Die Mitäufer (1984)

Inhalt

Zehn Episoden zeigen Verhaltensweisen von Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus auf und geben dem Zuschauer die Möglichkeit, eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen.

„Der Brand“: Eine Arbeiterfrau ist froh, daß ihr Mann nicht „organisiert“ ist. Arzt und Jurist diskutieren, ob sie bald zwischen „braunem“ und „rotem“ Blinddarm unterscheiden müssen.

„Der Zug der Zeit“: Ein Landwirt erklärt, daß es opportun sei, in die Reiter-SA einzutreten. Seine Verlobte versucht ihn davon abzuhalten.

„Der Zinnsoldat“: Ein am Boykott jüdischer Geschäfte beteiligter SA-Mann belehrt seine Familie, daß man im Dienst nicht als Mensch handele, sondern seine Pflicht erfülle.

„Nachhilfe-Unterricht“: Ein Oberamtsgerichtsrat „erklärt“ einem Untergebenen, daß man am 1. Mai mitzumarschieren habe, statt Hausmusik zu treiben.

„Mit der Zeit gehen“: Eine Putzfrau wird nach der Reichskristallnacht aufgefordert, nicht mehr Juden den Dreck wegzuräumen.

„In der Schlange“: Zwei Hausfrauen sprechen über eine Nachbarin, die wegen Abhören von Feindsendern verschwunden ist.

„Trauer“: Eltern formulieren die Todesanzeige für den gefallenen Sohn. Die Frau zweifelt an den gängigen Formulierungen.

„Humor“: Ein „Volksgenosse“ muntert im Luftschutzkeller die anderen mit Alkohol und Witzen auf und erregt das Mißfallen des Luftschutzwartes.

„Der Eisenbahner“: Ein Lokführer verdirbt die Weihnachtsstimmung, als er seiner Frau erzählt, daß er KZ-Transporte fährt.

„Der Eid“: Zwei blutjunge Soldaten (Schüler) überlegen in den letzten Kriegstagen, was die Vereidigung für sie bedeutet und wie sie sich ihr entziehen können.

Regie: Erwin Leiser, Eberhard Itzenplitz

Drehbuch: Erwin Leiser (Konzept), Oliver Storz (Konzept)
Kamera: Gérard Vandenberg, Jochen Radermacher
Schnitt: Elisabeth Imholte, Margot von Oven, Jutta Niehoff
 
Darsteller
  • Karin Baal:Elisabeth Kurz
  • Gottfried John: Brocke
  • Horst Bollmann: Strobel
  • Edith Teichmann
  • Lisi Mangold
  • Regina Lemnitz
  • Therese Lohner: Ellen Kurz
  • Felix von Manteuffel
  • Armin Mueller-Stahl
  • Ilsemarie Schnering
  • Walter Schultheiß
  • Frank Strecker

Produktionsfirma:

  • EML-Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH (München)
  • Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Mainz)
Produzent: Christine Carben-Stotz
 
Länge2701 m, 99 min

Format35mm, 1:1,66

Bild/Tons/w, Ton

Prüfung/Zensur: FSK-Prüfung (DE): 09.10.1984, 54962, ab 6 Jahre / feiertagsfrei:

Uraufführung (DE): 07.06.1985

Man kann die Welt von heute nur verstehen, wenn man die Wahrheit über die Welt von gestern kennt. Ich betrachte meine Filme über die Vergangenheit als Filme für die Zukunft. Sie wenden sich nicht an die, die dabei waren, sondern an die, die wissen wollen, wie es war und es von ihren Eltern nicht erfahren.

Mischung aus Wochenschaufragmenten und Spielfilmszenen, die den Alltag einfacher Menschen im Dritten Reich porträtieren soll. Der bemerkenswerte Versuch, sich der Wirklichkeit aufklärerisch zu nähern, überzeugt in der Montage und Kommentierung, während die Spielfilmszenen nur bedingt die Abhängigkeit der Menschen vom „alltäglichen Faschismus“ verdeutlichen. Insgesamt jedoch beeindruckend und zur Diskussion anregend. (Filmdienst)

An filmischen Erklärungsversuchen über die Phänomene des Nationalsozialismus haben sich schon mehrere versucht, Erwin Leiser gleich zweimal mit MEIN KAMPF und DIE MITLÄUFER. Diesmal sind die „netten Leute von nebenan“ sein Modellfall, an denen er den alltäglichen Faschismus aufzeigt. Da es aber über „den kleinen Mann von der Straße“ wenig authentisches Filmmaterial gibt, bedient sich Leiser einer zur Entstehungszeit des Films noch neueren Methode, die echte bis dato unveröffentlichte Dokumentaraufnahmen mit nachinszenierten Szenen in Verbindung setzt. Mit diesen insgesamt zehn kurzen Spielfilmszenen vermittelt er einen annähernd realen Einblick in die private und berufliche Sphäre im ‚Dritten Reich‘. Und da geht es immer um Einschüchterung und Opportunismus, nur selten regt sich auch Widerstand: Ein Vorgesetzter droht seinem Untergebenen, weil er nicht an der Feier zum 1. Mai teilgenommen hat, ein Landwirt tritt der Partei bei, um an Weideland zu kommen, ein Parteigänger will einer Nachbarin die Putzstelle bei Juden ausreden, ein Lokführer verdrängt mit Alkohol seine Fahrten zu den Vernichtungslagern. Die Brisanz der Wirklichkeit können die Szenen allerdings nicht erreichen.

Der bemerkenswerte Versuch, sich der Wirklichkeit aufklärerisch zu nähern, überzeugt in der Montage und Kommentierung, während die Spielfilmszenen nur bedingt die Abhängigkeit der Menschen vom „alltäglichen Faschismus“ verdeutlichen. (nach: film-dienst 20/ 85)

Erwin Leisers Film „Die Mitläufer“

Im Jahr 1959 sah man plötzlich wieder Hakenkreuze in Europa, auf geschändeten Gräbern deutscher Juden, aber auch auf Helmen und Ketten, die damals von den Vorgängern der Punkgeneration in vielen Ländern getragen wurden. Ein Jahr später lief Erwin Leisers  Film MEIN KAMPF in deutschen Kinos. 1985, an einem Sommertag, sehe ich ein schwarzes, mit schneller Hand gezeichnetes Hakenkreuz an der weißen Wand…

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