Westfront 1918 (1930)
Inhalt
Verfilmung von Ernst Johanssens Weltkriegsromans „Vier von der Infanterie“. Die episodische Handlung schildert den Frontalltag mehrerer Soldaten einer Kompanie, von denen lediglich die Hauptperson (Karl) mit Namen genannt wird. Ein anderer, der junge Student, beginnt eine Romanze mit der Französin Yvette und nimmt einen gefährlichen Botengang durch das Kampfgebiet auf sich, um sie zu treffen. Während Karl auf Heimaturlaub ist, kommt der Student bei einem Gefecht ums Leben. Daheim herrschen Not und Defätismus. Karl ertappt seine Frau bei einem Seitensprung mit einem jungen Mann, der sie mit Lebensmitteln versorgt. An die Front zurückgekehrt, wird er bei einem Großangriff der Franzosen tödlich verwundet. Der Leutnant, der als einziger den Kampf überlebt, verfällt dem Wahnsinn.
Film in der Weimarer Republik 1919 bis 1933
Produktionsland | Deutschland |
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Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1930 |
Länge | 97 Minuten |
Stab | |
Regie | G.W. Pabst |
Drehbuch | Ladislaus Vajda Peter Martin Lampel |
Produktion | Seymour Nebenzal |
Musik | Alexander László |
Kamera | Fritz Arno Wagner Charles Métain |
Schnitt | Wolfgang Loë-Bagier |
DarstellerInnen | |
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Mit Beschluss Nr. B.25961 vom 21. Mai 1930 hatte die Prüfstelle den Film in einer Länge von 98 Min / 2672 Metern zur Uraufführung vor Erwachsenen zugelassen. Diese Zulassung wurde nach Machtübernahme der Nationalsozialisten im April 1933 auf Antrag des Thüringischen Innenministeriums widerrufen, da der Film „lebenswichtige Interessen des Staates“ gefährde.
Auszüge aus der Begründung des Verbots des Films durch die Berliner Filmprüfstelle vom 27. April 1933 (Prüf-Entscheidung Nr. 6490):
Es wurde folgende Entscheidung verkündet:
I. Auf Antrag des Thüringischen Ministeriums des Innern […] wird die durch die Entscheidung der Filmprüfstelle Berlin vom 21. Mai 1930 – Nr. 25 961 – ausgesprochene Zulassung des Bildstreifens widerrufen.
II. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Tatbestand.
I. Der Bildstreifen schildert das Fronterlebnis auf deutscher Seite. Er beginnt mit Bildern aus einem Quartier deutscher Soldaten in Frankreich. Die Kompagnie marschiert dann in den Schützengraben ab, Grabenkämpfe folgen. Ein Meldegänger (kriegsfreiwilliger Student) wird aus schwerstem Gefecht nach hinten zum Regimentsstab geschickt, bei dem er heimlich gutes Essen erhält. Man sieht, wie massenweise Grabkreuze hinter der Front hergestellt werden. Der Meldegänger geht nicht sofort zur Front zurück, sondern verbringt erst einige Stunden bei einem französischen Mädchen. Es folgen Bilder aus der Heimat. Vor einem Fleischwarengeschäft steht eine Menge von Leuten an und führt unzufriedene Gespräche. Ein Urlauber kommt nach Hause und findet seine Frau mit einem jungen Bengel im Bett. Die Frau und die Mutter des Soldaten suchen dem Urlauber das verständlich zu machen, indem sie ihn darauf hinweisen, wie lange er nicht auf Urlaub gewesen sei – „Warum macht Ihr denn da draussen nicht Frieden?“ (Akt V, Titel 82). Es folgen dann wieder Scenen von Grabenkämpfen. Der Student gerät in einen Nahkampf mit einem Neger, in dem er unterliegt. Man hört lange die Schreie der Schwerverwundeten im deutschen Graben. Es folgt ein Bild, in dem man sieht, wie gerade noch die Hand des Verschütteten aus einem Trichter herausragt. Bei einem mit Uebermacht (Tanks) durchgeführten, erfolgreichen feindlichen Angriff auf den deutschen Graben werden die sich tapfer wehrenden Deutschen entweder getötet oder schwer verwundet. Der Kompagnieführer wird wahnsinnig und stösst markerschütternde Schreie aus. Es folgen Lazarettscenen, in denen die Schwerverletzten ebenfalls auf das fürchterlichste schreien. Gegen Ende des Films wird zu dem Krieg erklärt: „Alle sind wir schuld“ (Akt VIII, Titel 15).
II. Das Thüringische Ministerium des Innern hat […] den Widerruf der Zulassung des Bildstreifens aus dem gesetzlichen Verbotsgrund der Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Staates beantragt. Auf die dem Antrag gegebene schriftliche Begründung wird Bezug genommen.
