Hannover wird Messestadt

1947 hatte Hannover unter der britischen Regierung die Chance zum Aufbau eines neuen Messestandortes für deutsche Exportgüter erhalten.1)  Nach Einschätzung der Militärregierung schien die Ausrichtung einer Messe für die Deutschen geradezu ideal, um wirtschaftliche Kontakte zum Ausland neu zu beleben bzw. aufzubauen, ,,aber auch, um der Welt eine erfolgreiche britische Besatzungspolitik vorzuführen.“ 2)

“Die Deutschen sollten – zur Entlastung des britischen Staatshaushaltes – in die Lage versetzt werden, die zur Einfuhr der dringend notwendigen Lebensmittel und Rohstoffe erforderlichen Devisen selbst zu erwirtschaften. „3)

Im April 1947 erließ  Brian Robertson, der Militärgouverneur der britischen Zone, eine Direktive zur Ausrichtung der Messe:

„Vom 18. August bis 7. September 1947 hat eine Exportmesse stattzufinden. Am 18. August um 11 Uhr wird sie eröffnet. Die Deutschen sind dafür verantwortlich, dass die Exportmesse ein Erfolg wird.“ 4)

Auf Initiative des niedersächsischen Wirtschaftsministers Alfred Kubel und des Oberstadtdirektors Gustav Bratke wurde 1947 die Deutsche Messe- und Ausstellungs-A. G. Hannover-Laatzen gegründet, die am 16. August 1947- zwei Tage vor Beginn der Messe –  mit einem Grundkapital in Höhe von 1,2 Millionen Reichsmark in das Handelsregister eingetragen wurde. Auf diese Weise legte man den Grundstein für die internationale Etablierung des Messeplatzes Hannover und den Erfolg der seitdem stattfindenden Hannover-Messe.

Am Stadtrand von Hannover auf dem Gelände und in den Hallen der zur Demontage vorgesehenen Vereinigten Leichtmetallwerke wurde die Messe vorbereitet. Nach nur 123 Tagen wurde am 18, August 1947 durch General Sir Gordon McReady und Erich Köhler, Präsident des Zweizonenwirtschaftsratesdie erste Export-Messe eröffnet. 5)

Die Messe sollte den wirtschaftlichen Wiederaufbau ankurbeln. Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates der Bizone, Erich Köhler, gab dieser Hoffnung Ausdruck:

„So möge denn diese Exportausstellung ein Zeugnis deutschen wirtschaftlichen Könnens und Wollens sein. Ein wichtiger Schritt vorwärts sowie der Eingliederung der deutschen Wirtschaft in die Weltwirtschaft.“ 3)

Die Messe dauerte 21 Tage und wurde von 736.000 Besuchern besucht. Bestellungen war nur durch das Fachpublikum und nur auf ausländische Rechnung erlaubt. Es wurden 1.934 Exportverträge über insgesamt rund 31,6 Millionen US-Dollar geschlossen. Ausländische Besucher waren aus insgesamt 53 Nationen gekommen, zur Hälfte aus Übersee. 6)

Schon im folgenden Jahr musste die Ausstellungsfläche verdoppelt werden, und die Ausstellerzahl kletterte  von 1.298 auf 2.300.“  In den Folgejahren wurden das Gelände und Infrastruktur dann kontinuierrlich ausgebaut, ebenso das Programmangebot. 1950 beteiligten sich dann erstmals ausländische Aussteller an der Messe, die zum „Schaufenster“ des deutschen Wirtschaftswunder und Hannover zum festen Standort für dieses „Schaufenster“.

Hannover Messe, Messestand „Märklin“ Export-Messe in Hannover 1947 U.B.z.: Stand der Firma „Märklin“, deren Spielzeugschau ein grosser Anziehungspunkt bedeutete, allerdings für „deutsche Besucher“ nicht erwerblich. Illus-ADN 792-47 [Hannover, Messe.- Modellbahn auf dem Messestand der Firma „Märklin“]

 


  1. In Leipzig hatte bereits 1946 eine erste Messe stattgefunden, aber dieser Standort in der russischen Zone war für die britische Besatzungsmacht wirtschaftspolitisch uninteressant. Nachdem Düsseldorf die Ausrichtung einer Messe abgelehnt hatte – weil man ihr keine Zukunftschancen einräumte – wurde Hannover das Angebot unterbreitet.
  2. Anpacken und Vollenden. Hannovers Wiederaufbau in den 50er Jahren. Hrsg.: Historisches Museum Hannover, 1993. S.45
  3. Ebd. S. 45
  4. Wolfgang Stenke: Vor 75 Jahren eröffnet. Die erste „Export-Messe“ in Hannover. In: Kalenderblatt (Rundfunksendung auf DLF). 18. August 2022 [abgerufen am 18. August 2022].
  5. Chronik S. 215
  6. „Der Publikumsandrang war überwältigend, nicht nur wegen der markenfreien Fischbrötchen, von denen 1 Millionen während der Messetage verkauft wurden, sondern vor allem die deutschen Firmen hatte auf die Gelegenheit gewartet, die durch den Krieg unterbrochenen Kontakte zu ausländischen Firmen wieder aufzunehmen.“  Martin Thunich: Strukturpolitik als Daueraufgabe. Niedersachsens Wirtschaft im Wandel. In: Niedersachsen. Streiflichter aus 50 Jahren. Hrsg. v. d. Niedersächsischen Landeszentral für politische Bildung, Hannover 1996, S. 50/51
  7. Wege aus dem Chaos. a.a.O.. S. 134

