1-2-3 Corona (1948)

Inhalt

1945 – In der Trümmerstadt Berlin. Zwei Anführer rivalisierender Banden, deren Geschäft der Schwarzhandel ist, verbünden sich gegen einen Zirkusdirektor, der seine junge Artistin Corona misshandelt. Bei ihrem Racheakt wird die hübsche Corona schwer verletzt. Von Schuld getrieben pflegen sie gemeinsam die Artistin. Dabei entdecken sie ihre Liebe nicht nur zu dem Mädchen, sondern auch zum Zirkus. Nachdem uns zuletzt vermehrt Nachfragen erreichten, wo man den DEFA-Klassiker 1-2-3 Corona wiederentdecken könne, stellen wir euch die Produktion nun in der DEFA-Filmwelt zur Verfügung. Der im Zirkusmilieu angesiedelte DEFA-Spielfilm aus dem Jahr 1948 zeigt uns, dass der Begriff Corona auch positiv konnotiert sein kann.

Film im Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1950

Originaltitel 1-2-3 Corona
Produktionsland Deutschland (SBZ)
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1948

Stab

Regie Hans Müller
Drehbuch Artur Kuhnert
Produktion DEFA
Musik Hans Otto Borgmann;
Bruno Balz
Kamera Robert Baberske
Schnitt Ilse Voigt
DarstellerInnen
  • Eva-Ingeborg Scholz: Corona
  • Lutz Moik: Gerhard
  • Piet Clausen: Dietrich
  • Horst Gentzen: Emil
  • Hans Neie: Rudi
  • Edgar Stecher: Heinz
  • Werner Müller: Karlchen
  • Ralph Siewert: Fritzchen
  • Walter Werner: Dr. Waldner
  • Herbert Hübner: Studienrat
  • Annemarie Hase: Frau Schmittchen
  • Eduard Wandrey: Hugo Grandini
  • Annaliese Würtz: Frau Grandini
  • Hans Leibelt: Direktor Barlay
  • Eduard Wenck: Platzbesitzer Rudi

Wandlung durch Erziehung?

Dieser DEFA-Erfolgsfilm findet eine eher märchenhafte Lösung für die gefährdeten Jugendlichen, die deutlich mit spezifischen Erziehungsgedanken verknüpft ist. 1-2-3 CORONA versetzt retrospektiv in das Jahr 1945 zurück. Das Alltagsproblem der Schulschließung ist Ausgangspunkt der Handlung. Die Art der Inszenierung dieser Geschichte um gefährdete Jugendliche und Kinder diente dabei – wie es in den Werbeempfehlungen des westdeutschen Herzog-Filmverleihs für den Kinobesitzer hieß – primär dem Ziel, ein „strahlende(s) Lebensbild einer Gruppe echter Jungen“ zu zeichnen und einen „Film der Lebensfreude mit fröhlichen jungen Menschen“33) zu schaffen.

Die „Unbekümmertheit der Jugend und ihr Lebensmut“34) sollten zwar im Zentrum stehen, doch spielen auch Diskussionen um die Möglichkeit der Besserung und Erziehung der Jungen in diesem Film eine wichtige Rolle. Antipoden in diesen Diskussionen sind ein Studienrat35) und ein Arzt. Während der Studienrat entschieden für Kontrolle und Erziehung der jungen Leute plädiert, setzt der Corona behandelnde Arzt auf Selbstregulierung. Er hält weniger Führung als Vertrauen und das Geben einer verantwortungsvollen Aufgabe für die richtige Strategie, die Jungen aus ihren einträglichen Schwarzmarkthändeln und kleinen Beschaffungstaten zu Rechtschaffenheit zu führen.

