Mythos oder Masterplan? Die wahre Geschichte des Marshall-Plans (2018)

Inhalt

Der Marshall-Plan ist die Initialzündung des westdeutschen Wirtschaftswunders – so hat man es in der Schule gelernt. Aber stimmt das wirklich? Ob Griechenlandkrise, Nahostkonflikt oder Hunger in Afrika, schnell ertönt der Ruf nach einem „Marshall-Plans“. 70 Jahre nach seiner Erfindung scheint das legendäre Konjunkturprogramm der Inbegriff für effiziente Wirtschaftshilfe. Der Film zieht eine kritische Bilanz.

Am 5. Juni 1947 schreibt eine Rede Geschichte: US-Außenminister George C. Marshall präsentiert an der Universität Harvard Pläne zur Sanierung der europäischen Wirtschaft. Angesichts der katastrophalen Umstände, so führt er aus, sei es den europäischen Staaten nicht möglich, selbstständig wieder auf die Beine zu kommen. Er sei davon überzeugt, dass der Aufbau eines demokratischen und friedlichen Europas nicht ohne Wirtschaftshilfe gelingen könne.

Die USA haben ein großes Interesse an einer stabilen politischen Lage in Europa. Außerdem zielen sie auf den Aufbau zuverlässiger Handelspartnerschaften – Exporte sollen die US-Wirtschaft stützen. Zehn Monate nach der historischen Rede beschließt der US-Kongress das „European Recovery Program“ (ERP), bekannt als „Marshall-Plan“. Die Summe von 13,3 Milliarden US-Dollar fließt bis 1953 an insgesamt 17 Länder, etwa ein Zehntel davon an Westdeutschland.

Die rasante wirtschaftliche Genesung der jungen Bundesrepublik scheint zu belegen, dass der Marshall-Plan wahre Wunder wirkte. Dabei sind es ganz andere Faktoren, die damals greifen. Der Bielefelder Historiker Werner Abelshauser hat in US-Archiven die wirkliche Geschichte des Hilfsprogramms enthüllt. Tatsächlich fließt nicht ein Dollar nach Deutschland. Der Marshall-Plan ist in erster Linie ein Konjunkturprogramm für die lahmende US-Landwirtschaft, flankiert von einer der größten PR-Kampagnen der Geschichte. Die deutsche Wirtschaft wiederum ist viel weniger zerstört, als wir heute glauben – im Grunde bezahlen die Deutschen ihren Wiederaufbau selbst.

Zeitzeugen wie der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel und die frühere Hamburger Justizsenatorin Lore Peschel-Gutzeit schildern ihre persönlichen Erinnerungen an die Stunde null und die Marshall-Plan-Jahre. Schriftstellerin Judith Kerr erzählt, wie anders die Entwicklung in Großbritannien war, das viel mehr Hilfen bekam und dennoch kein Wirtschaftswunder erlebte.

Die Dokumentation „Mythos oder Masterplan?“ blickt hinter die Fassade des „European Recovery Program“ und erzählt die wahre Geschichte des Projekts: Warum der Marshall-Plan wirtschaftlich gar nicht so wertvoll war und dennoch ein Meilenstein, dessen Wirkung unser Land bis heute prägt. (3sat Programminfo [19.11.2022])

Filme nach 2000


Filmansicht bei Youtube
Titel Mythos oder Masterplan
Die wahre Geschichtedes Marshall-Plans
Regie Katarina Schickling
Schnitt Christian Bobsien
Sprecherin Cordelia Senfft
Tonmischung Thomas Bastian
Produktion Julia Blankenburg
Tangram International GmbH
Produzentin Dagmar Biller
Redaktion Marc Brasse (NDR), Matthias Eggert (BR)
Produktionsland Deutschland
Prodzktionsjahr 1918
Laufzeit 45 Minuten

Bezugsquelle
TANGRAM International GmbH
Ganghoferstr. 27
80339 München

Die ökonomische Bedeutung des ERP ist bis heute umstritten, an den politisch-psychologischen Effekten gibt es dagegen keinen Zweifel: die Kampagne um den Marshall-Plan war ein großer Propagandaerfolg und hat sich gerade in in der BRD tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Das zeigt sich auch in durchaus nicht unkritischenBeträgen, wie den Materialien bei BR2, die letztlich auf der Subebene doch diesen Mythos bedienen.