Zahle zur ersten Exoport  Messe

Auf dem Freigelände und in sechs Hallen stellen 1.337 Firmen Industrieerzeugnisse und Gebrauchsgüter aus. 1.929 Exportaufträge im Wert von 31.237.693 US-Dollar wurden abgeschlossen.; ca. 750.000 Besucher, darunter 4.000 Kaufinteressenten aus 53 Ländern wurden gezählt. 

Die markenfreie Abgabe von Fischbrötchen (ca. 1 Mio. Brötchen mit etwa 60 to Fisch) führt zur Bezeichnung »Fischbrötchen-Messe«.

Chronik

1947

10.04.1947 
Der Rat beschließt die Durchführung der Messe und städtische Beteiligung an der Messe AG in Höhe von 1 Mio. RM.

General Sir Brian H. Robertson, Oberbefehlshaber in der britischen
Besatzungszone, gibt bekannt, daß als Gegenstück zur Leipziger Messe vom 18.08. bis 07.09. d. J. auf dem Gelände der Leichtmetallwerke in Laatzen bei Hannover eine Messe stattfinden wird, die mit dem Ziel, den Export aus der vereinigten anglo-amerikanischen Zone zu fördern, der wieder zu belebenden Wirtschaft ein »ein Fenster zur Welt« öffnet

16.04.1947
Beginn der Räumung der Hallen der
Vereinigten Leichtmetallwerke.

18.08.1947
Nach einer Vorbereitungszeit von nur 123 Tagen Eröffnung der »Export-Messe« durch General Sir Gordon McReady und Erich Köhler, Präsident des Zweizonenwirtschaftsrates.

An den 21 Messetagen kamen rund 736.000 Besucher aus 53 Ländern nach Hannover. Es wurden Exportverträge über insgesamt fast 32 Millionen US-Dollar geschlossen.

1948

04.05.1948
Als Reaktion auf die infolge des »Kartoffelkrieges« erfolgte Reduzierung der Brotzuteilung Streik der Arbeiter auf dem Messegelände; vom 08. – 11.05. ruht jede Arbeit.

14.05.1948
Der englische Deutschlandminister Lord Pakenham überzeugt sich dem
Messegelände vom Fortgang der Arbeit und zeigt sich befriedigt.

22.05.1948
Eröffnung der 2. Export-Messe durch Ludwig Erhard und den brit.
Messebeauftragten Dyron: »Das ist der Anfang einer Weltmesse«, in der
Zentralhalle des Rathauses.

22.05.1948
Rechtzeitig zur 2. Messe beginnt das NWDR-Studio Hannover mit seiner täglichen Sendereihe »Funkbilder aus Niedersachsen«.

01.06.1948 Sir Brian Robertson besucht die Export-Messe

09.09.1948
H. W. Kopf eröffnet auf dem Messegelände die »Deutsche Presseausstellung«, die in einem geschichtlichen Überblick den Kampf um die Pressefreiheit und das
Verhältnis der Presse zum Staat veranschaulicht.

Trotz fast verdoppelter Ausstellungsfläche und
Ausstellerbeteiligung bleibt das Auftragsvolumen mit 15.146.000 Dollar infolge der Dollarschwäche der europäischen Nachbarländer und der bevorstehenden Währungsreform hinter 1947 zurück.

24.11.1948:
Konstituierende Sitzung des von Kubel ins Leben gerufenen Ausstellerbeirats, um die Wirtschaft am weiteren Ausbau der Messe zu beteiligen.

1949

Umbenennung der Deutschen Exportmesse in deutsche Industriemesse und Teilung in Mustermesse, Konsumgüterschau und Technische Messe (Die Teilung wird 1954
wieder aufgehoben)

 22. – 28.04.1949
20. – 30.05.1949

22.04.1949
Auf dem britischen Militärflugplatz Bückeburg landet die erste Maschine mit Messegästen, die mit Autobussen nach Hannover weiterbefördert werden.

Am 22.041949 wurde in Hannover die dritte Exportmesse eröffnet. Auf rund 68.000 qm Fläche haben etwa 2.600 Firmen ausgestellt. Zum ersten Mal waren auch Aussteller aus der französischen Zone vertreten.

