… und Freiheit vor allen Dingen! (1982)

Inhalt

In seinem Film „… und Freiheit vor allen Dingen!“ behandelt Jürgen Haese den 17. Juni unter Bezug auf den Tag der deutschen Einheit, der in der BRD zwischen 1956 und 1990 gesetzlicher Feiertag war und an die Niederschlagung des Aufstandes in der DDR erinnern sollte. Im geschichtlichen Rückblick werden die ökonomischen und politischen Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland nachgezeichnet und die Faktoren aufgezeigt, die schließlich zum Aufstand führten, wobei auch die Frage nach einer westlichen Beeinflussung der Geschehnisse durch Provokateure oder Radiopropaganda des RIAS berührt wird. Am Ende des Films steht ein Bekenntnis des zur Herstellungszeit des Films amtierenden Bundeskanzlers Carl Karstens, eine Einheit der beiden deutschen Staaten mit friedlichen Mitteln herbeiführen zu wollen.

Der Film „Und Freiheit vor allen Dingen“ ist auch in der Filmliste des Projektes „17. Juni 1953“ der Bundeszentrale für politische Bildung aufgeführt.


Titel: „… und Freiheit vor allen Dingen!“ Erinnerungen an den 17. Juni 1953.
Regie: Jürgen Haese
Recherchen: Ulrich Lenze, Jutta Pernice
Kamera: Georg Pahl
Ton: Peter Petrides
Schnitt: Jutta Pernice
Produktionsleitung: Frank Thomas
Produktion: Multimedia Gesellschaft für audiovisuelle Information mbH für das GDI
Land: Bundesrepublik Deutschland 1982
Länge: 28.01 Minuten

Nr.
Inhalt
Länge
Zeit im Film

1

Feiertags-Ausflügler am „Tag der deutschen Einheit“. Auszug aus einer Bundestagsrede, die die politische Bedeutung des Feiertages hervorhebt. Befragung von Ausflüglern durch einen Journalisten nach ihrem Verständnis des „Tages der deutschen Einheit“. Ausschnitt Originalreportage 17. Juni 1953. Standbilder und Off-Bericht eines Augenzeugen. Vorspann. 4.04 0.00 – 4.04

2

Rückblick auf die ersten Nachkriegsjahre: Errichtung eines totalitären Staates in der Sowjet-Zone, Reparationszahlungen an die UdSSR, Bodenreform und Kollektivierung der Landwirtschaft. Ausschnitt der Ulbricht-Rede zum Aufbau des Sozialismus 1952. Aufbau der Schwerindustrie, Massenaufmärsche im Mai 1953 (Ausschnitt aus einer „Originalreportage Ost“); Ausschnitt einer Rede Otto Grotewohls 1952 zur Einheit von Partei und Arbeiterschaft. 6.24 4.04 – 10.28

3

Gegenüberstellung der mangelhaften Lebensmittelversorgung im Osten und des Überflussangebotes im Westen. Rückblick auf die Entwicklung in Westdeutschland: Wirtschaftsaufbau, Errichtung der parlamentarischen Demokratie, Wahlaufrufe durch Konrad Adenauer und Kurt Schumacher, Jazztanz und Vergnügungen, West-Berlin als „Schaufenster der freien Welt“. Die Radioberichterstattung des RIAS. Interview mit dem RIAS-Redakteur Walter Gerhard. Massenflucht aus der DDR, statistische Entwicklung der Flüchtlingszahlen bis 1953. Redeausschnitt Otto Grotewohl zum Neuen Kurs 1953. 5.42 10.28 – 16.10

4

Relativierung der Erleichterungen des Neuen Kurses in Bezug auf die Arbeiter, Auslösung der Arbeiterproteste. Interview mit einem Zeitzeugen (1953 Arbeiter in der Stalinallee) über politische Forderungen aus der Arbeiterschaft. Der RIAS-Redakteur Walter Gerhard über die Frage einer westlichen Beeinflussung des Aufstandes. Veranschaulichung der Ausbreitung des Protestes über die DDR anhand einer Karte. Demonstrationen im mitteldeutschen Industriegebiet. Verlauf der Proteste im Stadtzentrum von Berlin mit Radio-O-Tönen und Zeitzeugenberichten aus dem Off. Sowjetische Intervention und gewaltsame Auflösung der Demonstration. Prof. Arnulf Baring über die Gründe für das Scheitern des Aufstandes. 8.49 16.10 – 24.59

5

Erinnerung an den 17. Juni in der Bundesrepublik: Gegenüberstellung von Gedenkfeiern und Feiertagsszenen. Bundespräsident Karl Carstens über die veränderten bilateralen Beziehungen zwischen BRD und DDR und „den Einsatz für Freiheit und Einheit […] mit friedlichen Mitteln“. Musik von Wolf Biermann: „Deutsches Miserere“, Abspann. 3.02 24.59 – 28.01

Anlässlich des Jahrestages 1983 rollt der Film „Und Freiheit vor allen Dingen“ die Ereignisse des 17. Juni auf. In der Anfangssequenz wird durch die Befragung von Feiertagsausflüglern der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert und welche emotionale Bedeutung der 17. Juni für die Westdeutschen besitzt. Die Antworten sind so montiert, dass bis auf wenige Ausnahmen eine weitgehende Unkenntnis über das historische Ereignis zu Tage tritt: Dies ist der Ausgangspunkt für den Rückblick in die Nachkriegsjahre, die Gegenüberstellung der gegensätzlichen politischen Systeme in Ost und West und die Darstellung des 17. Juni 1953. Der Film endet mit einem kurzen Plädoyer des Bundespräsidenten Karl Carstens für die Wiedervereinigung, zu deren Verwirklichung ausdrücklich friedliche Mittel genannt werden. Dieser Schluss und der mit dem „Deutschen Miserere“ von Wolf Biermann untermalte Abspann machen deutlich, dass der Film sich der massiven Anti-DDR-Propaganda weniger verpflichtet fühlt als andere Dokumentationen der 80er Jahre (beispielsweise „ Jene Tage im Juni“). Dabei klingt spürbar die auch nach dem Wechsel von der sozialliberalen zur schwarzgelben Koalition 1983 fortgesetzte Entspannungspolitik der 70er Jahre an.

Darüber hinaus ist dieser Film der einzige, der auf die Erinnerungskultur zum 17. Juni in Westdeutschland Bezug nimmt und deren Verankerung in der Bevölkerung in Frage stellt. Durch den klaren Aufbau und den Bezug auf die Gegenwart der frühen 80er Jahre eignet sich „Und Freiheit vor allen Dingen“ in besonderem Maße zum Einstieg in das Thema 17. Juni 1953, wobei sich vor allem die eingangs aufgeworfene Frage nach einer diesbezüglichen westdeutschen Erinnerungskultur zur Diskussion anbietet.

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