Mutter Krausens Fahrt ins Glück (1929)

Inhalt

Mutter Krause lebt mit ihren erwachsenen Kindern Erna und dem arbeitslosen Paul im Berliner Wedding und verdient ihr Geld als Zeitungsausträgerin. Das einzige Zimmer wurde an einen Schlafburschen und seine Freundin vermietet, die anschaffen geht. Als Paul das Zeitungsgeld der Mutter versäuft und durch einen Einbruch wieder zu beschaffen versucht, bricht die mühsam aufrechterhaltene Ordnung zusammen. Mutter Krause öffnet angesichts ihrer verzweifelten Lage den Gashahn. Nur Erna und ihr neuer Freund Max finden ein Weg: Sie schließen sich den Kommunisten an, die durch Berlin ziehen.


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Originaltitel

Mutter Krausens Fahrt ins Glück

Produktionsland

Deutschland

Originalsprache

Deutsch

Erscheinungsjahr

1929

Länge

105 Minuten

Stab

Regie

Phil Jutzi

Drehbuch

Willi Döll, Johannes Fethke

Musik

Paul Dessau

Kamera

Phil Jutzi

DarstellerInnen

  • Alexandra Schmitt: Mutter Kraus
  • Holmes Zimmermann: Paul Krause
  • Ilse Trautschold: Erna Krause
  • Gerhard Bienert: Schlafbursche
  • Vera Sacharowa: Friede
  • Friedrich Gnaß: Max
  • Fee Wachsmuth: Kind

 

Der Spielfilm „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ ist ein Klassiker des proletarischen Kinos der Weimarer Republik, der in dokumentarischen Bildern von den Lebensbedingungen im Berliner Wedding Ende der 1920 Jahre erzählt und dabei die Klassenfrage stellt.

Der Film ist inspiriert von Zeichnungen und Erzählungen von Heinrich Zille, der im Sommer 1929 noch vor der Premiere im Dezember gestorben war. Bei den Dreharbeiten stand Käthe Kollwitz als Beraterin dem Regisseur Phil Jutzi zur Seite, der mit diesem Film den Vorläufer zu „Kuhle Wampe“ geschaffen hat. (Text: 3sat)

 

Durus:
Der erste deutsche proletarisch-revolutionäre Film: Heinrich Zille:
Wedding …“Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ in der Alhambra

Als der große proletarische Künstler des Berliner Nordens und Ostens, Heinrich Zille, noch lebte, wurden manche ,,Zille-Filme“ hergestellt, die den guten Namen Zilles für die übelsten geschäftlichen Zwecke mißbrauchten und ,,Wesentliches“ dazu beitrugen, Zille als einen Vertreter des ,,guten Berliner Mutterwitzes“ erscheinen zu lassen. Der Film ,,Zwischen Spree und Panke“, der gegenwärtig in verschiedenen Berliner Kinos läuft, ist eine solche Zille-Fälschung.

Der hervorragende Film ,,Mutter Krausens Fahrt ins Glück“, der in der Alhambra (Kurfürstendamm) uraufgeführt wurde und bald in acht verschiedenen Berliner Kinotheatern laufen wird, ist der erste echte Zille-Film. Darüber hinaus der erste in Deutschland hergestellte proletarisch-revolutionäre Film. Er könnte mit vollem Recht ,,Wedding“ heißen. Denn der Hauptdarsteller dieses Films ist nicht eine einzelne Person, sondern – Wedding. Das Prometheus-Kollektiv hat einen Teil des Zilleschen ,,Milljöhs“, das proletarische Milieu vom Wedding, mit größter Lebensechtheit, ohne jede Schminke, ohne jede Retusche, mit revolutionärer Konsequenz filmisch gestaltet. Die grauen Mietskasernen, die Hinterhöfe, die Wohnkerker und Wohnsärge, die Kneipen und Destillen, die Rummelplätze, die Straße, das Freibad, Gartenfeste, Pfandleihanstalten und Lumpenstampen, Verelendete, Verbrauchte, Schlafburschen, Prostituierte geben ein Abbild des grauen Wedding („grau in grau“).

