Die Wahrheit über Rosemarie (1959)
Inhalt
Nach einer Kindheit in Heimen und bei Pflegefamilien gelingt es der jungen Rosemarie Nitribitt, sich in Frankfurt am Main Schritt für Schritt als gehobene Prostituierte für betuchte Freier zu etablieren. Dadurch verschafft sie sich Zugang zu wichtigen Persönlichkeiten in Wirtschaft und Politik. Ihre Karriere findet ein plötzliches Ende, als sie im Alter von nur 24 Jahren am 1. November 1957 ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden wird.
Zweiter Versuch einer filmischen Aufarbeitung der nicht aufgeklärten Ermordung der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt.
Quelle: mediabiz.de
Film in der BRD der 50er und frühen 60er Jahre
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Originaltitel | Die Wahrheit über Rosemarie |
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Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1959 |
Länge | 95 Minuten |
Uraufführung | 23.10.1959 |
Stab | |
Regie | Rudolf Jugert |
Drehbuch | J. Joachim Bartsch |
Produktion | Rapid-Film, München (Wolf C. Hartwig, Dieter Fritko) |
Musik | Willy Mattes |
Kamera | Georg Krause |
Schnitt | Herbert Taschner |
DarstellerInnen | |
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In DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE (1959) greift er [R. Jugert] die authentische Geschichte der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt auf. Der Erzählstil führt hektisch, fast atemlos durch die Stationen des Niedergangs einer jungen Frau.
Der Film zeigt kaum Gefühlsregungen der Menschen untereinander, alles ist Geschäft, auch die Liebe. Das Schicksal von Rosemarie (Belinda Lee), die Wahrheit über sie, ist auch eine Geschichte über eine Welt und Gesellschaft, in der nur noch das Materielle zählt. Wenn man so will. ist dies ein Film über die menschlichen Deformationen der bundesrepublikanischen Wohlstandsgesellschaft.
Der Film beginnt mit einem gellenden Schrei. Dann findet die Polizei eine Tote in ihrer Wohnung. Das alte Muster: In einer Rückblende wird aus dem Leben von Rosemarie berichtet. Im Kolportagestil erzählt Jugert das, mit vielen reißerischen Effekten, verzerrten und vervielfachten Groß- und Detailaufnahmen, Mehrfachüberblendungen, schnellen, oft wackligen Zooms, scheppernder Blechmusik, schnarrendem Schlagzeug. Zum Ende des Films hin verkantet das Bild immer mehr. Bis hin zu extremen Schrägen: Die Welt ist aus dem Gleichgewicht. Der Film wirkt wie die Fortsetzungsstory in einer Boulevard-Zeitung, wie ein verfilmter Fotoroman, hektisch und ruhelos, wie das Leben der Nitribitt.
Frankfurt, die Stadt des Geldes, wird wie ein undurchdringlicher dunkler Moloch gezeigt. Eine Montage (zumeist in Form von Überblendungen) von Nachtaufnahmen, Männer- und Frauenbeinen, fahrenden Autos, Geldscheinen und sich entkleidenden Frauen beschreibt die dunkle, die „unsichtbare“ Seite einer Stadt, die bei Tageslicht – oft ist der Eschenheimer Turm zu sehen – wie ein Provinznest aussieht. Jugerts Filmbilder zeigen die Brüchigkeit der adretten Fassade des geordneten Bürgertums, die Rückseite des Wirtschaftswunders: Ein Defizit an Gefühlen.
Der Ton, insbesondere der Off-Text, gesprochen von einem Kriminalpsychologen, will freilich anderes verkünden: Moralisierend wird hier der Zeigefinger gehoben, das Leben der Rosemarie Nitribitt als abschreckendes Beispiel vorgeführt:
„Geht ja großartig. Denkt sie. Und weiß nicht. daß sie schon verloren ist. Weil sie nichts achtet. Weder die sittlichen Gesetze menschlicher Gemeinschaft. noch die Ehre und den Frieden der Familie. Immer nur watet sie im Schmutz untergeordneter Triebe, immer nur kommt sie mit Menschen zusammen, die gescheitert sind, haltlos oder verdorben. Immer verlassener wird sie und ausgestoßen von allem, was sauber, stark und hilflos ist. „
Der Off-Text steht gegen die Bilder, wirkt aufgesetzt und fremd in dem Film. Man wird den Eindruck nicht los. Jugert habe die vulgärpsychologischen Erklärungsversuche diktiert bekommen.
Aus: Rolf Aurich/Heiner Behring: „Ein einstmals wohlrenommierter Regisseur“. Der Hannoveraner Rudolf Jugert und der deutsche Nachkriegsfilm. In. Lichspielträume. Kino in Hannover 1896 – 1991, a.a.O., S. 106f