf neu überbacken, neue Ausdrucksmittel neben alter Routine, flottes Spiel von guter und gut geführter Besetzung, das alles ist da, aber nichts will aufgehen, trotz appetitlicher Verpackung. Die kleine Dosis Selbstironie reicht nicht aus, um das, was man nicht dick auftragen will, ins Reich eines beflügelten Filmspiels zu bringen; denn man will ja doch in der Wirklichkeit bleiben. Und die ist schlecht gezeichnet. >weiter

zitiert nach: FiIm – Fund. Wiederentdeckt – Neu gesehen    Begleitmaterialien zu einer VERANSTALTUNGSREIHE IN ZUSAMMENARBEIT VON CINEGRAPH BABELSBERG, BUNDESARCHIV/FILMARCHIV BERLIN UND DEUTSCHEM HISTORISCHEM MUSEUM BERLIN 

Die Kritik bewegt sich zwischen „… eine plumpe Kapitalismus-Groteske um das Buttermachen aus Gras…“ ( Helmut Pflügl und Raimund Fritz: Der Geteilte Himmel – Höhepunkte des DEFA-Kinos 1946-1992, Filmarchiv Austria 2001, S. 93) und „Ein flottes antikapitalistisches Boulevardstück im Stil der Screwball Comedy.“ (Film.at)

Letztlich gilt wohl: Eine schräge Groteske, ein Unikat im DEFA-OEuvre. Und: „Der Filmspaß hat in der Nachkriegszeit im hungernden Deutschland des Jahres 1948 einen ernsten Hintergrund.“ So die LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in ihrer Mitteilung vom 04.02.16  zu einem Filmabend „Chemie, Liebe und der Gigant“ im LWL-Industriemuseum Henrichshütte

Spielerisch zeigt die Komödie den Surrealismus im Werk des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder und des französischen Dramatikers Jean Anouilh. Dabei bedient sich der Film der kritischen Ironie. Der Sprecher, ein advocatus diabolus, ironisiert die Handlung. Er greift in die Vorgänge ein, sollten sie in unerwünschte Bahnen geraten. Er tritt auch in vielfältiger Gestalt und Verkleidung im Spiel selbst in Erscheinung. Aber er hält nicht oberlehrerhaft den Zeigefinger in die Höhe, sondern betrachtet lediglich das Geschehen und überlässt die Meinungsbildung dem Publikum.

„Chemie und Liebe“ ist eine gesellschaftskritische Komödie. Sie zeigt satirisch die Schwächen und Fehler des kapitalistischen Systems, seine Auswüchse und Entartungserscheinungen. Der Fim von Regisseur Arthur Maria Rabenalt galt seinerzeit als utopisches Märchen. Sie prangert den Kapitalismus der westlichen Länder an und kritisiert die Profitgier der unterschiedlichen Regime. Die Groteske spielt im Fantasieland Kapitalia und dreht sich um eine spektakuläre Erfindung des Chemikers Dr. Alland. Er kommt auf die Idee, aus Gras Butter zu machen. Ein Konzernchef will um jeden Preis die Erfindung an sich reißen. Daher setzt er drei Frauen auf den Laboranten an, um ihm die Schöpfung abzuluchsen. Die Liebschaften stehen dabei im Zentrum der Satire. Am Ende verlässt der Erfinder mit seiner Geliebten den Staat. Aus einer kommunistisch gefärbten Perspektive werden im antikapitalistischen Film die politische Situation und ihre Machenschaften in ironischer Weise aufgearbeitet.

Barbara Mayr/Filmreporter.de

Ein flottes antikapitalistisches Boulevardstück im Stil der Screwball Comedy

Hauptfigur ist der Chemiker Dr. Alland, der auf die Idee gekommen ist, aus Gras und Moos Butter zu gewinnen. Nun setzt ein Konkurrenzkampf der Interessenten ein. Nacheinander wird Dr. Alland von drei Frauen becirct: Die reiche und schöne Tochter eines Unternehmers sucht ihn für den väterlichen Konzern zu fangen; ihre Rivalinnen sind eine junge Balletttänzerin, die vom Gegenkonzern engagiert wurde, und seine Assistentin, die in ihn verliebt ist. Schließlich begreift Alland die wahren Zusammenhänge und verlässt mit seiner Assistentin das Land Kapitalia … – Eine schräge Groteske, ein Unikat im DEFA-OEuvre.

Chemie und Liebe | film.at [abgerufen: 08.06.2023]

Was wollten die Menschen sehen im schlimmen Jahr 1948? Menschliche Tragödien in den Ruinen, die jedermann täglich vor Augen hatte? Oder Romanzen, abgehoben von der Zeit? Oder eher im luftleeren Raum – Kabarett? Käutner verfilmte „Der Apfel ist ab“ und dröselte mit viel Ironie die Menschheitsgeschichte auf. Und hier? Man will ein Märchen erzählen, so sagt es der Sprecher Alfred Braun. Chemie und Liebe – was könnte sie verbinden? „Chemie ist die Lehre von den Umwandlungen des Stoffes, Liebe ist die Lehre von der Wandlung der Herzen“. > weiter

Falk Schwarz: Kennst Du das Land…? – filmportal.de 01.01.2015

Alles in Butter

(…) CHEMIE UND LIEBE wird bisweilen als der erste Science-Fiction-Film der DEFA oder gar als erster ostdeutscher Sci-Fi-Film bezeichnet. Aus einer sehr technischen Sicht ist das nicht vollkommen falsch, aber so richtig überzeugend ist diese Behauptung nicht. Im Gegensatz zu den Trümmerfilmen der späten 1940er Jahre spielt er nicht im zeitgenössischen Nachkriegsdeutschland, sondern in einem imaginären, unbenannten Land – allerdings ganz ohne futuristische Mätzchen. Die Erfindung selbst, das Verwandeln von Gras in Butter, dient tatsächlich nur dazu, um die Ereignisse anzustoßen: ab und zu redet ein Chemiker über Prozesse, die für Laien schwer verständlich sind und beugt sich über ein Reagenzglas. Der Durchbruch der Erfindung wird „gezeigt“, in dem einige Männer und Frauen in weißen Kitteln sich in einem Labor ein paar Brotscheiben mit Butter bestreichen und diese essen. Kurz: Sci-Fi-Schauwerte gibt es in CHEMIE UND LIEBE eigentlich nicht.

Nein, CHEMIE UND LIEBE ist eher eine Industriespionage-Komödie und teilweise eine Screwball-Komödie – und möglicherweise tatsächlich der erste Film dieses Genres, den die DEFA herausgebracht hat. Doch auch das ist nicht ganz so einfach. > mehr


Aus: Who knows presents: Film und Kontexte. 20.06.2017 https://whoknowspresents.blogspot.com/2017/06/

 

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