Staatsstreich in Preußen 1932

„Mit dem Preußenschlag (auch als Staatsstreich in Preußen bezeichnet) wurde am 20. Juli 1932 durch eine erste Notverordnung des Reichspräsidenten die geschäftsführende und legale Regierung des Freistaates Preußen durch den Reichskanzler Franz von Papen als Reichskommissar ersetzt. Eine zweite Verordnung vom selben Tag übertrug dem Reichswehrminister die vollziehende Gewalt in Preußen und schränkte die Grundrechte ein.

So ging die Staatsgewalt im von der Preußenkoalition unter dem Sozialdemokraten Otto Braun geführten größten Land des Deutschen Reiches auf die Reichsregierung von Franz von Papen über. Alle zivilgesellschaftlichen wie auch staatlichen Möglichkeiten des Protests oder Widerstands waren durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für illegal erklärt worden.“ (wikipedia, abgerufen: 12.01.2023)

 

 

 

Chronologie des Putsches

16.07.1932

Besprechung Severings mit dem SPD-Parteivorstand ; die Putschpläne sind bekannt. Die SPD entschließt sich zum „legalen Widerstand“.

17.07.1932

Der „Vorwärts“ gibt vor, im Falle eines Putsches werde die SPD zum Generalstreik aufrufen

20.07.1932

10:00 Uhr

Tagsüber

 

 

19:30 Uhr

Nach 19:30 Uhr

 

Die Preußen-Regierung wird abgesetzt.

Severing bleibt im Ministerium und vereinbart mit seinem Nachfolger, er werde seinen Platz räumen, wenn die Massen sich verlaufen haben.

Severing „weicht der Gewalt“.

Der Ausnahmezustand wird in Kraft gesetzt. Die Unterdrückung der kampfbereiten Arbeiter beginnt.

21.07.1932

,,Vorwärts“-Parole:
Kein Generalstreik, Kampf mit dem Stimmzettel!

1932 wurde Brüning durch den noch reaktionäreren von Papen als Notverordnungs-Reichskanzler ersetzt. Dieser sollte nun im sogenannten ,,Preußenschlag“ die letzte Bastion, die die Diktatur der Faschisten noch bedrohte, nämlich Preußen, beseitigen. Preußen war seit 1918 fast immer von der SPD regiert worden. Die SPD-Innenminister (Severing, Grzesinski) hatten die preußische Polizei weitgehend von aktiv konterrevolutionären Elementen gesäubert und „republikanisiert“. (Freilich war die Polizei noch immer ein Unterdrückungsinstrument gegen die Arbeiterklasse, wie sich am 1. Mai 1929 bei der blutigen Unterdrückung der Maidemonstrationen gezeigt hatte.) Die preußische Polizei war ein Machtfaktor, der die Errichtung der faschistischen Diktatur erheblich stören konnte.

Am 20. Juli 1932 machte die Reichsregierung unter Franz von Papen seinen Staatsstreich. Mit Artikel 48 erklärte er die preußische Regierung für abgesetzt und setzte sich selbst als Staatskommissar ein. Er wusste, worauf es ankam: er verhängte über Berlin und Brandenburg den Belagerungszustand, womit die vollziehende Gewalt auf den Berliner Wehrkreiskommandanten, General v. Rundstedt, überging, der nun auch über die Polizeitruppen verfügen konnte. Rundstedt enthob den Berliner Polizeipräsidenten und -vizepräsidenten sowie den Kommandanten der Schutzpolizei ihrer Ämter und nahm sie in Haft.

