Kennwort: Reiher 1964)

Inhalt

Im Jahre 1944 wird die Maschine des amerikanischen Fliegerleutnants Philip Sturgess über Belgien abgeschossen. Die Widerstandsorganisation „Flusslinie“ nimmt sich des mit dem Fallschirm abgesprungenen jungen Mannes an. Mit ihm zusammen soll auch der englische Major Barton über die spanische Grenze in Sicherheit gebracht werden. Nach seinen Angaben ist Barton kurz zuvor aus einem deutschen Gefangenenlager geflüchtet. Er gewinnt schnell die Sympathie des Amerikaners. Mit Captain Frewers stößt noch ein Landsmann von Sturgess zu ihnen. Helfer der Organisation bringen die kleine Gruppe von Station zu Station.

Auch in kritischen Situationen bewahrt Barton dabei erstaunliche Ruhe und Geistesgegenwart. Beim letzten Aufenthalt auf französischem Boden werden der Major und die beiden Amerikaner im Hause eines Schriftstellers versteckt. Ihre Anweisungen bekommen sie von Marie, seiner jungen Tochter. Sie ist von Barton tief beeindruckt. Als der Grenzübertritt kurz bevorsteht, entdeckt Sturgess, dass Barton heimlich einen Brief nach Deutschland geschrieben hat. Das scheint Verdachtsmomente gegen ihn zu bestätigen. Von Sturgess alarmiert, glaubt Marie, Barton sei ein deutscher Agent, der jetzt genug weiß, um die Widerstandsorganisation auffliegen zu lassen. Sie sieht nur einen Ausweg: Barton muss sterben.

Peter van Eyck und Marie Versini spielen die Hauptrollen in Rudolf Jugerts spannender Verfilmung eines Bestsellers von Charles Morgan. (ARD-Programmankündigung vom 20.09.2012)

Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre

Originaltitel Kennwort: Reiher
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1964
Länge 97 Minuten
Stab
Regie Rudolf Jugert
Drehbuch Herbert Reinecker
Produktion Franz Seitz junior
Musik Rolf Alexander Wilhelm
Kamera Wolf Wirth, Hans Jura
Schnitt Heidi Genée
DarstellerInnen
  • Peter van Eyck: Major Barton, genannt „Der Reiher“
  • Marie Versini: Marie, Widerstandskämpferin
  • Fritz Wepper: Philip Sturgess, Flieger
  • Walter Rilla: Maries Vater Pierre
  • Chaz Hickman: Frewers
  • Geoffrey Toone: Julian
  • Max Haufler: Lagerverwalter Dubois
  • Werner Lieven: Pfarrer
  • Hubert Suschka: Widerstandskämpfer
  • Elfriede Kuzmany: Madame Claire

Für den Filmdienst ist dieser Film: „Ein beachtlicher Versuch, die Verkehrung der Ordnung durch den Krieg in ihren verschiedenen Ausprägungen darzustellen. Obgleich nicht frei von Mängeln, verdient auch die formale Seite Anerkennung.“

(…) Der Film nach Charles Morgans Roman The River Line bleibt unterkühlt, interessiert sich nicht für Action und auch nur relativ wenig für die Spannung, die dem Geschehen innewohnt; wichtiger scheint, was der Krieg mit den Menschen gemacht hat und noch immer macht. Auch auf die Dramatik am Ende folgt ein lapidarer Filmschluss. Entsprechend sachlich-verhalten fotografiert sind die Bilder der winterlichen Landschaften und der Verstecke: Helmuth de Haas lobte in der Welt vom 16.7.1964 die „höchst raffinierte Kamera, die insbesondere den Graustich des frühen Wintermorgens kultiviert, Schneeluft und Schleuse, die feindliche Härte der Wälder, die Trostlosigkeit einer Ziegelfabrik im Krieg, die anonymen deutschen Soldaten. Wolf Wirth und Hans Jura haben auf Mätzchen und Eskapaden verzichtet. Sie blieben storygetreu. Ihre Bilder suggerieren Gefahr, durch die Kälte der belgischen Landschaft, die Enge französischer Räume, Söller und Keller.“ Bei Rudolf Jugerts letzter Kinoregie zeichnete Wolf Wirth zusammen mit Hans Jura, der schon im Jahr zuvor für seine Arbeit an Will Trempers Die endlose Nacht den Deutschen Filmpreis erhalten hatte, für die Fotografie verantwortlich. Für Kennwort: Reiher wurden 1964 beide ausgezeichnet, und die Produktion auch als bester abendfüllender Spielfilm – trotz der Konkurrenz durch Wolfgang Staudtes Herrenpartie. (gym)

aus: Programmankündigung des Zeughauskinos im Deutschen Historischen Museum (13.11.2018)

