Unsere Geschichte – Von Bausünden und Bürgerprotesten (2018)

Inhalt

Norddeutschland lag nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Trümmern. Hamburg, Bremen, Kiel, Hannover, Hildesheim waren vom Bombenkrieg verwüstet. Leid und Kummer für die Bewohnerinnen und Bewohner. Doch Stadtplaner und Architekten sahen eine gute Gelegenheit, ihre Utopie von der neuen Stadt zu verwirklichen. Mittelalterliche Gassen und verwinkelte Höfe störten da nur. Licht und Luft sollte die Neubauviertel durchströmen. Wie Adern sollten breite Straßen den Verkehr durch die Stadt pumpen. Was der Krieg verschonte, opferten die Nachkriegsplaner allzu oft dieser Vision. In Hamburg plante der renommierte Architekt Ernst May Neu-Altona und wollte für den neuen Stadtteil die letzten Reste des alten Arbeiterviertels Altona abreißen.
In Hannover ging der energische Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht ans Werk und verordnete seiner Heimatstadt ein völlig neues Verkehrskonzept, dem viele historische Bauten zum Opfer fielen. In Bremen trennte man sich zugunsten eines Innenstadtrings emotionslos von alten Klöstern und prächtigen Gebäuden der Gründerzeit. Doch die Utopie der neuen Stadt zeigte schnell ihre Schattenseiten. In den Neubauvierteln stellte sich selten eine gute Nachbarschaft ein. Die schöne neue Stadt von morgen wurde allzu oft zum Problemquartier der Gegenwart. Zwischen den nüchternen Nachkriegsbauten und überdimensionierten Straßen rieben sich die Menschen die Augen und wollten ihre alte Stadt zurück. Gegen massive Widerstände der Fachleute wurden zum Beispiel in Hildesheim die Nachkriegsbauten am Marktplatz wieder abgerissen und neu aufgebaut im Stil des Mittelalters.
In der DDR war die Entwicklung ähnlich, nur Jahre später. Greifswald wurde vom Krieg verschont, dennoch hat die alte Stadt einen Großteil der Bebauung aus dem Mittelalter verloren, abgerissen noch in den 1980er-Jahren! Doch die Bürgerinnen und Bürger wehrten sich in Ost und West gegen den Kahlschlag. Zum Glück! Sonst hätte Norddeutschland so manche historische Innenstadt weniger. (Text: NDR)

Buch/Regie: Susanne Brahms, Rainer Krause

Kamera: Susanne Brahms

Schnitt: Birgit Hemmerling

Ton: Frank Buermann

Sprecher: Holger Postler

Redaktion: Michaela Herold

Produktionsleitung: Hannah Lenitzki

Produktion: Bremedia im Auftrag von Radio Bremen

Produktionsjahr: 2018
Laufzeit: 44 Min.

 

Der Film ist dentisch mit BOMBEN UND BAUSÜNDEN, dem ersten Teil der zweiteiligen Dokumentation Unsere Städte nach ’45

 

 
Deutsche TV-Premiere war am Das Erste
 
Zweiteilige Dokumentation über den Wiederaufbau der deutschen Städte nach dem Zweiten Weltkrieg. Vernichtete der Wiederaufbau tatsächlich mehr Bausubstanz als die Bomben? Warum fielen oft die allerletzten Reste historischer Altstädte Träumen aus Beton zum Opfer? Und welche Rolle spielten Architektenentwürfe von Albert Speer oder Rudolf Hillebrecht dabei? (Text: JN)

Sequenz

Inhalt

Länge

Laufzeit

1

Titelvorspann

00.17 Min

00.00 – 00.17 Min.

2 – 11

Hamburg

05.28 Min

00.17 – 05.45

2

Hamburg nach dem Krieg: Die historisch gewachsene Stadt „war endlich weg“

00.25 Min.

00.17 –  00.42 Min.

3

Statement Jörn Düwel, Architekturhistoriker

00.30 Min

00.42 – 01.12 Min.

4

Bilder vom „alten Hamburg“

00.22 Min

01.12 – 01.34 Min.

5

Planung  „Neu-Altona“ des Architekten Ernst May (1954)

00.28 Min.

01.34 – 02.02 Min

6

Bilder vom alten Hamburg-Altona: Quartier der „kleinen Leute“

00.22 Min.

02.02 – 02.24 Min.