III. Die Oberprüfstelle hat Beweis erhoben darüber, ob der Bildstreifen unter den gegenwärtigen Zeitumständen aus inner- oder wehrpolitischen Gründen geeignet ist, den Verbotstatbestand der Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Staates zu erfüllen. Die Sachverständigen des Reichsministeriums des Innern und des Reichswehrministeriums haben die Beweisfrage bejaht. Der Sachverständige des Reichsministeriums des Inneren hat sich, wie folgt, geäussert:
Es soll nicht verkannt werden, dass der Bildstreifen einzelne sehr gut gelungene Kampfscenen und den deutschen Soldaten tapfer und kameradschaftlich zeige. Aber das Gesamtbild, das der Film vom Krieg gebe, sei durchaus einseitig. Gewiss hätten sich Dinge, wie sie im Bildstreifen gezeigt würden, im Felde und in der Heimat abgespielt. Aber der Bildstreifen enthalte im wesentlichen nur das, was sich im Kriege an Unerfreulichem und Furchtbarem ereignet habe. Das Liebesgetändel der deutschen Soldaten, das soweit gehe, dass der Student, wenn auch sonst als tapfer dargestellt, seine Pflicht verletze, indem er nicht sofort in den Graben zurückkehre, der Ehebruch der Frau des Frontsoldaten, die breite Ausmalung der Scenen, in denen man das nervenerschütternde Brüllen und Schreien der Verwundeten höre, seien Darstellungen, die dem Wesen des grossen Krieges in keiner Weise gerecht würden. Der Film hinterlasse einen niederziehenden Eindruck in dem Beschauer. Der Krieg sei in dem Bildstreifen lediglich ein „Unglück“, an dem, wie es wörtlich heisse, „wir alle schuld gewesen“ seien. Mit keinem Wort sei in dem Bildstreifen davon die Rede, dass dieser Krieg zur Verteidigung der Heimat gegen eine Welt von Feinden geführt wurde und geführt werden musste. Dass im Kampf gegen den Feind, im Tod der Gefallenen vor allem ein hohes vaterländisches Opfer liege, sei in dem Film in keiner Weise gewürdigt. Diese Darstellung des Krieges werde der Erinnerung des deutschen Volkes an die Heldentaten und die Opfer seiner Kämpfer im grossen Kriege nicht mehr gerecht. Die gebrachten Opfer würden als mehr oder weniger unnütz dargestellt. Eine solche Darstellung sei geeignet, den Willen des deutschen Volkes zur Verteidigung seiner Heimat und die wehrhafte Gesinnung des Volkes, insbesondere der deutschen Jugend zu untergraben. Der Bildstreifen gefährde damit lebenswichtige Interessen des Staates.
Der Sachverständige des Reichswehrministeriums hat sich diesem Gutachten angeschlossen und seinerseits noch folgendes ausgeführt: Der Bildstreifen vermeide es peinlich, die heroische Seite des Krieges zu zeigen, er zerstöre den Wehrwillen und werden dem Opfergeist der Heimat nicht gerecht. Er wirke defaitistisch und untergrabe den Verteidigungswillen des Volkes.
Entscheidungsgründe.
I. In ihrer die Zulassung des Bildstreifens „Hölzerne Kreuze“ [1] widerrufenden Entscheidung vom 2. März 1933 – Nr. 6324 – hat die Oberprüfstelle festgestellt, dass die Ertüchtigung der Jugend und die Erhaltung des Verteidigungswillens des Volkes zu den durch den gesetzlichen Verbotsgrund der Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Staates geschützten Gütern gehören und dass eine übertrieben realistische einseitige, tendenziöse Darstellung des Krieges geeignet ist, den Verteidigungswillen des Volkes zu untergraben, der Ertüchtigung der Jugend und der Wehrhaftmachung des Volkes entgegenzuwirken und das nationale Empfinden weitester Volkskreise zu verletzen.
II. Diese Voraussetzungen sind bei dem vorliegenden Bildstreifen in vollem Masse erfüllt.
Wie die vernommenen Sachverständigen, denen sich die Oberprüfstelle angeschlossen hat, übereinstimmend bekundet hat [i.O.], ist die Darstellung, die der Krieg in dem Bildstreifen gefunden hat, durchaus einseitig und wird in keiner Weise der Erinnerung des deutschen Volkes an die Heldentaten und die Opfer seiner Kämpfer gerecht. Indem der Bildstreifen die gebrachten Opfer als unnütz und den Krieg übertrieben realistisch darstellt, untergräbt er den Verteidigungswillen des Volkes und wirkt den Zielen der nationalen Regierung auf Ertüchtigung der Jugend und Wehrhaftmachung des Volkes entgegen. Der Bildstreifen gefährdet damit lebenswichtige Interessen des Staates […].