Man denkt beim Wort „Marshallplan“ immer, dass die USA kurz nach dem 2. Weltkrieg große Geldsummen nach Europa überwiesen um hier die Konjunktur anzukurbeln. Das stimmt aber nicht. Die US-Regierung gab US-Landwirten Geld, damit sie vor allem ihre.

Die ARD hat Anfang der Woche eine höchst interessante Dokumentation über den Marshallplan ausgestrahlt. (…)

Der große „sensationelle“ Marshallplan

Als vor einigen Jahren in Griechenland die Krise am Schlimmsten wütete, wurde unter anderem nach einem Marshallplan gerufen. Genau so wollen viele „Experten“ Regionen wie Afrika auf die Beine helfen. Gemeint ist damit ein Konjunkturprogramm, ein finanzieller Impuls von außen, damit eine Volkswirtschaft auf die Beine kommt.

Man denkt beim Wort „Marshallplan“ immer, dass die USA kurz nach dem 2. Weltkrieg große Geldsummen nach Europa überwiesen um hier die Konjunktur anzukurbeln. Das stimmt aber nicht. Die US-Regierung gab US-Landwirten Geld, damit sie vor allem ihre Überproduktion an Baumwolle und Tabak nach Europa verschifften (Großbritannien, Frankreich, Deutschland waren die Hauptnutznießer). Diese Waren kamen bei europäischen Verarbeitern an, die dafür ganz normal zum Beispiel in D-Mark bezahlen mussten. Sie bezahlten aber nicht an die US-Produzenten, sondern an die deutsche Staatsbank KfW. Die nahm das Geld und vergab damit Kredite, zum Beispiel für den Wohnungsbau in Deutschland. Die Doku zeigt eindeutig, dass das Volumen dieser Kredite und ihr Effekt auf den Aufschwung in Deutschland aber nur minimal war.

Und auch war der Marshallplan kein Geschenk, sondern ein Kredit der USA. Die Bundesregierung zahlte diesen Kredit in US-Dollar in vollem Umfang wieder an die USA zurück. Die Doku-Autoren kommen zu dem Schluss, dass das Wirtschaftswunder in Deutschland möglich war, weil zum einen hunderttausende Besatzungssoldaten ihre harten Dollars in Westdeutschland verkonsumierten, und damit Nachfrage schufen. Und die industrielle Basis war in Deutschland vorhanden, um den Wiederaufbau in Europa mit neu produzierten Wirtschaftsgütern versorgen zu können.

Was die Doku übrigens nicht erwähnt hat: Anfang der 50er-Jahre tobte der Korea-Krieg. Die USA hatten nach dem 2. Weltkrieg ihre Rüstungsproduktion stark zurückgefahren, und stießen aufgrund des hohen Munitionsverbrauchs in Korea an ihre Kapazitätsgrenzen. Sie baten Deutschland in Windeseile Kapazitäten hochzufahren. So produzierten ehemalige deutsche Wehrmachtslieferanten zügig Munition in großem Umfang für die US-Streitkräfte – für den Korea-Krieg. Das war die Geburtsstunde der deutschen Rüstungsindustrie nach dem 2. Weltkrieg, was ebenfalls zum Aufschwung beitrug.

Darum würde der Marshallplan für Afrika nicht funktionieren

Wie die Autoren der ARD-Doku gut erläutern, haben beispielsweise die Briten mehr Unterstützung (Kredit) aus dem Marshallplan erhalten als die Deutschen. Dennoch waren die Bürger in Großbritannien noch deutlich länger auf Lebensmittelkarten angewiesen, wo in Deutschland schon die große „Fresswelle“ eingesetzt hatte. Der Grund war die breit vorhandene industrielle Basis sowie das Fachwissen der Arbeiter und Ingenieure.