Von der Absicht des Staatsstreichs waren die preußische Regierung und die SPD vorher unterrichtet. Am 16.7., also vier Tage vor dem Staatsstreich, besprach sich der preußische Innenminister Severing mit dem Parteivorstand:

„In dieser Besprechung“, schreibt Severing, ,,habe ich dem Porteivorstand dargelegt, dass die Indizien sich mehrten, die auf die Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen noch vor den Wahlen (am 31.7.) hindeuteten. (…) Für die Haltung der sozialdemokratischen Minister in der Preußenregierung und der sie stützenden Parteien komme es maßgebend darauf an, in welchen Formen die Einsetzung erfolgen würde, ob die verfassungsmäßigen Bestimmung n gewahrt blieben oder ob sich Schleicher stark genug fühlen würde, sich über Verfassungsbestimmungen hinwegzusetzen. Dabei stelle sich die Frage, ob gegen ein ungesetzliches, von der Reichswehr gedecktes Vorgehen ein Einsatz der Polizei, gestützt von den Massen der Eisernen Front, möglich und geboten sei. Trotz aller Zersetzungsversuche sei die Berliner Polizei in ihrer Mehrheit der republikanischen Regierung treu ergeben. Im Hinblick auf die Gefechtsstärke der Reichswehr und der Polizei sei der Einsatz der Polizei aber nur dann zu vertreten, wenn man ihn auf eine Demonstration von kurzer Dauer beschränken würde. (…) Die Besprechung kam einmütig zu dem Ergebnis, bei allem, was kommen möge, die Rechtsgrundlase der Verfassung nicht zu verlassen.“

(Carl Severing: Mein Lebensweg, Bd. II, Köln 1950, S. 347)

Am 17.7. forderte der ,,Vorwärts“, das Zentralorgan der SPD, die Arbeiter auf, sich für einen Generalstreik bereitzuhalten:

Wenn sich jemand in Deutschland einbilden sollte, daß die Organisationen der Eisernen Front eine Aufhebung der republikanischen Verfassung des Deutschen Reiches dulden würden, dann befände sich dieser Jemand in einem verhängnisvollen Irrtum. Es genügt vollkommen, wenn wir in diesem Zusammenhang auf den Ausgang des Kapp-Putsches hinweisen. Und damals gab es noch zwei sozialistische Parteien, die einander heftig befehdeten, was wieder auf die Beziehungen zu den Gewerkschaften ungünstig zurückwirkte. Ein Reichsbanner gab es damals überhaupt noch nicht und von einer Eisernen Front konnte erst recht keine Rede sein.

Dies ausgesprochen, damit jedermann weiß, woran er ist, möchten wir ober auch davor warnen . . ., die Aufrufe der KPD zu Protest- und Gewaltstreiks von mehr oder weniger kurzer Dauer aus irgendeinem Anlaß ernst zu nehmen.

Wir lassen diese letzte, entscheidende Waffe des Proletariats nicht durch Pfuscher abstumpfen. Ob und wann sie einzusetzen ist, darüber entscheiden allein die verantwortlichen Organisationen. Sie werden, wenn es um die Lebens- und Grundrechte der Arbeiterklasse geht, ohne zu zaudern mit der vollen Wucht der Organisationen zuschlagen.“
(,,Vorwärts“, Berlin, 17.7. 1932.Morgenausgabe)

Am 20. 7. um l0 Uhr wurden Severing und die preußischen Minister zum Reichskanzler gerufen, der ihnen mitteilte, dass sie abgesetzt seien und der Putsch durchgeführt werde. Die preußische Regierung protestierte und beschloss, eine Verfassungsklage einzureichen. Sie forderte nicht zum Generalstreik auf, noch ergriff sie Maßnahmen zur Bewaffnung der Arbeiter.

Aus den Erinnerungen des ehemaligen Staatssekretärs im preußischen Ministerium des Innern Wilhelm Abegg an den 20. Juli 1932:

,,Severing empfing am Vormittag des genannten Tages gemäß telefonisch getroffener Vereinbarung den zur Verwaltung des preußischen Innenministeriums zunächst ausersehenen Oberbürgermeister Dr. Bracht aus Essen, der sich … dem damaligen Reichskanzler von Papen zur Verfügung gestellt hatte; beide verhandelten unter vier Augen allein.

