Krieg in deutschen Spielfilmen der 50er Jahre

Seit Mitte der fünfziger Jahre folgen offensichtlich ganz be­wußt Aussagen zur Rehabilitierung der Wehrmacht im Blick auf die entstehende Bundeswehr. Besonders aufschlußreich sind zwei Erfolgsfilme, die 1954 zugleich in den Kinos liefen:

„08/15″ (1. Teil, Regie Paul May) und CANARIS (Regie Alfred Weidenmann). „08/15″ zeigt Kasernenleben 1938/39 und en­det mit Hitlers Radioansprache, nach der auf Polen „zurückge­schossen“ werde. Es gibt keinerlei Aussage gegen den Krieg, wenn auch eine eindrucksvolle Sequenz gegen Schikane in der Ausbildung (Robben im Matsch). Wenn jemand angeklagt wird, dann sind es die unfähigen Vorgesetzten, die von den nachrückenden jungen Soldaten mit Mut und legalen Mitteln von ihren Rängen verdrängt werden. Die neue Führungsgruppe trägt unverkennbar Züge, die an Prinzipien der „inneren Füh­rung“ erinnern und eine Absage an Militarismus alten Stils sein sollen. Zugleich geht aber die neue Führung aus den morali­schen intakten Soldaten der Wehrmacht hervor – eine Aussage zum Kontinuitätsproblem beim Aufbau der Bundeswehr.

Der eigentliche Entlastungs- und Rehabilitierungsfilm ist „Canaris“. In der filmischen Aussage ist Canaris (O.E. Hasse) samt seiner Abwehr die Symbolfigur eines vom Nationalsozia­lismus nicht infizierten (alten) deutschen Offiziers, Gegenpart zu SS und unfähigen Generälen, nur mit immensen Skrupeln zu Kontakten mit dem Widerstand bereit (entsprechend der zeit­genössischen Diskussion der fünfziger Jahre), moralisch integer bis zu seiner Verhaftung und Hinrichtung, ein Vorbild der Bun­deswehr, die damit an unbelastete Traditionen anknüpfen zu können glaubte.

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges kommt 1958 ein ganz anderes Entlastungsprodukt in die Kinos: „Der Arzt von Stalingrad“ (Regie Geza Radvanyi). Thema ist das Leiden deutscher Kriegsgefangener von Stalingrad 1949. Titelheld ist wie­der O.E. Hasse, der als Gehirnspezialist und moralische Autori­tät für die Gefangenen an Wunder grenzende Leistungen voll­bringt, die auch von den Russen anerkannt werden: ein russischer Gehirnspezialist assistiert dem deutschen bei einer schwierigen Operation. Für den Zuschauer wird die militäri­sche Niederlage durch die Demonstration von moralischer, technischer und intellektueller Überlegenheit kompensiert. Der Film ist ein Musterbeispiel für die Symbiose von NS-Vorstellungen zum russischen „Untermenschen“ und von Feindbildern des Kalten Krieges.


aus: Irmgard Wilharm: Krieg in deutschen Nachkriegsspielfilmen. In: Niedhart, Gottfried/Riesenberger, Dieter (Hg); Lernen aus dem krieg? Deutsche Nachkriegszeiten 1918 und 1945. Beiträge zur historischen Friedensforschung, München1992, S: 294/95

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