Drogen- und Sozialarbeit in Hannover
Der Film über die Situation der hannoverschen Suchthilfe vor 40 Jahren vermittelt einen interessanten Eindruck in die damalige Lebenswelt von Abhängigen illegaler Drogen, die an einigen Stellen gleichzeitig auch sehr aktuell ist:
Damals wie heute waren und sind der Raschplatz und die damalige Passerelle Orte der offenen Drogenszene. Auch wenn der ein oder andere Ort im Laufe der Zeit dazukam oder wegfiel, gab es eine kontinuierliche räumliche Nähe zum Hauptbahnhof. Das Selbstverständnis der Straßensozialarbeit, mit einem niedrigschwelligen Ansatz einen ersten Kontakt zu den Suchtkranken aufzubauen und sie zu motivieren, weitergehende Hilfen (Notschlafstelle, medizinische Versorgung, Entgiftung etc.) in Anspruch zu nehmen, ist auch der Arbeitsauftrag für 2023.
Gleichzeitig gibt es auch große Unterschiede:
- früher war nur der abstinenzorientierte Ansatz die Grundlage, pädagogische und medizinische Hilfen in Anspruch zu nehmen. Erst zu Beginn der 1990er Jahre änderte sich das Hilfesystem und es kamen der akzeptierende Ansatz und inzwischen auch der kontrollierte Konsum hinzu.
- bei vielen Erkrankten war vor 40 Jahren noch pro Person in der Regel eine Abhängigkeit zu beobachten (Trinker, „Fixer“/Heroin etc.). In den letzten Jahren ist immer häufiger der polytoxe Konsum zu beobachten, also eine Mehrfachabhängigkeit von illegalen und legalen Drogen. Dies erschwert das Hilfsangebot sehr.
- Im Laufe der letzten 40 Jahre kam der Konsum von neuen Drogen wie Crack, Fentanyl, „Legal Highs“ und anderen in Hannover dazu.
- Besonders der Mehrfachkonsum verschiedener Substanzen und die mitunter jahre- oder jahrzehntelange Abhängigkeit haben zu einer deutlichen Verelendung der Menschen geführt. Insofern findet heute, im Gegensatz zu damals, der Kontakt der Straßensozialarbeit ausschließlich im öffentlichen Raum statt. Kneipen und Discos sind nicht mehr Orte für die Suchtkranken heute.
- Heute sind die Menschen in der offenen Szene durchschnittlich deutlich älter als die Abhängigen im Film. Durch die verbesserten medizinischen Hilfen und die psychosozialen Angebote, hat sich die Lebensdauer von süchtigen Menschen deutlich verlängert. Dies zeigt sich auch in der Statistik der Anzahl von Drogentoten: Während diese Zahl in den 1980er Jahren stieg und 1992 mit 65 Toten ihren Höhepunkt erreichte, sind in den letzten Jahren zwischen 8 und 13 Personen jährlich aufgrund ihres Drogenkonsums gestorben.
Frank Woike