Begründung für das Prädikat „Besonders wertvoll“ für „Affaire Blum“

Bewertungsausschuß:

Der Bewertungsausschuß erteilt dem Film das Prädikat „Besonders wertvoll“.

Dieser Film aus dem Jahre 1948 ist ein erstaunlicher Fall. Insofern, als er eine in sich schlüssige, in höchstem Grade spannende Geschichte um einen falschen Mordverdacht erzählt und gleichzeitig das kritische Porträt einer Zeit gibt, die politisch bestimmt ist vom Heraufkommen des Rechtsradikalismus, der sich zuletzt im Nationalsozialismus verhängnisvoll verwirklichte.

Der Regisseur Erich Engel entwickelt die Handlung, von der gesagt wird, daß sie auf Tatsachen beruhe, in konsequent realistischem Stil. Glaubwürdig ist das Milieu, glaubwürdig jedes Requisit, glaubwürdig bis in die Nuance. Hinzu kommt die Fähigkeit der Regie, expressive Tendenzen in ein realistisches Filmkonzept zu integrieren, Menschen bis an den Rand der Karikatur zu treiben, aber diese Grenze mit solcher Sicherheit einzuhalten, daß nie der Eindruck entsteht, hier handele es sich um bloße Fiktion und nicht um Wirklichkeit. Diese stilistische Fähigkeit der Regie ist vor allem bemerkenswert, und ihr gelingt es, die Form so radikal mit dem Inhalt zu identifizieren, daß ein in sich stimmiges und geschlossenes Ganzes entstanden ist.

Wenn der Bewertungsausschuß glaubt, leichte Abstriche von der Überzeugungskraft des Gesamtkonzeptes machen zu sollen, dann nur in ein paar geringfügigen Einzelheiten. So scheint es nicht unbedingt sinnvoll, wenn der eigentliche Mörder neben seiner Vergangenheit als Freicorpskämpfer auch die Pose eines Korporationsstudenten anzubieten hat. Hier bemüht sich die Regie vielleicht um ein zuviel der Menschen-Charakterisierung. Die Folge ist, daß Typisches sich leicht vor die individuelle Regung schiebt. Trotzdem ist nicht zu verschweigen, daß der Regie hier ein hohes Maß an Differenzierung gelungen ist, an Differenzierung des Spiels, das sich vor realistischem Hintergrund immer mehr in ein leidenschaftliches Spiel (Symbolspiel) drängt. Der Bewertungsausschuß hält es für richtig, dies aus der Perspektive des Jahres 1948 zu sehen, als der Perspektive einer Zeit, in der der deutsche Film noch Möglichkeiten der Zeitdiagnose sinnvoll für sich in Anspruch nehmen konnte und dies in einigen Fällen, zu denen auch dieser Film „Affaire Blum“‚ gehört, mit Leidenschaft getan hat!

Der Bewertungsausschuß weist darauf hin, daß die Zeitbestimmung im Vorspann nicht mehr zutreffend ist. Er bittet daher den Antragsteller, ihn zu korrigieren.
Dr. Theo Fürstenau, Vorsitzender

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