Das Zirkusmädchen Corona (Eva-Ingeborg Scholz) wird nach einem Unfall, den die Jungen mitverschuldet haben, von ihnen in ihrem gemieteten Zirkuswagen aufgenommen und gesund gepflegt. Ihre Vermieterin unterstellt den Jugendlichen, mit denen sie zuvor Geschäfte gemacht hat, auch gegenüber der Polizei ein lüsternes Verhältnis zu Corona. Nachdem der Film wiederholt das keusche und schamhafte Verhalten der Jugendlichen dem Mädchen gegenüber gezeigt hat, wird die Verleumderin als Schieberin entlarvt.

Beschämt wird schließlich auch der Studienrat durch die guten Leistungen der Jungen bei einer „improvisierten“36) Zirkusgala. Plötzlich spricht er von „seinen Jungs“. Trotzdem rückt er nicht von der Vorstellung ab, daß eine wirkliche moralische Abstützung nur in der institutionalisierten Form der schulischen Erziehung erfolgreich sein kann.

Verwandelt zeigt sich ein Zirkusdirektor, der den Jungen sagt: „Von euch habe ich Begeisterung wiedergelernt.“ 37) Nachdem er erlebt habe, wie die beiden (zunächst konkurrierenden) Jungenbanden selbständig und in eigener Verantwortung ihren ‚Zirkus‘ aufgebaut hätten, sei er auch entschlossen, seinen eigenen Zirkus nicht zu verkaufen: Jetzt wisse er daß dieser „wieder eine Zukunft“ habe. Die Führer der beiden Jungengruppen (Gerhard / Lutz Moik und Dietrich/ Piet Clausen) belohnt er mit einer Artistenausbildung. Gerhard und Dietrich bilden später zusammen mit Corona die Trapeztruppe „Die Drei Coronas“. Doch davor steht der bedeutungsvolle Satz des Zirkusdirektors:

„Jetzt heißt es arbeiten, arbeiten und noch ‚mal arbeiten, bis in ein paar Jahren die Welt weiß, wer ihr seid.“ 38)

Der Film eröffnet hier eine Aussicht für junge Menschen, die eben noch entwurzelt, gefährdet und ohne Halt schienen. Er eröffnet damit eine Perspektive auf die Handlungsfähigkeit der Jugend, die auf das Millionenpublikum dieses Filmes offenbar attraktiv und vielleicht auch tröstlich wirkte.


Anmerkungen

33 DIF
34 Ebd.
35 Dieser erscheint im Film mit Brille und hohlen Moralpredigten wie die Karikatur eines Intellektuellen gezeichnet. Der Studienrat wird, obgleich durchaus eine dramaturgisch bedeutsame Figur, in keiner der mir bekannten zeitgenössischen Inhaltsangaben Erwähnung finden.
36 Es handelt sich mit seiner glitzernden Atmosphäre mehr um ein DEFA-Ausstattungswunder.
37 Alle Zitate und Beschreibungen dieses Abschnittes sind – soweit nicht anderes angegeben den eigenen Filmprotokoll (Schneidetisch-Sichtung/DIF) entnommen,
38 Ebd.


Auszug aus: Bettina Greffrath: Verzweifelte Blicke, ratlose Suche, erstarrte Gefühle, Bewegungen im Kreis. Spielfilme als Quellen für kollektive Selbst- und Gesellschaftsbilder in Deutschland 1945-1949. Diss. Universität Hannover 1993, S. 492/93

Alter Defa-Film wird in der Krise neu entdeckt

Bei der Defa-Stiftung gab es plötzlich „vermehrt Anfragen“ nach einem Berlin-Film der Nachkriegszeit. Jetzt ist er auf Youtube zu sehen. 

Keiner kriegt Corona! Der Gerhard nicht, der Dietrich aber auch nicht. Jedenfalls nicht ganz, nicht nur für sich. Aber egal, schließlich sind sie zum Schluss „Die 3 Coronas“, die Helden am Hochtrapez.

Wie sie das emotional auf die Reihe kriegen? Ihr Problem. Für das Publikum jedenfalls steht fest: Es gibt ein Happy End, und das ist die Hauptsache. Und das ist beim Thema Corona, wie wir leider aus aktueller Erfahrung wissen, nicht immer eine Selbstverständlichkeit.

