Nachdenken uber Krieg und Frieden

Zur Arbeit mit einem Filmausschnitt im Religionsunterricht des Sekundarbereichs I (1)

Georg Wippler (1995)

Keine Frage, Schülerinnen und Schüler werden ausgiebig mit der Wirklichkeit des Krieges konfrontiert. Einmal mit den, „aktuellen“ Kriegen, zum anderen im Geschichtsunterricht mit den vergangenen Kriegen. Sie ,,wissen“, dass Krieg an sich schlecht ist, dass er vermieden werden muss; dennoch, eine innere Betroffenheit stellt sich dadurch offensichtlich nicht immer ein. Wie sollte es auch: Der Krieg der Gegenwart im Fernsehen erscheint zum Teil als technisches Videospiel (Golfkrieg), zum Teil als räumlich-fernes gesichtsloses Morden; die Kriege der Vergangenheit erregen vielleicht Staunen wegen der großen Anzahl ihrer Toten – die sich Schüler in der Regel ohnehin nicht vorzustellen vermögen – aber schon wegen ihrer zeitlichen Distanz fällt Anteilnahme schwer. Betroffenheit und Anteilnahme scheinen aber Wichtige Voraussetzungen dafür zu sein, um den Krieg innerlich abzulehnen, die Bereitschaft zum Erhalt des Friedens aufzubauen.

Um Betroffenheit zu erwecken, scheint mir der Film IM WESTEN NICHTS NEUES bzw. konkret der Filmausschnitt, in dem Paul Bäumer den französischen Soldaten Duval tötet (,,Trichtersequenz“), besonders geeignet zu sein. Er zeigt das Getötetwerden bzw. Sterben eines einzelnen Menschen, und dennoch bekommt dieses sinnlose Sterben des Franzosen Duval einen Namen, wird beispielhaft für das Sterben Ungezählter, bewirkt beim ,,Täter“ Nachdenken und Verwandlung. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der ,,Schuld“ dieses Täters, nach der Verwerflichkeit seiner Tat und nach den Möglichkeiten

der Vergebung. Damit weitet sich die Frage aus, wird zum Nachdenken über die Bedingungen, die Menschen zu Tötungsmaschinen pervertieren, zum Nachdenken über den Krieg.

Der Film – und damit dieser Ausschnitt –  ist in Schwarzweiß gedreht. Durch das gespenstische Helldunkel wird der Betrachter geradezu zu einem inneren Mitvollzug gezwungen. Dazu kommt, dass der sprachliche Anteil äußerst gering ist, ein genaues Hinsehen also unbedingt erforderlich macht. Die Kamera versucht, die unterschiedlichen Gefühlslagen des Paul Bäumer abzubilden. Einiges bleibt unklar, z. B. die verschiedenen Motivationsebenen, die Paul Bäumer veranlassen, dem Sterbenden beizustehen. Insgesamt wird aber die Ausweglosigkeit der Situation eindrucksvoll dargestellt, die innere Wandlung glaubhaft.

Im Religionsunterricht kann dieses Nachdenken eingebettet werden in die Beschäftigung mit den Problemfeldern: Sich für das Leben engagieren, Das 5. Gebot, Schuld/Umkehr/ Vergebung, Mitwirken am Reich Gottes, Frieden schaffen, Neu anfangen dürfen.

Vorschläge zur Arbeit

Vorbemerkung: Ein Filmausschnitt ersetzt niemals den ganzen Film. Wenn es also möglich ist, den gesamten Film zu sehen, so sollte dies geschehen. Daraus würden sich andere Arbeitsmöglichkeiten ergeben, als die hier genannten. Besteht aber – z. B. aus Zeitgründen – nur die Möglichkeit, mit dem Filmausschnitt zu arbeiten, könnte aus den folgenden Vorschlägen – entsprechend der Zusammensetzung der Lerngruppe, der zur Verfügung stehenden Zeit, der Ziele der Rahmenrichtlinien – ausgewählt werden:

  • Wenn die innere Auseinandersetzung Paul Bäumers mit dem Geschehen Gegenstand des Unterrichtsgesprächs ist, dann könnten die Schüler aufgefordert werden, nachdem Gespräch über die ,,Schuld“ einen fiktiven Tagebucheintrag Paul Bäumers, einen Brief an die Mutter, einen Brief an die Frau des Getöteten zu entwerfen.
  • Die Schülerinnen und Schüler erhalten kopierte Filmfotografien, in denen sie die möglichen Gedanken, Gefühle des Paul Bäumer während der Stunden im Bombentrichter eintragen können. .
  • Wird sich Paul Bäumer nach dem Erlebnis verändern? Eine Fortsetzung könnte erfunden werden: Paul Bäumer soll einen Orden wegen Tapferkeit vor dem Feind bekommen. Lehnt er ab? Nimmt er an? Mit welcher Begründung? .
  • Paul Bäumer findet alte Feldpostkarten, ihm fallen kriegsverherrlichende Zitate ein, er erinnert sich an die Zeit vor dem Ereignis (siehe Filmsequenz 2). Wie reagiert er darauf? Verurteilt er, entschuldigt er, verteidigt er? Mit welcher Begründung? .
  • Eine Einbeziehung der Zuschauersicht könnte zu weiteren Einsichten verhelfen: z. B. könnten die Schülerinnen und Schüler in einer fiktiven Gerichtsverhandlung vor dem Kriegsgericht Paul Bäumer anklagen/ verteidigen/verurteilen/freisprechen, Gerard Duval getötet zu haben.
  • Gibt es gegenüber der ,,realistischen Kriegswirklichkeit“ überhaupt eine biblische ,,realistische Friedenshoffnung“? Biblische Texte werden gelesen. Jes 2,1 -5; Micha 4,1 – 5; Mt 5,38 – 48; Joh 14, 27ff u. a.
    Beim Gespräch über die biblischen Texte könnten die Erfahrungen mit einbezogen werden, die Paul Bäumer gemacht hat. Weitere Arbeitsmaterialien, die die menschliche Friedenshoffnung charakterisieren – Texte, Bilder, Plakate sollten zusätzlich zur Diskussion gestellt werden.

1) Dieser Text aus dem Heft „Im Westen nichts Neues“ (S. 82/83) ist vor fast 30 Jahren geschrieben worden. Wir halten ihn aber angesichts der aktuellen Auseinandersetzung um Krieg und – leider weniger – Frieden nach wie vor für bedeutsam, vermittelt er doch Anregungen, den Film gerade für diese ethische Fragestellung zu nutzen – nicht „nur“ im Religionsunterricht. Und er provoziert, darüber nachzudenken, ob ein solcher Text in dieser Fortm heute noch geschrieben würde/werden könnte? (D.E. 04/2024)

IM WESTEN NICHTS NEUES – „Der“ klassische Antikriegsfilm

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