Dialoge der Sequenzen 15, 17 und 19 aus „Morgenrot“
Hier sind die wesentlichen Dialoge der Sequenzen 15, 17 und 19 wiedergegeben. Den dramatischen Höhepunkt des Films bilden die Szenen in dem untergegangenen U-Boot, in dem die zehn Überlebenden mit dem moralischen Dilemma konfrontiert werden, dass sich nur acht von ihnen mit der mitgeführten Tauchausrüstung retten können, die verbleibenden beiden jedoch ertrinken müssen (Sequenzen 15 und 17). In Sequenz 15 verweigert die Mannschaft den Befehl des Kapitänleutnants Liers, sich zu retten und die beiden höchsten Offiziere (Liers und Frederiks) ihrem Schicksal zu überlassen. Durch den Kameradschaftsgeist seiner Untergebenen gerührt, spricht Liers den viel zitierten Satz: „Zu leben verstehen wir Deutsche vielleicht schlecht, aber sterben können wir jedenfalls fabelhaft.“ In Sequenz 17 begehen der Außenseiter Petermann und Oberleutnant Frederiks gemeinschaftlichen Selbstmord, um der übrigen Besatzung das Weiterleben zu ermöglichen. Die Schluss-Sequenz 19, Gegenstück zu Sequenz 4, zeigt wiederum die Verabschiedung der U-Boot-Männer am Bahnhof von Meerskirchen.
Sequenz 15, 81.-86. Filmminute:
Die überlebende Besatzung ist auf der Zentrale zusammengedrängt, der Rest des U-Boots ist vollWasser gelaufen.
Liers: „Das ganze Boot tot. Nur die Zentrale lebt noch. 21 Mann tot. Zehn Mann leben noch. 21 Tote.“
Frederiks, hysterisch: „Ein hoher Preis. Nobel geht die Welt zugrunde!“
Liers: „Ruhe, Maat Frederiks! – Die 21 sind uns ausgerissen. Konnten’s wohl nicht erwarten.“
Frederiks! – Die 21 sind uns ausgerissen. Konnten’s wohl nicht erwarten.“
Juraczik: „Wir werden sie bald einholen, Herr Kapitänleutnant.“
Frederiks, dessen Blick auf die Taucher-Notausrüstung fällt: „Die Tauchretter. Ja mein Gott, an die Dinger hat ja noch gar keiner gedacht. Helmut, die Tauchretter! Du hast zwar noch Witze darüber gemacht, weißt du noch – Notausgang für Helden, hast Du gesagt, weißt du das noch? Was heißt Notausgang – jetzt kommen sie uns zurecht, was, Kinder? (zur Besatzung) Was sagt ihr dazu? – Ja komisch, wie kommt denn das, dass keiner von euch die Dinger gesehen hat? Keiner von euch hat sie gesehen?! Ja Kinder, seid ihr denn blind gewesen? Habt ihr denn die Dinger nicht gesehen?! – (zu sich selbst) Ja komisch, warum hab denn ausgerechnet ich sie gesehen? – (zu den anderen) Was ist denn los? Ja warum springt ihr denn nicht auf? Ja warum freut ihr euch denn nicht? Ja versteht ihr denn nicht? – Wir liegen doch bloß sechzig Meter! (zu sich) Bin ich denn… bin ich denn … (beginnt, die Tauchretter zu zählen) Eins – zwei – drei – vier – fünf – sechs – sieben – acht …“ (bricht ab)
Liers befielt: „Mannschaft – klar bei Tauchrettern.“
Als niemand sich erhebt, wiederholt er seinen Befehl: „Mannschaft – klar bei Tauchrettern.“
Böhm: „Zehn sind wir. Tauchretter sind bloß achte da. Alle oder keiner. Wir lassen Herrn Kapitänleutnant und Herrn Oberleutnant nicht unten. Das können Herr Ka-Leu nicht verlangen, das haben wir nicht verdient, Herr Ka-Leu“
Der Kamerad neben ihm: „Nein, das haben wir wirklich nicht verdient, Herr Kapitänleutnant.“
Liers zu Frederiks, flüsternd: „Fips, tun sie recht?“
Frederiks: „Solche Menschen… Ich könnte zehn Tode sterben für Deutschland. Hundert.“ (lächelt)
Liers zu Böhm: „Ich danke Ihnen, Leutnant.“
Böhm: „Für was, Herr Kapitänleutnant?“
Liers: „Für alles. Ich danke euch allen, und es freut mich, mit euch zusammen hinübermarschieren zu können. Zu leben verstehen wir Deutsche vielleicht schlecht, aber sterben – können wir jedenfalls fabelhaft. Wollen auch drüben zusammenbleiben – die ganze Mannschaft. Oder glaubt ihr etwa, dass einer von uns in die Hölle abkommandiert wird?“
Jaul: „Dann gehen wir mit in die Hölle, Herr Kapitänleutnant!“
Sequenz 17, 70.-74. Minute:
Gespräch zwischen Petermann und Frederiks vor ihrem Selbstmord. Das Gespräch findet in einem Nebenraum der Zentrale statt und wird von den anderen Besatzungsmitgliedern nicht gehört.
