Weitere Kinogründungen

Der Cinématographe Lumière bekam in Hannover schon am 20. Dezember 1896 Konkurrenz. In der Ständehausstraße 1 etablierte sich das Theater für „Lebende Photographien“ und kündigte ein „Sensationelles Programm“ an. Über die erste Vorführung schreibt das Hannoversche Tageblatt am 22.12.1896:

„Seit vorigem Sonntag werden in dem Parterrelocale Ständehausstraße 1 lebende Photographien von L. Normandien (System Toly) gezeigt. Die Bilder entstehen in der bekannten Weise durch blitzschnelles Auswechseln von Platten in einem Photographie-Apparate, und zwar erfolgt die Auswechslung so schnell, dass in einer Secunde 20 bis 24 Aufnahmen, in einer Minute also deren über 1200 von dem selben fortlaufenden Vorgange gemacht werden. Durch einen anderen Apparat werden nun die so gewonnenen Bilder in vergrößertem Maßstabe auf einen weißen Wandschirm geworfen und zwar auch in dem selben schnellen Wechsel der Platten, wodurch der Zuschauer das Bild des vollen Lebens gelingt. Welche Umstände es verursacht, ein einziges dieser in wenigen Minuten sich abspielen lebenden Bilder hervor zu bringen, mag man daraus ersehen, dass zum Beispiel zur Vorführung des Einzuges des russischen Kaiserpaares in die Champs Elysées zu Paris nicht weniger als 6.000 verschieden Platten erforderlich sind. Dies ist aber auch das umfänglichste Ereignis, dass der Apparat zur Darstellung bringt, und seine Vorführung von der Erscheinung des ersten Vorreiters bis zu den letzten Wagen des Gefolges währt mehr als vier Minuten. Ein sehr wechselvolles Bild ist auch die Ansicht des Place de la Madeleine in Paris mit seinem starken Verkehre an Fußgängern und Fuhrwerken. Neben solchen Aufnahmen von Straßenszenen bietet das neue Unternehmen auch Genrehaftes, so zum Beispiel in Ein kleines Malheur, eine Szene im Cafe, bei der ein nach verkehrter Richtung sich entladender Siphon eine Hauptrolle spielt. Damit aber auch das Ohr bei dem Besuche dieser Unterhaltung zu seinem Rechte komme, ist dem selben Raume ein vortrefflich arbeitendes „Graphophon“ aufgestellt, dass früher fixierte Musikstücke, so zum Beispiel ein Xylophon-Solo, Opernarien etc., ferner auch Reden mit großer Schärfe und Klarheit wiedergibt, so dass man jeden Ton deutlich wahrnehmen, jedes gesungene oder gesprochene Wort verstehen kann. Dieser Apparat erhöht das Interesse an dieser Unternehmung wesentlich.“

Noch im Februar 1897 tauchten die laufenden Bilder an einem dritten Ort in Hannover auf: als Teil der Varieté-Vorstellung im Mellini-Theater werden die „Lebenden Riesen-Photographien“ der Mme Olinka angekündigt (21.02.1897). Das Mellini-Theater brachte bald darauf regelmäßig zum Abschluss der Vorstellungen „lebende Photographien“, wie dies etwa auch aus dem Düsseldorfer Apollo und anderen großstädtischen Varieté-Theatern bekannt ist. Damit sind in Hannover sehr früh die typischen Strukturen von Kino in der Anfangsphase entwickelt: die Verbindung mit Kneipen oder Restaurants, mit technischen Einrichtungen (Phototechnik, Automaten) und mit Varietés.

Das könnte dich auch interessieren …