„Haste was, biste was!“ oder „Trommeln für den Markt“?

Wie Neoliberale die ‚Soziale Marktwirtschaft‘ durchsetzten

Mit dem der oben gewählten Themen-Titel „Haste was, biste was!“ haben D. Schindelbeck/V. Ilgen 1999 ihre Untersuchung zu den PR-Kampagnen für das Konzept der ‚Sozialen Marktwirtschaft‘ überschrieben.1) „Im Sinne dieses Credos der deutschen Wirtschaftswunder-Zeit machte in den fünfziger und sechziger Jahren der in Köln eingetragene Verein „Die Waage“, eine Interessenvertretung der deutschen Unternehmerschaft, von sich reden. Die soziale Marktwirtschaft, ein für die meisten Deutschen zunächst inhaltsleerer Begriff, wurde von der „Waage“ als Markenartikel kreiert und verkauft.“ (Klappentext zum Buch)

In der Untersuchung werden ihre Mitglieder, Förderer, Motive, Propagandamaßnahmen – wie etwa Kinospots, Anzeigen- und Broschürenkampagnen – sowie ihr Erfolg beleuchtet und so ein Einblick in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bundesrepublik in ihrer Anfangsphase geboten.

Mit der Überschrift „Trommeln für den Mark: Die Rolle der Medien in den 1950er Jahren“ hat  L. Frühbrodt ein Kapitel in seiner Studie „Wie die Neoliberalen die soziale Marktwirtschaft durchsetzten“ versehen . Er beleuchtet darin v.a. die Rolle der  FAZ und der PR-Kampagne der „Waage e.V.“ bei der ideologieschen Durchsetzung der ‚Sozialen Marktwirtschaft‘: „FAZ und Waage trommelten jeweils auf ihre Art fortan mächtig für eine soziale und bevorzugt freie Marktwirtschaft. Mit spürbarem Erfolg.“ Dieses Kapitel, das sich in Teilen stark an Schindelbeck/Ilgen orientiert, thematisiert den wirtschaftspolitischen Hintergrund für die hier vorgestellten Waage-Werbe-Clips.


1) Dirk Schindelbeck/VolkerIlgen: „“ Werbung für die Soziale Marktwirtschaft. BBG 1999. Diese Publikation ist im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes „Propaganda und Public Relations für Staat und Gesellschaft im deutsch-deutschen Vergleich von 1949 bis 1971/72“ entstanden.
2) Lutz Frühbrodt: Trommeln für den Markt: Die Rolle der Medien in den 1950ern. Kapitel 3 von: Wie die Neoliberalen die soziale Marktwirtschaft durchsetzten. Die Zweite Aufklärung.de – 28. April 1922

 


Filmographische Angaben:

Produzent:          Die Waage: Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichs e.V., Köln
Produktionsjahr: 1953
Laufzeit:             1:57 Min.


Inhalt

Fritz und Otto unterhalten sich im geschäftigen Hafenbetrieb über Handel, Import und Export. Otto ist der unwissende Stichwortgeber für den „allwissenden“ Fritz.

Dialog

Fritz: Na Otto. Der Abstecher nach Hamburg lohnt sich!?
Otto: Und ob. Mensch Fritz, was in so einem Hafen für’n Betrieb ist…. Sieh mal den großen Pott, der da die Elbe raufgeht…
Fritz: Kommt aus Übersee…
Otto: Ja…
Fritz: Aber guck mal da rüber zu den Werften. Da ist was los. Werden sicher wieder ein paar saubere Schiffchen auf Kiel gelegt.
Otto: Ja… erinnerst du dich eigentlich noch an das letzte Mal, als wir hier waren? Damals, als wir aus der Gefangenschaft kamen…. Da sah es hier aus, wie auf einem großen Friedhof.
Fritz: Ja, damals. Seitdem hat sich auch hier manches verändert.
Otto: Ja…
Fritz: Unser Außenhandel kann sich wieder sehen lassen“
Otto: Na ja, Außenhandel. Dass wir exportieren müssen, versteh ich ja noch, denn wir wollen ja alle Arbeit haben. Aber die vielen Einfuhren. Die wollen mir nicht in den Kopf.
Fritz: wir müssen doch einführen, Otto. Weil wir nicht genügend Rohstoffe und Nahrungsmittel haben.
Otto: Ja….
Fritz: Und außerdem. Wenn wir dem Ausland keine Waren abkaufen, nimmt es auch nichts mehr von uns. Unsere Ausfuhr muss sogar gesteigert werden. Sie ist immer noch nicht groß genug.
Otto: Na ja, dann müssen wir uns eben mächtig dranhalten…
Fritz: Mensch, natürlich Otto… das tun wir ja auch. Seit der Währungsreform haben wir unseren Export versiebenfacht.
Otto: Donnerwetter. Das haben wir ja gut hingekriegt.
Fritz: Siehste! Na geht dir nun endlich ein Licht auf?
Otto: Ja, hä….

