Film in der BRD der 50er Jahre – ein kurzer Überblick

Ab 1950 kann man von zwei Filmkulturen sprechen. In der DDR, auf die an anderer Stelle eingegangen werden soll, setzt sich eine härtere Kontrolle und Einflussnahme auf das Filmschaffen durch – Stichwort „sozialistischer Realismus“.

Die Verhältnisse in der BRD werden demgegenüber grundsätzlich von den Gesetzen des Marktes diktiert. Staatliche Einflussnahme findet im Wesentlichen durch Finanzierungshilfen und Kredite     statt (1. Bürgschaftsaktion 1950, 2. 1953, ab 1955 Prämiensystem), die sich an vermuteten oder bereits realisierten Einspielergebnissen und Gewinnen orientieren (dazu Landesbürgschaften; ein Drittel der Filme bis 1955 bundesverbürgt produziert 1953 UFI-Entflechtungsgesetz:  Gründung der Bavaria Filmkunst AG,  der Universum Film AG, der UFA-Theater AG, von denen 1 und 2 1962  Konkurs gehen. Ab 1949 löst die FSK die alliierte Zensur ab, ab 1951 nimmt die FBW (Prädikatisierung) ihre Arbeit auf, ab diesem Jahr findet auch jährlich die Berlinale incl. Bundesfilmpreis statt. In einer Übergangsperiode, die mit der Währungsreform im Juni 1948 beginnt und bis ca. 1950 dauert, erleidet die westdeutsche Filmwirtschaft zunächst einen erheblichen  Einbruch. Die neue DM ist knapp und ein Kinobesuch will für den deutschen Durchschnittsbürger gut überlegt sein. Schwieriger ist auch die Beschaffung von Finanzierungen geworden. Gleichzeitig wird jedoch der Wunsch stärker, mit Film Geld zu verdienen. Der westdeutsche Film hat jedoch noch nicht zu den Themen gefunden, die eine ernsthafte Konkurrenz für attraktive ausländische Filme sein könnten. Ab Anfang der 50er Jahre kann sich die deutsche Filmwirtschaft als Ganze gesehen allmählich stabilisieren und gegenüber vor allem der amerikanischen Konkurrenz einigermaßen behaupten. Die Zahlen der Kinobesucher, die nach der Währungsreform drastisch zurückgegangen waren, stiegen wieder – 1951 waren es 555 Millionen, 1957 817 Millionen (im Vergleich dazu 1983 127 Millionen). 1954 wurden bereits wieder über 142 westdeutsche Spielfilme produziert (weitere Zahlen siehe Film und Gesellschaft, S. 303ff). Was produziert wurde, das richtete sich danach, was potentielle Zuschauermassen sehen wollten bzw. was Produzenten dafür hielten. Wenn man sich die    bundesdeutsche Spielfilmproduktion von 1950 -1955 ansieht,  insbesondere die erfolgreichen Filme,  dann ist das vor allem:

  • eine heile Welt, ohne Trümmer
  • keine Thematisierung politischer Probleme
  • keine Erinnerung an eine reale Vergangenheit, NS, Krieg
  • Sauberkeit und Hygiene
  • intakte Autoritäten bzw. die Reparatur von Autoritäten
  • stabile innere Werte, die man für Geld oder Beziehungen nicht beschaffen konnte

Die wichtigsten Themenkreise, in denen sich diese Bedürfnisse zunächst artikulieren konnten, waren:

Der Heimatfilm – SCHWARZWALDMÄDEL (Deppe, 1950, bis 1959 19 Millionen Zuschauer), GRÜN IST DIE HEIDE (Deppe, 1951), WENN DIE ABENDGLOCKEN LÄUTEN (A. Braun, 1951), DER FÖRSTER VOM SILBERWALD (Deppe,1954 – 22 Millionen bis 1958), DIE TRAPP-FAMILIE (Liebeneiner, 1956) etc.