Firmen, die sich irgendwann mal den Namen Corona gegeben haben, sind momentan arm dran. Bestenfalls müssen sie eine Reihe bald schal gewordener Witzeleien über sich ergehen lassen, schlimmstenfalls schreckt der Name, der vermutlich auf lange Zeit mit dem neuartigen Virus verbunden bleiben wird, Kunden ab.

Aber auch die umgekehrte Wirkung ist möglich: Durch den plötzlich aktuellen Namen taucht lang Vergessenes wieder empor, sogar aus der Berliner Filmgeschichte, gewinnt neue Popularität.

Genau so verhält es sich mit dem mehr als 70 Jahre alten Kinderfilm „1-2-3 Corona“, der seit einigen Wochen auf dem Youtube-Kanal „Defa Filmwelt“ zu sehen ist, bei bislang fast 24.000 Aufrufen.

„Vermehrt Anfragen“ nach dem Defa-Klassiker

Es habe „vermehrt Anfragen“ gegeben, wo man diesen Defa-Klassiker denn wiederentdecken könne, deswegen stelle man die Produktion jetzt zur Verfügung – „mit freundlicher Unterstützung der Defa-Stiftung“, heißt es erläuternd. Vermehrt Anfragen? Nun, man kann sich denken, weswegen die so plötzlich aufgetaucht sind.

Und dabei kommt in dem Film kein einziges Virus vor. Corona, so heißt vielmehr die Hauptfigur dieses im Berliner Ruinen- und Zirkusmilieu der ersten Nachkriegsjahre spielenden Films, ein blutjunges hübsches Artistenmädchen, dargestellt von der damals 19-jährigen Schauspielerin Eva-Ingeborg Scholz.

Ansteckend ist diese Corona aber irgendwie schon, sind doch die Jungen zweier konkurrierender Kinderbanden und besonders deren Anführer Gerhard (Lutz Moik) und Dietrich (Piet Clausen) von ihr ganz hingerissen – eine bei den Zuschauern noch immer andauernde Wirkung, wie die Kommentare bei Youtube zeigen.

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Andreas Conrad im: Der Tagesspiegel 17.05.2020

Kuriose Wiederentdeckung: „1-2-3 Corona“ heißt ein Defa-Nachkriegsstreifen von 1948, der jetzt auf Youtube zu sehen ist – im Mittelpunkt steht eine Artistin.

1947 drehte der Regisseur Hans Müller für die Deutsche Film AG (Defa) zwischen den Trümmern Berlins den Jugendfilm ,,1-2-3 Corona“. Einer der vielen Nachkriegsstreifen mit Happy End, längst vergessen, aber mit Ausbruch der Corona-Pandemie wiederentdeckt. Denn wer lange genug nach ,,Corona“ googelt, landet irgendwann auf Youtube bei dem Film der Defa-Stiftung. Mehr als 32000 Aufrufe hatte der Film, seit er Mitte April auf dem Youtube-Kanal der Defa Filmwelt eingestellt wurde. Es habe vermehrt Anfragen danach gegeben, heißt es dort.

In dem Defa-Film, der seine Uraufführung am 17. September 1948 im Kino Babylon in Berlin hatte, dreht sich auch alles um Corona. Nur handelt es sich dabei nicht um eine ansteckende Krankheit, sondern um die große Liebe zweier Jungs. Corona ist eine Zirkusartistin, um die sich die beiden balgen .> weiter


Mathias Richter, Selbstverständlich mit Happy End. HAZ 6. Juni 2020

Zwei Jugendbanden, die sich 1945 in den Berliner Ruinen befehden, schließen Frieden, um eine mißhandelte und verletzte Artistin zu retten, gesund zu pflegen und für sie einen neuen Zirkus zu gründen. Lebensnaher, mit anspruchslosen Mitteln sympathisch gestalteter Zirkusfilm. (filmdienst)

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