Notizen zu einigen Filmen

1963 drehte Jugert seinen letzten Spielfilm für das Kino. KENNWORT: REIHER, in Schwarz-Weiß gefilmt, zeigt den Regisseur noch einmal von seiner besten Seite. Es ist ein verhalten wirkender Film, ruhig im Erzählfluß, ohne Höhepunkte wird die Flucht von englischen und amerikanischen Soldaten durch das von den Deutschen besetzte Frankreich im Zweiten Weltkrieg gezeigt. KENNWORT: REIHER ist alles andere als ein Soldaten- oder Kriegsfilm, vielmehr erzählt er von der Befindlichkeit und dem Verhalten einiger Menschen in einer Extremsituation. Der Film wirkt wie ein Innehalten mitten im Geschäft des Tötens, wie eine lautlose Wanderung von Fremden durch ein Niemandsland.

Es ist Winter, Schnee liegt, Nebelschwaden verhängen den Blick, trostlos grau schaut die Landschaft aus, Totalen gibt es kaum: Die Flüchtlinge sehen nicht viel von der französischen Landschaft auf ihrer „Reise“. Die Kamera verfolgt das Geschehen als Beobachter, sie gleitet auf Schienen neben, vor oder hinter der Gruppe, sie schwenkt von Gesicht zu Gesicht, registriert Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Mißtrauen, aber auch Zutrauen, Ruhe, Freundschaft und Verständnis. Sie zoomt auf ruhige und nervöse Augen, versucht hinter der äußeren Maske eine innere Befindlichkeit auszumachen. Zu diesen Bildern gibt es keine Worte, die Kamera erzählt ganz allein, unterstützt von Licht und Schatten und dem verhaltenen Spiel der Darsteller. Das ist selten im deutschen Film Anfang der sechziger Jahre. KENNWORT: REIHER ist ein Film, der ohne Panzer und Panzerfäuste, ohne Schlachtenlärm und Heldentod über den Krieg spricht. Jugert findet ein Bild: Als ein kleiner französischer Junge den Flüchtlingen eine Botschaft überbringt, salutiert er und sagt: „Vive la France!“ Der Reiher (Peter van Eyck) schaut ihn stumm an, nickt und sagt leise: „Vive la France.“ Die Soldaten gehen weiter, der Ton wird stumm, und in einer schnellen Rückwärtsfahrt entfernt sich die Kamera von dem Jungen, der, noch immer salutierend, verlassen und verloren zurückbleibt. Im Krieg gibt es keine Kindheit.

Marie Versini, die auf der letzten Fluchtstation eine engagierte, selbstbewußte Frau spielt, ist hier eine ernstzunehmende Schauspielerin, Sie trägt nur schwarze Kleidung, und einmal ist sie in einer Nahaufnahme zu sehen, wunderbar ausgeleuchtet, sehr nachdenklich, sehr schön. Der Hintergrund ist schwarz, ihre Haare und großen Augen sind es auch, sie schaut van Eyck an, eine Liebe scheint zu beginnen. Aber sie wird den Reiher töten lassen – so erfordern es die Regeln der französischen Résistance, der sie angehört.

KENNWORT: REIHER ist ein gelungenes Abschiedsgeschenk Rudolf Jugerts an das Kino und ein Beispiel dafür, daß der Regisseur mehr konnte, als er in manchen Filmen gezeigt hat. Weil er es nicht hat zeigen können: auf Geheiß der Produzenten, der Verleiher und aus Rücksichtnahme auf den Geschmack des Publikums. Er ist ein Fallbeispiel des deutschen Nachkriegsfilms. Seine Spuren verlaufen sich, mehr noch als die von Wolfgang Staudte oder Helmut Käutner, ab Mitte der sechziger Jahre beim Fernsehen. Diese Terra incognita wäre noch zu entdecken.


Aus: Rolf Aurich/Heiner Behring: „Ein einstmals wohlrenommierter Regisseur“. Der Hannoveraner Rudolf Jugert und der deutsche Nachkriegsfilm. In. Lichspielträume. Kino in Hannover 1896 – 1991, a.a.O., S. 109

Das könnte dich auch interessieren …