Abschluss-Kommentar aus dem Off

Unser Export hat sich seit dem Jahr 1948 versiebenfacht. Auch das ist ein Erfolg von Erhards sozialer Marktwirtschaft. Sorgen wir dafür, dass sie uns erhalten bleibt. Sie sichert uns Aufstieg und sozialen Frieden.

 

 

Filmographische Angaben

Produzent:          Die Waage: Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichs e.V., Köln
Produktionsjahr: 1953
Laufzeit:             2:00 Min.


Inhalt

Fritz beantwortet Otto die Frage, was soziale Marktwirtschaft sei. Die Antwort wird auf den banalen Punkt gebracht: Freie Auswahl beim Einkauf, immer bessere und billigere Waren – davon haben wir alle den Vorteil.

Dialog

Otto: Sag mal Fritz. Was ist das eigentlich, Soziale Marktwirtschaft?
Fritz: Ganz einfach Otto. Das ist die Form der Wirtschaft, die uns nach der Währungsreform wieder hochgebracht hat.
Otto: Ja… ganz schön… aber warum ist die denn sozial?
Fritz: Weil wir alle davon den Vorteil haben. Auch du und ich.
Otto: Wieso? Das musst du mir erklären.
Fritz: In der Marktwirtschaft kann ein Betrieb sich nur halten, wenn er sich mächtig anstrengt und immer bessere und billigere Waren herausbringt. Davon haben wir alle den Vorteil.
Otto: Ah, weil wir das Geld haben uns was zu kaufen.
Fritz: Das ist in jeder Wirtschaft so. Nur wer Geld hat, kann kaufen. Nur wer verdient, kann ausgeben.
Otto: Aber in der sozialistischen Planwirtschaft diktiert der Staat die Preise. Da kann‘ste kaufen.
Fritz: Was dir von oben zugeteilt wird. Das ist wenig und taugt nichts. Und was es frei zu kaufen gibt, ist sündhaft teuer.
Otto: Ahh….
Fritz: Man, Otto. Haben wir ja alles schon gehabt. Denk doch mal an die Zeit vor 48. Schlange stehen, Schwarzmarkt. Das ist der Erfolg der Zuteilung.
Otto: Stimmt.
Fritz: Erst seit unser Geld wieder Wert hat, können unsere Frauen mit dem Inhalt unserer Lohntüte wieder etwas anfangen. Auch das ist in Wirklichkeit eine große soziale Leistung.
Otto: Na ja, du hast ja recht. Wenn man so alles …
Fritz: …in allem nimmt

Abschließender Kommentar aus dem Off:

Freie Auswahl beim Einkauf, immer bessere und billigere Waren. Sorgen wir also dafür, dass uns Erhards soziale Marktwirtschaft erhalten bleibt. Sie sichert uns Aufstieg und sozialen Frieden.

Kommentierender Text

Was suggeriert das Logodes Vereins?

Was soll die Selbstbezeichnung der „Waage“ ausdrücken? Was sagt sie nicht aus, über den Charakter der „Gemeinschaft“?