Der vollständige Wortlaut des Beschlusses kann auf der Materialseite des Films auf Filmportal oder beim Deutschen Filminstitut abgerufen werden.
[1] „Hölzerne Kreuze“ („Croix de bois“, Regie: Raymond Bernard) ist ein französisches Weltkriegsdrama aus dem Jahr 1932.
Da Westfront 1918 als deutsches Gegenstück zur US-amerikanischen Erich-Maria-Remarque-Verfilmung Im Westen nichts Neues gesehen werden kann, bietet sich die vergleichende Untersuchung beider Filme an. Die hier vorgestellte 10stündige Unterrichtseinheit folgt diesem Ansatz und zieht außerdem noch den U-Boot-Film der Ufa Morgenrot hinzu, um den Schülern die weltanschaulichen Gegensätze zwischen den pazifistischen Filmen Westfront 1918 und Im Westen nichts Neues und dem national-patriotischen Morgenrot deutlich zu machen. Der Film Morgenrot kann, muss hierbei aber nicht notwendigerweise in voller Länge gezeigt werden.
1. Stunde:
Vorbereitung der Filmsichtungen unter Verwendung der Handlungszusammenfassungen von Westfront 1918 und Im Westen nichts Neues, die ggf. um Erläuterung zum Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg zu ergänzen wäre.
2.-3. Stunde:
Sichtung des Films Westfront 1918, Festhalten von Ersteindrücken und Meinungsaustausch
4.-6. Stunde:
Sichtung des Films Im Westen nichts Neues, Festhalten von Ersteindrücken und Meinungsaustausch
7. Stunde:
Darstellung von Grabenkampf und Stellungskrieg: Vergleich von Gefechtsszenen in Westfront 1918 (Sequenz 23) und Im Westen nichts Neues (Sequenz 21)
• Welche filmischen Mittel werden eingesetzt, um das Kampfgeschehen darzustellen?
• Lewis Milestone, Regisseur von Im Westen nichts Neues, arbeitet mit Kamerafahrten, Gegenschnitten und Point-of-View-Perspektiven, die den Zuschauer in das Geschehen hineinziehen. Bei Pabst ist die Kamera meist statisch, die Einstellungen sind wesentlich länger. Welcher Eindruck wird hierdurch erzielt? Welche unterschiedlichen gestalterischen Konzepte lassen sich hieran festmachen?
8.-9. Stunde:
Vergleich der Darstellung des Heimaturlaubs in Westfront 1918 (Sequenzen 14-16, 18) und Im Westen nichts Neues (Sequenzen 42-45).
• Beide Protagonisten machen während des Heimaturlaubs schmerzliche Erfahrungen. Welche Gemeinsamkeiten gibt es, wo liegen die Unterschiede?
• Welche Figuren werden in den Heimat-Sequenzen eingeführt, und wie wird die Stimmung in der Heimat beschrieben?
• Welches familiäre Umfeld erwartet die Protagonisten? Wodurch werden die zwischenmenschlichen Beziehungen im Einzelnen belastet? Was sind die Gründe für die Entfremdung zwischen den Soldaten und der Zivilgesellschaft?
10. Stunde:
Einführung in den Film Morgenrot anhand der Handlungszusammenfassung und retrospektiver Kritiken. Sichtung der Sequenzen 14, 16 und 19 aus Morgenrot als Ergänzung zur Darstellung der Heimat in Westfront 1918 und Im Westen nichts Neues. Im Mittelpunkt der Sequenzen 14 und 16 stehen weibliche Familienangehörige der U-Boot-Besatzung.
• Wie gehen sie mit der Trennung von Ihren Söhnen und Männern um? Inwieweit ist ihre Haltung der Kriegführung dienlich?
• Wie wird die Stimmung in der Heimat geschildert? Welche Akzentverschiebungen gibt es im Vergleich mit den pazifistischen Filmen?
- In Sequenz 19 hält der Held des Films, Kapitänleutnant Liers, eine kurze Ansprache, deren Wortlaut hier nachgelesen werden kann.
• Liers reagiert damit auf die gedämpfte Stimmung der Bürger, die sich am Bahnhof zu seiner Verabschiedung versammelt haben. Welcher psychologischer Zweck wird mit der Rede verfolgt?
• Gibt es ähnliche Durchhalteappelle auch in den pazifistischen Filmen?
Darüber hinaus kann Westfront 1918 im Rahmen unseres Unterrichtsvorschlags Erzwungene Trennung: Ehe und Liebe im Ersten Weltkrieg eingesetzt werden.