Der Einheit der Nation verpflichtet (1985)

Inhalt

Aus dem Blickwinkel des Jahres 1985 gibt Joachim Paschens Film „Der Einheit der Nation verpflichtet“ eine historische Darstellung zur Teilung Deutschlands und Europas durch den Eisernen Vorhang. Nachgezeichnet werden die Ereignisse von der Festlegung der Besatzungszonen durch die Alliierten über die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, Berlin-Blockade und der Gründung der beiden deutschen Staaten bis hin zum Mauerbau im August 1961, wobei neben Originalfilmmaterial vor allem Kartenübersichten zum Einsatz kommen. Der Aufstand des 17. Juni 1953, hier nur eine historische Episode unter vielen, wird von Paschen als Beweis für die Unmöglichkeit einer revolutionären Umwälzung der Verhältnisse gewertet, solange die faktische Macht bei der UdSSR liegt.

Titel: Der Einheit der Nation verpflichtet. Ein Kontinent wird geteilt.
Regie: Joachim Paschen
Schnitt: Ursula Dalchow
Produktion: Institut für Film und Bild Realisation Multimedia
Land: Bundesrepublik Deutschland 1985
Länge: 31.43 Minuten

Nr.

Inhalt

Länge

Zeit im Film

1

Wachablösung am sowjetischen Ehrenmal im britischen Sektor Berlins: „eine östliche Enklave in einer westlichen Enklave im Osten“. Schwenk auf den Reichstag, schwarz-rot-gelbe Fahne in Nahaufnahme. Titeleinblendung vor dem Hintergrund des Brandenburger Tors.
Ansichten der innerdeutschen Grenze („Sinnbild der gewaltsamen Teilung eines Landes, eines Kontinents“). Kommentar: „Die Teilung Deutschlands und Europas war kein Ergebnis einer zwangsläufigen Entwicklung…“

3.26

0.00 – 3.26

2

Historischer Rückblick: Luftkrieg über Berlin im Herbst 1944. Londoner Konferenz am 12. September 1944: Kartendarstellung der drei geplanten Besatzungszonen, spätere Korrekturen der Demarkationslinien. Farbiges Schmalfilmmaterial: Zusammentreffen von US- und Roter Armee bei Torgau an der Elbe, Konferenz von Potsdam Juli / August 1945. Kartendarstellung der Besatzungszonen im Sommer 1945; Grenzverschiebungen Russlands und Polens nach Westen; Vertreibung der Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, aus der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien: 12 Millionen Deutsche verlieren ihre Heimat, 2 Millionen kommen ums Leben. Farbige Schmalfilmaufnahmen: Opfer tschechischer Rache, Elendszüge der Vertriebenen; Trümmerwüsten.
Ausführungen zu der Versorgungskrise der Nachkriegsjahre; Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft und deren Würdigung durch Bundeskanzler Helmut Kohl. Polnische Umsiedlungen nach dem Krieg in ehemals deutsches Staatsgebiet. Redeausschnitt Kohl: Anerkennung der polnischen Interessen.

10.17

3.26 – 13.43

3

Kartendarstellung der Sowjetisierung Osteuropas, beginnend mit Ostpolen im Herbst 1939.
Elend in Ostdeutschland. Durchsetzung des politischen Systems der Besatzungsmacht. Zeitgenössische Plakate als Belege dafür, dass die Einheit Deutschlands noch nicht in Frage gestellt wurde.
Kartendarstellung: Wirtschaftlicher Zusammenschluss der West-Zonen als Bi- und Trizone. Marshallplan, Währungsreform. Kartendarstellung der Verbindungswege nach Westberlin, Berlin-Blockade Juni 1948 bis Mai 1949, Luftversorgung durch die Westmächte.
Erste Sitzung des Deutschen Bundestages in Bonn, Gründung der DDR am 7. Oktober 1949.

7.09

13.43 – 20.52

4

Aufstand des 17. Juni 1953 und Schlussfolgerung, „dass eine Änderung der Verhältnisse in der DDR von innen nicht möglich ist, solange Moskau sie nicht wünscht.“
Ergebnislose Verhandlungen zur deutschen Einheit. Gründung der Bundeswehr und NATO-Beitritt der BRD. Aufnahmen einer NVA-Parade in Ost-Berlin.
Flüchtlingsmassen aus Ostdeutschland (3 Millionen zwischen 1945 bis 1961). Mauerbau durch Berlin, Ausbau der Flüchtlingssperren an der innerdeutschen Grenze.