Frederiks: „Sie auch, Petermann? – Fabelhaft von Ihnen. Dann sind wir ja zwei.“
Petermann: „Zwei sind übrig hier. Acht Tauchretter, Herr Oberleutnant, acht können raus – müssen rauf. Wenn’s bloß acht sind, müssen sie rauf, Herr Oberleutnant, nicht wahr? Dachte, wenn ich den Anfang mache, wird sich noch einer finden.“
Frederiks (zweifelt an Petermanns Entschlusskraft): „Soll ich zuerst?“
Petermann: „Zugleich. Ich werde auch nicht zittern.“
Frederiks: „Und die zuhause?“
Petermann: „Ich hab keinen Menschen. Ich hab keinen Menschen auf der Welt, der mich liebt und an mich denkt. Ich bin ein Einzelgänger. (beginnt zu lächeln) Wenn ich nun unten bleibe, damit die anderen leben, dann werden acht an mich denken, immer, nicht wahr? Dann habe ich auf einmal acht Freunde. Herr Oberleutnant – acht Freunde!“
Frederiks: „Ja, Petermann. – Wie heißt du mit Vornamen?“
Petermann: „Paul.“
Frederiks: „Paul… Meine Mutter sagte immer Fips zu mir. Sie ist schon lange tot. (reicht Petermann die Hand) Gute Nacht, Paul.“
Petermann: „Gute Nacht, Fips.“ (ergreift die Hand)
In der Zentrale: Zwei Schüsse schrecken die Besatzungsmitglieder auf, die apathisch auf ihr Ende warten. Liers stürmt zur Tür der Kabine, in der sich Petermann und Frederiks erschossen haben.
Liers: „Fips! Das ist wider die Abrede! Das ist wider die Abrede! Ihr habt euer Wort nicht gehalten!“
Stille.
Liers: „Wir sind nur noch acht. Acht Tauchretter – acht Mann. Nur noch acht. Wir waren eben noch zehn, und jetzt sind wir nur noch acht. – Fips, warum hast du das getan? Warum habt ihr beide das getan?“ (zur Besatzung) Müssen’s annehmen. Sie sind gestorben, damit wir leben sollen. Aber wozu noch leben? Wozu? Wir haben geschafft, was wir zu schaffen hatten. Wozu braucht der Mensch noch zu leben? Aber vielleicht – vielleicht wollten sie was ganz anderes. Wir müssen ja! (zu sich selbst) Wo hatt‘ ich nur meinen Kopf? (zur Besatzung) Unser Leben gehört ja nicht mehr uns – nicht mehr uns, Böhm! Wie? Wir müssen fahren, solange wir noch einen Finger krumm machen können. Wieder auf’m Boot, und wieder, und wieder, bis uns der liebe Gott beurlaubt, Böhm. (über die Schulter zu den Toten) Schlaf gut, ihr Lieben. Wer sein leben lässt für seine Brüder…“ (spricht lautlos weiter, dann zur Mannschaft) Klar bei Tauchrettern!“
Sequenz 19, 77. Minute:
Kapitänleutnant Liers hält anstelle des Bürgermeisters eine Abschiedsrede am Gleis.
Liers: „Das vorige Mal habt ihr Hurra geschrien. Diesmal schreit ihr nicht – warum nicht? Weil einer fehlt? Oder weil sich die Wolken schwarz zusammengeballt haben? Habt ihr’s mit der Angst zu tun gekriegt? Ist euch darum das Hochrufen vergangen?“
Bürgermeister (verlegen, zögerlich): „Wieder einmal sind wir alle hier versammelt, um unserem Kapitänleutnant Liers das Geleit zu geben. Nach schweren Verlusten…“
Liers (unterbricht ihn und legt ihm die Hand auf die Schulter): „Na, nicht so, mein Lieber. Die Watte aus den Ohren – die schwarze Brille runter. Wenn uns auch der Wind stramm um die Nase pfeift und manchem in Deutschland schon die Zähne zu klappern anfangen – das macht nichts: So’n Wetter brauchen wir Deutschen von Zeit zu Zeit, damit wir wieder zu Kräften kommen. Am helllichten Tage, da laufen wir auseinander in alle Himmelsrichtungen – wenn’s aber pechschwarz wird und stockdunkel, und es geht an die Nieren – dann finden wir Deutschen immer wieder zusammen. Fünfzig Jahre Nacht – davon wird kein Deutscher blind!“

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