Neoliberalismus bezeichnet eine Neufassung wirtschaftsliberaler Ideen im 20. Jahrhundert. Wie der Klassische Liberalismus strebt der Neoliberalismus eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit Anerkennung von Privateigentum, Vertragsfreiheit und Freihandel an. Anders als der klassische Liberalismus überträgt er dem Staat jedoch eine aktive ordnungspolitische Rolle in der Wettbewerbspolitik als Schöpfer und Hüter der Wettbewerbsordnung. Die Bezeichnung Neoliberalismus wurde auf einer Konferenz in Paris im Jahr 1938 (Colloque Walter Lippmann) geprägt und wird heute mit zwei Varianten in Verbindung gebracht: (1) deutscher Neoliberalismus, der zusätzlich gewisse staatliche Interventionen in der Sozial- und Konjunkturpolitik befürwortet (Ordoliberalismus); (2) angelsächsisch geprägte Variante, die solche Interventionen ablehnt (Chicagoer Schule, Österreichische Schule).

Der Ausdruck Neoliberalismus entwickelte sich in den 1990er Jahren aber auch zu einem politischen Schlagwort, das eine Wirtschaftspolitik mit folgenden Merkmalen bezeichnet: Intensivierung des Wettbewerbs durch Deregulierung, Durchsetzung des Freihandels und der Finanzglobalisierung, Limitierung des Deficit spending sowie Verringerung der Rolle des Staates durch Privatisierung und Reduktion der Bürokratie. Kritiker sehen darin eine Schwächung Sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Politikgestaltung infolge der Dominanz eines ökonomischen Rationalitätsverständnisses.

Hintergrund für den Bedeutungswandel und für die Entwicklung zu einem wesentlich umstrittenen Begriff (Essentially Contested Concept) sind Entwicklungen seit den 1970er Jahren, als der Ausdruck Neoliberalismus von oppositionellen Wissenschaftlern in Chile aufgegriffen wurde. Damals setzten die Chicago Boys in Chile radikale Wirtschaftsreformen um. Die Reformen waren von Ideen der Chicagoer Schule und von Friedrich August von Hayeks beeinflusst. Von hier aus verbreitete sich die neue Wortbedeutung in die angelsächsische Welt.

Text-Übernahme aus wikipedia (Stand: 08.08.2022)

Werbung

Als Werbung wird die Verbreitung von Informationen in der Öffentlichkeit oder an ausgesuchte Zielgruppen durch meist gewinnorientierte Unternehmen verstanden, mit dem Zweck, Produkte und Dienstleistungen bekannt zu machen oder das Image von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen zu pflegen.

Sie dient sowohl der gezielten und bewussten als auch der indirekten und unbewussten Beeinflussung des Menschen zu meist kommerziellen Zwecken. Teils durch emotionale (Suggestion), teils durch informelle Botschaften spricht Werbung bewusste und unbewusste Bedürfnisse an oder erzeugt neue. (wikipedie 08.08.2022)

Politische Werbung 
ist jede Werbemaßnahme, mit der eine Haltung, eine Positionierung zu gesellschaftlichen Fragestellungen oder auch eine konkrete Entscheidung im Politikbetrieb beeinflusst werden soll. Politische Ziele werden nicht nur von politischen Parteien, Verbänden und Interessengruppen verfolgt, sondern auch von Unternehmen und Einzelpersonen. Das politische Ziel kann die Schaffung eines bestimmten politischen Images, von Akzeptanz für bestimmtes politisches Handeln oder für politisch handelnde Personen genau so sein wie die Beeinflussung gesellschaftlicher Debatten oder konkreter politischer Entscheidungen.
aus: Blog der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Propaganda

„Propaganda ist eine besondere Form der systematisch geplanten Massenkommunikation, die nicht informieren oder argumentieren, sondern überreden oder überzeugen möchte. Dazu bedient sie sich in der Regel einer symbolisch aufgeladenen und ideologiegeprägten (Bild-)Sprache, welche die Wirklichkeit verzerrt, da sie entweder Informationen falsch vermittelt oder ganz unterschlägt. Ziel von Propaganda ist es, bei den Empfängern eine bestimmte Wahrnehmung von Ereignissen oder Meinungen auszulösen, nach der neue Informationen und Sachverhalte in den Kontext einer ideologiegeladenen Weltsicht eingebettet werden (Framing). Der Wahrnehmungsraum, in dem die Empfänger Informationen einordnen oder bewerten können, wird so durch Propaganda langfristig manipuliert.“
(Bussemer, Thymian (2013): Propaganda. Theoretisches Konzept und geschichtliche Bedeutung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 2.8.2013, URL: http://docupedia.de/zg/Propaganda?oldid=125824 [12.11.2018])

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