7

Jörn Düwel zur neuen Bebauung mit Bildern von alten und neuen Hamburg unterlegt

01.03 Min

02.24 – 03.37 Min

8

Bilder von alten Hamburg

00.11 Min

03.37 – 03.48 Min

9

Architekt und Stadtplaner Ernst May

00.33 Min.

03.48 – 04.21 Min

10

Das „sündige“ alte St. Pauli sollte gleich mit abgerissen werden
„Stadtplanung der 1950er Jahre hatte immer auch den Geschmack von Ordnungspolitik“
Bestätigende Ä04.21 – 04.46ußerung eines Einwohners

00.25 Min.

 

04.21 – 04.46 Min.

11

Gegenüberstellung altes St. Pauli und Neu-Altona: Plädoyer im Kommentar: „Eindeutige Sprache“ für das „neue“ dagegen das Statement einer älteren Hamburgerin für die Altbauwohnungen.

00.49 Min

04.46 – 05.45

12 – 21

Hannover

06.07 Min

05.45 – 11.52

12

Blick auf das Rathaus – Gegenüberstellung das moderne Hannover: Breite Straßen,schlichte Bauten

00.20 Min.

05.45 – 06.05 Min

13

„Was der Vision von der neuen Stadt im Wege stand, wurde abgeräumt.“

Hillebrecht baute das neue Hannover in Rekordzeit wieder auf. Altbauten wurden versetzt in Traditionsinsel, dagegen Bilder von Neubauten der 50er Jahre

00.40 Min.

06.05.- 06.45 Min.

14

Niedersachsenstadion auf den Trümmern des alten Hannover, dazu Statement Hillebrecht zur Stadtplanung

00.28 Min.

06.45 – 07.13

15

Fahrrad-Demo gegen die „autogerecht Stadt“: Fußgänger und Radfahrer seien bei diesem Nachkriegskonzept vergessen worden. Statement Oliver Thiele (Criticak Mass)

00.46 Min

07.13 – 07.59

16

Bilder aus den 60er Jahren: „Hannover ist für die Wiederaufbau deutscher Städte beispielgebend“ dazu Statement Ulrich Merkel (Critical Mass) „… es wurde alles radikal platt gemacht und im Grunde genommen gab es auch einen Hass auf die alten Gebäude, was men eben heute noch schmerzlich merkt.“

00.30 Min

07.59 – 08.29 Min.

17

Abriss Flusswasserkunst

00.31

08.29 – 09.01

18

Sicht aus dem Rathaus. „Erfolgsgeschichte“. Dazu der ehemalige OB Herbert Schmalstieg

00.29

09.31 – 10.00

19

Ideen zum Wiederaufbau der Flusswasserkunst

Und Abriss Friederiekenschlösschen

 

00.30

10.00 – 10.30

20

Einschätzungen Hillebrechts:

Merkel: Er steht für die Radikalität des Stadtumbaus, der autogerechten Stadt, die zutiefst ungerecht ist gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern. Und das hat er im Grunde genommen mit seinem Masterplan hier in Hannover auch gegen massive Widerstände in den 50er Jahren durchgesetzt. Er war charismatisch, er hat die Politik auf seine Seite gezogen… aber es ist eben halt eine Verwüstung.“

00.33

10.30 – 11.03

21

Verkehrsplanung Hillebrechts und Statement von Werner Durth, Architekturhistoriker

00.49

11.03 – 11.52

 

Bremen

 

11.52 –

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Schon einmal haben sich Radio Bremen-Autorin Susanne Brahms und Rainer Krause dieses Themas mit der Filmdokumentation „Die zweite Zerstörung“ angenommen. Einem Zweiteiler, der die Bausünden der Nachkriegsjahre in Bremen aufzeigte. Nun legen Brahms und Krause mit einem weiteren Zweiteiler nach, wobei sie diesmal unter dem Titel „Unsere Städte nach ’45“ das gleiche Phänomen nur in größerem Rahmen unter die Lupe nehmen. Neben Bremen rückt vor allem Hannover ins Blickfeld, hinzu kommen Beispiele aus Essen, Ulm sowie Görlitz und Bernau in der früheren DDR.“


aus: Frank Hethey: Es droht die Nostalgiefalle, in: Weser Kurier 12.02.2017


Aus Bombentrümmern zur Vision der „neuen“ Stadt

Viele Städte in Norddeutschland liegen nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern. Architekten bietet das Raum für Utopien: Sie planen aufgelockerte und autogerechte Viertel, in denen historische Gebäude eher stören. > weiter

