Der Erste Weltkrieg im Film der Weimarer Republik

Filmische Erinnerung und umkämpfte Deutung

Detlef Endeward (07/2025)

Der Erste Weltkrieg stellt nicht nur einen tiefgreifenden politischen Einschnitt dar, sondern gilt zugleich als Ursprungsmoment einer neuen medialen Kriegswahrnehmung. Der Krieg blieb für weite Teile der Bevölkerung zunächst visuell abstrakt – das Kino jedoch begann, diese Leerstelle zu füllen. Dabei entwickelte sich der Film von einem zunächst misstrauisch beäugten Medium zu einem zentralen Bestandteil kollektiver Erinnerung.

Während der Kriegsausbruch 1914 auf ein noch junges Kino traf, gewannen filmische Formen der Kriegsberichterstattung im Verlauf des Konflikts an Bedeutung. Vor allem der britische Dokumentarfilm The Battle of the Somme (1916) wird als frühes Beispiel einer gezielten visuellen Kriegsdarstellung genannt.

Doch erst in der Weimarer Republik, mit Beginn der Tonfilm-Ära Ende der 1920er Jahre, entstanden Werke, die inhaltlich wie technisch eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Krieg ermöglichten.  In dieser späten Phase der Weimarer Republik, einer Zeit gesellschaftlicher Spannungen und politischer Radikalisierung, begann sich das Kino zu einem Brennglas der kollektiven Erinnerung zu formen. Nach Ansicht des Filmtheoretikers Siegfried Kracauer, der in seinem Werk Von Caligari zu Hitler (1947) die Rolle des Films als Seismograf sozialer Befindlichkeiten beschrieb, entwickelte das Publikum zunehmend „Geschmack an Gesellschaftskritik“ – allerdings oft vermittelt über das, was Kracauer als „gefälschte Gefühle“ bezeichnete: emotionale Inszenierungen, die gesellschaftliche Konflikte ästhetisch überblendeten oder ideologisch aufluden.

Die Lernwerkstatt greift diesen Gedanken auf, indem sie zeigt, wie Filme zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg nicht nur historische Fakten aufgriffen, sondern zugleich zum Austragungsort von Deutungskämpfen wurden. Insbesondere in den frühen Tonfilmen der 1930er Jahre – etwa in Westfront 1918 (G.W. Pabst, 1930) oder Im Westen nichts Neues (Lewis Milestone, 1930) – manifestiert sich ein neues Bedürfnis nach Authentizität, das filmisch mit dokumentarischer Ästhetik und schonungsloser Darstellung realisiert wurde.

Kracauers These, dass der deutsche Film der Weimarer Zeit „unterbewusst“ gesellschaftliche Tendenzen artikuliere, trifft hier in besonderer Weise zu: Die Auseinandersetzung mit dem Krieg auf der Leinwand spiegelt nicht nur die Traumatisierung einer Generation wider, sondern auch den ideologischen Wettstreit um nationale Identität, Schuld und Opferrolle. Die Rezeption dieser Filme – teils gefeiert, teils gewaltsam attackiert – verweist auf die politischen Spannungen jener Jahre und verdeutlicht, wie Film als Speicher kultureller Erinnerung und Projektionsfläche ideologischer Wünsche fungierte.

Diese konkurrierenden Deutungen führten zu teils heftigen Reaktionen: Im Westen nichts Neues wurde nach Protesten nationalistischer Gruppen in Deutschland zensiert – ein deutliches Zeichen für die politische Brisanz filmischer Erinnerung. 

Insgesamt wurde der Erste Weltkrieg in der Weimarer Filmkultur zu einem Symbol – eines traumatischen Bruchs wie auch eines historischen Deutungsraums. Die Filme dieser Epoche spiegeln die Vielschichtigkeit der gesellschaftlichen Verarbeitung und geben Einblicke in die politische Atmosphäre der Zwischenkriegszeit.

Literatur:

  • Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, 1947 / Neuausgabe: Suhrkamp 2004
  • Bernd Kleinhans: Film und Medienpolitik in der Zwischenkriegszeit, BpB 2022
  • Bernd Kleinhans: Film und Erinnerungskultur im 20. Jahrhundert, BpB, 2023
  • LeMO – Lebendiges Museum Online: Film und Kino in der Weimarer Republik (2024)
  • CineGraph Babelsberg (Hg.): Kino und Geschichte – Der Erste Weltkrieg im Film,

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