Die deutsche Wirtschaft war zügig bereit das kaputte Europa mit neuen Maschinen zu versorgen, wo aber in Großbritannien zur selben Zeit keine vergleichbare breite industrielle Basis vorhanden war. In der Doku wird auch auf Versuche der Vereinten Nationen in den 50er-Jahren verwiesen einfach nur mir Geld Afrika auf die Beine zu helfen. Das Konzept verpuffte. Auch das klassische Modell des Marshallplans dürfte heutzutage in Afrika verpuffen.

Die Förderung einer Volkswirtschaft von außen kann eben nur dann etwas bringen, wenn diese Volkswirtschaft technologisch und vom Wissensstand her in der Lage ist Produktion aufzubauen. Deswegen wäre es wohl erstmal sinnvoller eine breit angelegte Bildungsoffensive in Afrika aufzulegen, bevor man auf die Idee kommt immer wieder einfach nur Geld zu überweisen.

Die Gründe für das deutsche Wirtschaftswunder

Was waren also die Gründe für das Wirtschaftswunder. Da war der Support für die deutsche Industrie durch die amerikanischen Anforderungen an Munition, dank des Korea-Kriegs. Und es gab die hunderttausenden Besatzungssoldaten, die hier harte Währung unter die Leute brachten. Darüber hinaus gab es den ausdrücklichen Wunsch der US-Regierung, dass die Staaten in Westeuropa untereinander freien Handel treiben. Da war letztlich auch die noch vorhandene industrielle Infrastruktur in Deutschland sowie das Fachwissen der Arbeiter. Und ja, da war auch in einem gewissen kleinen Umfang der indirekte Marshallplan-Effekt. Aber seine Wirkung wird heute massiv überbewertet. Wie die Doku gut zeigt, hat das auch mit dem damals großflächigen Marketing der Amerikaner zu tun. Das führte auch dazu, dass sich die Westdeutschen dem westlichen Bündnis zugehörig fühlen, und nicht Richtung Osten tendierten. Dieser Plan ging ja auch auf.

aus: https://finanzmarktwelt.de/die-wahrheit-ueber-den-sensationellen-marshallplan-86615/

Die positive Resonanz, die der Marshallplan bis heute besitzt, ist nicht auf Deutschland beschränkt, aber sie ist hier besonders ausgeprägt. Ganz offensichtlich hängt dieser Mythos nicht von der Höhe der eingesetzten Mittel ab, denn diese waren zwar erheblich aber dennoch nicht so riesig, dass dies allein den Mythos erklären würde. > mehr

Eike Kimmel: Mythos Marshallplan? – bpb 31.10.2005 [19.11.2022]

Die ARD hat Anfang der Woche eine höchst interessante Dokumentation über den Marshallplan ausgestrahlt. Bevor wir damit beginnen, nochmal vorab ein Kommentar zur ARD. Ja, wir „Kleingeistigen“ bei FMW kritisieren regelmäßig den Rundfunkbeitrag und die Sinnhaftigkeit diverser Programminhalte der Öffentlich Rechtlichen. Aber wir haben nie behauptet, dass alle Inhalte der ARD Schrott sind. Eine Doku wie die über den Marshallplan ist äußerst wertvoll und hilft beim Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge enorm weiter!

aus: Finanzmarktwelt 19. April 2018

> mehr

Kriegsfolgen – Rettungsplan – Marshall macht Europa Mut – Aufbaprogrmm für den Westen – Ein Hilfsprogramm mit Strahlkraft

Arbeitsblätter

Nach dem Hören der Sendung können sich die Schülerinnen und Schüler mit den Arbeitsblättern beschäftigen.
Arbeitsblatt 1: Der Weg zum Marshall-Plan
Arbeitsblatt 2: Der Marshall-Plan im Überblick
Arbeitsblatt 3: Wirkung des Marshall-Plans

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