Datenübernahme aus: STADTARCHIV HANNOVER: Stadtchronik Mlynek/Röhrbein – Von den Anfängen bis 1988

 


Folgen des Erfolgs für die Stadt

Die erfolgreiche Entwicklung der Messe bedeutete für Hannover zugleich, dass die Stadt in- und ausländischen Messebesuchern adäquate Unterkünfte und ein vielfältiges kulturelles Angebot bereitstellen musste.

Zur Vorbereitung, Durchführung und Beschaffung von Unterkünften für Aussteller und Besucher bei der Stadt wurde bereits am 15. April 1947 ein  Messeamte eingerichtet. Vor allem die sog. „Messemuttis“ waren es, die in den Folgejahren verlässlich Übernachtungsmöglichkeiten bereitstellten, so dass trotz der begrenzten Hotelkapazitäten die Unterbringung der Besucher realisiert werden konnte.

Steigerung der Attraktivität der Stadt durch kulturelle Angebot für Messe-Besucher

Zur ersten Messe wurden mehrer kulturelle Veranstaltungen angeboten:

  • 15.07.1947: Große Wilhelm-Busch-Ausstellung im Kestner-Museum eröffnet, auch als Begleitprogramm zur Messe gedacht.
  • 18.08.1947: Rechtzeitig zu Messebeginn Eröffnung des »Alu-Palastes« am Aegi (Direktion Alex Guido) mit Erstaufführung der Revue »Liebesexpress«, Hauptrolle: Willy Fritsch.

Zu der Ausweitung des kulturellen Angebotes 1948 zählte dann auch der provisorische Neubau des Café Kröpcke. den Innenstadtbereich für in- und ausländische Besucher der ersten Exportmesse in Hannover attraktiver zu gestalten.

Beginn der Städtepartnerschaft mit Bristol

m Zusammenhang mit der Messe beginnt die erste Städtepartnerschaft Hannovers. Am 31.08.1947 besucht eine fünfköpfige Goodwill-Mission aus Bristol unter Führung des Ratsherrn St. John Reade und des Germanisten Prof. Dr. Closs Hannover.

Zur „Attraktivitätssteigerung“ sollte auch beitragen, dass im Hinblick auf die Messe im August 1947 am Hauptbahnhof Holz- und Wellblechbaracken sowie die Imbißhallen – Brennpunkte des Schwarzen Marktes – vom Ernst-August-Platz teils auf den Raschplatz versetzt werden. Aber der Schwarzmarkt etabliert sich zugleich auch vor und auf dem Messegelände.

Neuaufbau des Café Kröpcke

Der provisorische Zeltaufbau des ’neuen‘ Café Kröpcke zählte 1948 zu den ersten Versuchen, den Innenstadtbereich für in- und ausländische Besucher der ersten Exportmesse in Hannover attraktiver zu gestalten. Zu der Ausweitung des kulturellen Angebotes zählte – wie schon erwähnt- der provisorische Neubau des Café Kröpcke. Dieses Café, im Herzen der Stadt, zählte bis zu seiner Zerstörung zu einem der beliebtesten Treffpunkte in der Innenstadt. Hier trafen sich Verliebte, Künstler, Prominente, Hausfrauenclubs etc. Der vielfach unterteilte Raumzuschnitt des Cafés ermöglichte ein ungestörtes Beisammensein der unterschiedlichsten Menschen unter einem Dach. Bei schönem Wetter zog es die Besucher in den Cafégarten, der hinter dem Gebäude lag und 2.500 Plätze bot. Angesichts der früheren Beliebtheit des Cafés war es nicht verwunderlich, dass sich die Gemüter vieler Hannoveraner erregten, als sie erfuhren, dass der Cafézutritt während der Messezeit “nach 18.00 Uhr nur gegen Vorlage des Messeausweises und einer Zahlung von 2 RM“ 6) gestattet war.

Der Neuaufbau des Cafés bzw. sein Name weckte vermutlich bei vielen Hannoveranern Erinnerungen an das Großstadtleben vor dem 2. Weltkrieg. Aber nicht nur Erinnerungen an ein Gestern wurden mit diesem provisorischen Bau wachgerufen, sondern vielmehr ein Zeichen für ein morgiges pulsierendes Großstadtleben gesetzt.

Medienbeiträge zur ersten Messe 1947

Berichte über die Export Messe bzw. später Industrie Messe und Hannover Messe waren jährlich ein Standardbeitrag in den Wochenschauen, so wie auch  in der Nachfolge regelmäßig im Fernsehen über die Messe berichtet wurde und wird.
Die Messe war und ist aber auch ein bedeutsames Thema für retrospektive historische Darstellungen. Zwei sehr unterschiedliche Beiträge werden hier Vorgestellt. Der  Peitrag von Planet Wissen ist iin erster Linie für den Schulunterricht gedacht, das DLF-Kalenderblatt richtet sich an historisch Interessierte.

Näheres zu den einzelnen Beitragen und zur pädagogischen Arbeit  mit ihnen sie die  Materialien zur Unterrichtseinheit: Wie aus der „Fischbrötchen-Messe“ die Hannover Messe wurde

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