Danach hat mir Severing erzählt: Er habe sich auf das Verlangen zur Räumung seines Postens dahin geäußert, daß er nur der Gewalt weichen würde; Bracht habe erwidert: Die könne er aufbringen; worauf vereinbart worden sei, daß die Entsetzung des preußischen Innenministers mit Gewalt zur Vermeidung öffentlichen Aufsehens erst am Abend in der Dunkelstunde vor sich sehen solle. Bracht ist dann, nachdem sich die tagsüber vor dem Innenministerium aufgetauchte, aber ruhig gewesene Menge verlaufen hatte, gegen 19 ½ Uhr mit dem von Papen zum Polizeipräsidenten von Berlin bestimmten Polizeipräsidenten Dr. Melcher, gleichfalls aus Essen, und dem zum neuen Kommandeur der Berliner Schutzpolizei designierten Polizeioberst Poten im Innenministerium erschienen. Daraufhin hat Severing nicht nur das Zimmer, sondern auch das Amt aufgegeben.“
(aus: Deutsche Rundschau (Berlin), 1947 ,H. 8, S. 137)

Wie Severing in seinen Memoiren berichtet, waren „von den 85.000 bis 90.000 Polizeibeamten Preußens … nur 30.000 Mann für einen bewaffneten einsatz kaserniert und in Kampfbereitschaft.“ (Severing, a. a. O., S. 354)

Severing mobilisierte die Polizei nicht. Am nächsten Morgen (21.1.) erschien der „Vorwärts“ mit der Parole „Kein Generalstreik“ und der Aufforderung, am 31.7., dem Tag der Reichstagswahl, die Nazis mit dem Stimmzettel zu schlagen:

„Der Kampf um die Wiederherstellung geordneter Rechtszustände in der deutschen Republik ist zunächst mit aller Kraft als Wahlkampf zu führen. Es liegt beim deutschen Volke, durch seinen Machtspruch am 31. Juli dem gegenwärtigen Zustand ein Ende zu bereiten, der durch das Zusammenwirken der Reichsregierung mit der nationalsozialistischen Partei entstanden ist. Die Organisationen sind in höchste Kampfbereitschaft zu bringen. Strengste Disziplin ist mehr denn je geboten. Wilden Parolen von unbefugter Seite ist Widerstand zu leisten. Jetzt vor allem mit konzentrierter Kraft für den Sieg der Sozialdemokratie am 31. Juli!“

Die Putschisten warteten gespannt, wie sich die Arbeiter verhalten würden. Die „Berliner Börsenzeitung“ schrieb am 21.7.1932: „Die Hauptsorge war, ob die Gewerkschaften und Sozialdemokraten den Generalstreik proklamieren würden oder nicht.“ Hugenbergs ,,Berliner Lokal-Anzeiger“ schrieb : „Daß die Sozialdemokratie ihre Leute bremst und auf den Wahltag vertröstet, ist erfreulich.“

In den Versammlungen der SPD waren große Teile Arbeiter entschlossen, loszuschlagen, denn viele hatten den Artikel des „Vorwärts“ vom 17.07. als Aufruf zur Bereitschaft für den Generalstreik verstanden. Aber die SPD-Führung wiegelte ab. Erst als am Abend des 20.07. Severing in aller Stille seinem Nachfolger das Amt übergab, wurde der Ausnahmezustand in Kraft gesetzt und die kampfentschlossenen Arbeiter wurden in den folgenden Tagen blutig unterdrückt


„Rückblickend lässt sich sagen, daß bei ruhiger Überlegung ein anderes Handeln nicht möglich war und daß es von der sozialdemokratischen Partei ihrer ganzen Mentalität und Geschichte nach auch nicht zu erwarten war. (…) Die Sozialdemokratie war seit Jahrzehnten eine Partei der ruhigen Entwicklung, der verstandesgemäßen Erwägung, der-gewaltlosen Verständigung – hätte sie das Signal zum Losschlagen gegeben, so hätte sie versucht, als etwas zu erscheinen, was sie nicht war.“

(F. Stampfer, a. a. O., S. 632)

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