Bericht des NDR zum Film,  28.02.2023 09:35 Uhr

Ingenieure sollen nach 1945 in deutschen Innenstädten stärker gewütet haben als der Bombenkrieg zuvor – aber stimmt diese These überhaupt? Zwei Filmemacher reflektieren in zwei Teilen über „Unsere Städte nach ’45“. > weiter

Auszug aus: Viola Schenz: Neustadt, in: Süddeutsche.de vom 5. Februar 2017

(…)
An Selbstbewusstsein mangelte es den Städteplanern ganz gewiss nicht, das unterstreicht die Filmdokumentation am Beispiel von Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht aus Hannover. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ feierte ihn im Juni 1959 sogar mit einer Titelgeschichte. Den Wiederaufbau der niedersächsischen Landeshauptstadt pries das Magazin als „Wunder von Hannover“. Sein Verdienst: „Heute ist Hannover die einzige Stadt der Bundesrepublik mit einem System von Stadtautobahnen.“

Dass der charismatische Verkehrsplaner dafür verbliebene Reste von Altbausubstanz opferte, fiel nicht weiter ins Gewicht. Hillebrecht selbst konnte bis ins hohe Alter keinen Makel an seiner Städteplanung erkennen. Er war davon überzeugt, zum Wohle der Menschen gehandelt zu haben – sowohl durch den Bau von Verkehrsschneisen durch die Innenstadt als auch durch die Neukonzeption der Wohnbebauung.

Ein uneinsichtiger Betonkopf? Möglich, aber erklären kann das nichts. Bei aller berechtigten Kritik am Wiederaufbau der Nachkriegsjahre sollte man sich davor hüten, die Verantwortlichen zu dämonisieren. So zu tun, als sei es ihnen nur um die Erfüllung eigener Ambitionen gegangen. Und zwar ohne die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen im Blick zu haben. Von einem regelrechten „Hass auf alte Gebäude“ zu sprechen wie Ulrich Merkel von Critical Mass, einer Aktionsbewegung nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer, dürfte dann doch am Kern der Wahrheit vorbeigehen.

Die zerstörten Städte neu erfinden 

Zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Politik damals andere Schwerpunkte setzte. Der Wohnungsnot ein Ende zu bereiten, stand auf der Agenda ganz oben. Ebenso wie der Ehrgeiz, die zerstörten Städte noch einmal neu zu erfinden. Die Städte diesmal richtig zu bauen und nicht so chaotisch wie in den Gründerjahren. Dabei ging es nicht nur darum, dem Auto den Weg in die Innenstadt zu bahnen. (…)

Die Gelegenheit zum gründlich durchdachten Neustart wollte man sich nicht entgehen lassen. Zumal viele der Beteiligten in der legendären „Stunde Null“ keineswegs bei Null anfingen. In der Filmdokumentation kommt dieser Aspekt auch zum Tragen: Etliche Architekten brüteten schon in Kriegszeiten unter Albert Speer im „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte“. Nach Kriegsende musste man oft genug die alten Pläne nur noch aus der Schublade holen. Freilich unter Verzicht auf nun nicht mehr benötigte Parteibauten.

Noch ein anderer Punkt verdient nähere Betrachtung. Denn beim Blick auf die Bausünden der Nachkriegsjahre droht die Nostalgiefalle. Nur allzu leicht verklärt man die historistischen Monumentalbauten der Kaiserzeit als ästhetisch wertvolle Zeugnisse vergangener Baukunst. Und vergisst dabei, dass auch diese Gebäude einmal Neubauten waren, die zumeist ohne die geringste Rücksicht auf städtebauliche Zusammenhänge errichtet wurden. (…)


Auszug aus: Es droht die Nostalgiefalle, von Frank Hethey: Weser Kurier 12. Februar 2017

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