7.09

20.52 – 28.01

5

Politisches und soziales Leben in der DDR: militärische Grußformeln und Indoktrination in der Schule, Wehrerziehung, Wahlberichterstattung im DDR-Fernsehen 1984.
Gegendarstellung: freie Wahlen im Westen, EU-Wahlen.
Aufnahmen der „schärfstbewachte(n) Grenze der Welt“: „Und doch: Auf beiden Seiten der Grenze – auch drüben – ist Deutschland.“

3.42

28.01 – 31.43

Aufgrund der prägnanten Darstellung der wesentlichen Ereignisse zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Bau der Berliner Mauer bietet sich der Film „Der Einheit der Nation verpflichtet“ besonders als Einführung in die deutsche Nachkriegsgeschichte an. Die Tendenzen des Kommentars erfordern aber, den Film nicht einzig zum Zweck der Informationsvermittlung zu verwenden, sondern ihn vielmehr in seine Entstehungszeit, die Phase der sich abkühlenden Ost-West-Beziehungen zwischen 1979-85, einzuordnen. Ausführliche Angaben zum historischen Entstehungshintergrund sind unter dem Film  Jene Tage im Juni“ abrufbar. Der Film spiegelt auch das Geschichtsbild der frühen Kohl-Ära, in der einerseits die Fortführung der sozialliberalen Ostpolitik betrieben wurde, sich andererseits aber eine Hinwendung zu einer zum Teil einseitig konservativ-emotionalisierenden Geschichtsdarstellung vollzog.

Joachim Paschen ordnet den Aufstand des 17. Juni 1953 in eine Darstellung ein, die die Ursache für den innerdeutschen Konflikt in der Sowjetisierung Osteuropas und die Schuldigen an der Festigung dieses Zustands in der DDR-Führung sieht: So begründet der Kommentar die deutsche Teilung einseitig mit der Staatsgründung der DDR (Sequenz 3). Der Aufstand, der nur kurz behandelt wird (Sequenz 4), wird als Beleg dafür gewertet, dass aus dem Inneren der DDR heraus keine Veränderung des bestehenden Systems zu erwarten ist.Im Kontext der drei grundlegenden Thesen zum 17. Juni:

  1. Protest gegen die Normerhöhungen, nicht aber gegen das System der DDR als solches
  2. Protest / Aufstand gegen das politische System der DDR, bei dem die Normerhöhungen nur Anlass waren
  3. Vom Westen initiierter bzw. gesteuerter Aufstand, um die DDR zu destabilisieren

stützt der Film eindeutig die These 2.

Die folgenden Fragen sollten bei der Bearbeitung des Films eine Rolle spielen:

  1. Wie ist der Film strukturiert, wie nähert er sich seinem Thema an? Siehe hierzu auch das Sequenzprotokoll.
  2. Neben historischem Filmmaterial nehmen vor allem die Kartendarstellungen einen großen Teil des Films ein. Zu welchem Zweck werden sie eingesetzt?
  3. Was für Redemitschnitte werden im Film gezeigt?

Neben der Eröffnung des ersten deutschen Bundestages durch Paul Löbe stammt der einzige im Film gezeigte Redemitschnitt von Helmut Kohl (1985). Kohl würdigt darin zum einen die Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft und erkennt zum anderen die polnischen Interessen an den ehemals deutschen Ostgebieten an, was einer Absage an den Revanchismus-Gedanken gleichkommt.

  1. Der Aufbau des Films ermöglicht die Verwendung einzelner in sich abgeschlossener Sequenzen zur Darstellung historischer Ereignisse wie:

– der Aufteilung Deutschlands, ihrer Vorgeschichte und Ursachen- die Flüchtlingsproblematik- wirtschaftlicher Aufbau im Westen- der Sowjetisierung Osteuropas- dem Aufbau des Sozialismus in der DDR- die Eingliederung der BRD in die NATO bzw. der DDR in den Warschauer Pakt- den Mauerbau im August 1961

  1. An welchen Stellen könnte die filmische Darstellung als tendenziös bezeichnet werden? Wo wird besonders auffällig die Negativ-Darstellung des SED-Staates bezweckt?

Sequenz 5 (Politisches und soziales Leben in der DDR) bringt Beispiele für die Indoktrination und Wehrerziehung von Schulkindern und für das in den staatlichen Medien zum Ausdruck gebrachte „Demokratieverständnis“. Dieser Ausschnitt aus dem DDR-Fernsehen wird kontrastiert mit wenig aussagekräftigem Filmmaterial von Hochglanzwerbebroschüren, die für die EU-Parlamentswahlen hergestellt werden.

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