Entscheidend im Film ist aber nicht der graue, sondern der rote Wedding. Was hier abrollt, ist kein ,,Elendsfilm“, keine „Armeleutemalerei“, sondern ein klassenbewußter Film des revolutionären Proletariats im Wedding. Es ist hier eine Demonstration revolutionärer Weddinger Arbeiter zu sehen, von einer Kraft, einer Siegesbewußtheit, einer proletarischen Größe, einer bolschewistischen Diszipliniertheit und Wucht, eine Demonstration, die alles Elend, alles Dunkle im Film aufhebt, die Wedding als ein Zentrum des deutschen klassenbewußten Proletariats, als ein Zentrum der deutschen proletarischen Diktatur der Zukunft gestaltet. Das letzte ,,Bild“: die Namenlosen, die Unzähligen, die Herrscher der Zukunft marschieren. Mutter Krause hat sich und das Kind des ,,Straßenmädchens“, das bei ihr ,,wohnt“, mit Gas vergiftet, ein Opfer, zwei Opfer, viele Opfer des Kapitalismus, aber das revolutionäre Proletariat marschiert einer besseren Zukunft entgegen.

,,Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!“ .. .wie es unter einer Zeichnung Zilles steht (,,Für Alle“, erschienen im Neuen Deutschen Verlag).

Diese Tendenz der sozialen Wirklichkeit, im Zille-Film grandios und eindeutig gestaltet, entspricht der Tendenz der Kunst von Zille. Zille, war auch in dieser Richtung ein ,,realistischer“ und kein ,,unpolitischer“ Künstler. Zille bekannte sich stolz zum Kommunismus. Dieses Bekenntnis, diese Gesinnung von Millionen wird durch den revolutionären Wedding zu einem bis jetzt in Deutschland einzig dastehenden Filmwerk. Am wichtigsten ist nicht die Handlung. Handlungsmäßig sind manche im Rahmen des kapitalistischen Filmbetriebs unumgängliche Konzessionen: Hochzeit, Verbrechen, äußerlich ,,dramatische“ Zuspitzungen. Der Titel ,,Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ ist ironisch zu verstehen; aber die Ironie wird erst klar, wenn man den Film gesehen hat. Die soziologische, die marxistische Aufzeigung der Ursachen könnte schärfer sein; die revolutionäre Ideologie des Films ist in den Bildern klarer fixiert als in den Zwischentiteln.

Am wichtigsten ist die Gestaltung des Gegensatzes zwischen klassenunbewußtem und klassenbewußtem Proletariat und die Aufzeigung dessen, wie ein klassenbewußter Arbeiter die klassenunbewußte Tochter der Mutter Krause hinaufführt in die Reihen des revolutionären Proletariats. Der erste deutsche Film, den man ideologisch und künstlerisch mit den russischen Filmen in einem Atem nennen kann; ein Film, der die russischen Filme keinesfalls kopiert, der selbständig aus den eigenen Bedingungen des deutschen Proletariats entstanden ist. Ein Beweis dafür, daß proletarische revolutionäre Filme -wenn auch nicht ganz ohne Konzessionen – bereits vor der Machtergreifung durch die Arbeiterklasse entstehen können.

Stark betont ist das Wohnungselend. Im Mittelpunkt die Erkenntnis Zilles: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen ebenso töten wie mit einer Axt“. Am wichtigsten an der Kollektivarbeit ist die ideologische und

künstlerische Kontrolle durch den bedeutenden Weddinger Maler, Zillefreund und Zillekenner Otto Nagel. Phil Jutzi als Regisseur und Kameramann hat Vorzügliches geleistet. Wertvoll auch die Beteiligung der Filmarchitekten Scharfenberg und Haacker. Künstlerisch wertvolle Plakate zu dem Film zeichneten Käthe Kollwitz und Otto Nagel.

Als Darsteller ganz ausgezeichnet die ,,Typen“ vom Wedding. Fabelhaft gut die ,,Personen“: Alexandra Schmidt als Mutter Krause ist von einer schlichten Echtheit, eine große Darstellerin; hervorragend Ilse Trautschold, Friedrich Gnaß, Gerhard Bienert, Vera Sacharowa, Holmes Zimmermann. Sie spielen nicht nur, sie sind.

Der Film, der unter dem Protektorat von Käthe Kollwitz und Hans Baluschek entstanden ist, sollte der Anfang einer proletarisch-revolutionären Filmproduktion in Deutschland werden. „

Rote Fahne, 1.1.1930 (zitiert nach: weimarer Republik: a.a.O.: S. 508/509

 

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