Der Arztfilm – DR.HOLL  (Hansen,  1951),  DIE  GROSSE VERSUCHUNG (Hansen, 1952), SAUERBRUCH. DAS WAR MEIN LEBEN (Hansen, 1954), DIE LANDÄRZTIN (May, 1958) etc.in diesem Zusammenhang auch der Priesterfilm: NACHTWACHE (Braun, 1949), DER KAPLAN VON SAN LORENZO (Ucicky, 1953)

Der Revuefilm – SENSATION IN SAN  REMO (Jacoby, 1951), DIE CZARDASFÜRSTIN (Jacoby, 1951), DIE DRITTE VON RECHTS (V. CZIFFRA, 1950)

Der Familienfilm – DAS DOPPELTE LOTTCHEN (Baky, 1950), VATER BRAUCHT EINE FRAU (Braun, 1952), HEUTE HEIRATET MEIN MANN, WENN DER VATER MIT DEM SOHNE (Quest, 1955), MEINE KINDERR UND ICH (Schleif,1955), VATER, UNSER BESTES STÜCK (Lüders, 1957) 

Vor allem mit dem Heimatfilm, der bedeutendsten Welle mit den erfolgreichsten Filmen der 50er Jahre, haben sich Teile der westdeutschen Filmwirtschaft stabilisiert – hier war sie vor ausländischer  Konkurrenz  (von  Österreich einmal abgesehen) sicher.

Ab Mitte der 50er Jahre beginnen sich die Tabuverbote für den deutschen Films allmählich aufzulösen:  nicht ohne Zusammenhang mit der deutschen Remilitarisierung werden ab 1954 mehr und mehr Kriegsfilme produziert: der Zweite Weltkrieg und mit ihm der Nationalsozialismus wird kinofähig. Wichtige Filme dieses Genres: 08/15 (May, 1954), CANARIS(Weidenmann, 1954), DES TEUFELS GENERAL (Käutner, 1955), UNTERNEHMEN SCHLAFSACK (Rabenalt, 1955), HAIE UND KLEINE FISCHE (Wisbar, 1957, U47. KAPITÄNLEUTNANT PRIEN (Rinl, 1958), DIE BRÜCKE (Wicki, 1959).

Auch die harmonische Kino-Familienwelt beginnt allmählich zu bröckeln: die Halbstarkenfilme thematisieren Generationskonflikte und Wertewandel: DIE HALBSTARKEN (Tressler, 1956), ENDSTATION LIEBE (Tressler 1957). Es gibt Ansätze zur Gesellschaftskritik wie in DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (Thiele, 1958) und vor allem der filmpolitische Außenseiter Staudte,  dessen UNTERTAN (1951) in der BRD bis 1957 verboten war, setzte sich für die hiesigen Verhältnisse  ungewohnt kritisch mit der deutschen Vergangenheit auseinander ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (Staudte, 1959),  KIRMES (Staudte,  1960).

Dazu kamen noch einige Experimentalfilme wie NICHT MEHR FLIEHEN (Vesely,  1955),  JONAS  (Domnick,1957) – folgenlose Gegenbilder, modische Stilisierungen – die jedoch auf Unverständnis stießen.

Noch  ein Wort zur Kontinuität im deutschen Film von der Zeit des Nationalsozialismus bis zur  Bundesrepublik. Blickt man auf die am Filmschaffen beteiligten Personen, so muss man sagen,  dass es keinen Regisseur, Drehbuchautor oder  Schauspieler  aus der Zeit  des  Nationalsozialismus gab, der nicht bald wieder filmen konnte. Einige Beispiele derer die erst „spät“ wieder anfingen: Veit Harlan  (JUD SÜß,  1940;  KOLBERG, 1944)  inszenierte wieder ab 1950 (UNSTERBLICHE GELIEBTE),  Liebeneiner (BISMARCK, 1940; ICH KLAGE AN, 1941) führte 1949 in LIEBE 47 Regie, Karl Ritter (VERRÄTER, 1936, STUKAS, 1941) inszenierte 1953 STAATSANWÄLTIN CORDA.(weitere  Beispiele bei Kochenrath in Bredow/Zurek und Kreimeier in B„nsch).

Die Themen und Motive im Film der frühen Bundesrepublik knüpften häufig an diejenigen des Unterhaltungsfilms während des Nationalsozialismus an: autoritäre Personen und Verhältnisse, Dorf-, Land-  und  Heimatmilieu,  Revuefilme  und  musikalische Lustspiele, der Gesellschaftsfilm in  gehobenen  Kreisen etc. Auch dramaturgisch und filmästhetisch setzt sich der UFA-Stil der 30er und 40er Jahre durch: abgefilmte Scheinrealität mit einer spezifischen Glätte, Schnitt-Gegenschnitttechnik, starre Einstellungen, filmische Parataxe, Kulissen- und Atelierdominanz,  eine meist  schwerfällige Theatralik, Starkult usw.

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