Texte zum Filmverstehen

Das kontextuelle Filmverstehen zielt darauf, „anhand eines Filmes zu untersuchen, wie er sich als bedeutungsvoller Medientext, der in den kulturellen Kreislauf von Produktion und Rezeption eingebunden ist, konstituiert“ (Mikos, 1998). Nur wenn die lebensweltlichen Verweisungszusammenhänge von filmischer Produktion und Rezeption  mit in die Filmanalyse einbezogen werden, kann die Filmanalyse ihrem Gegenstand gerecht werden. Dieses Verständnis  korrespondiert  mit den Modellen zu einer historisch-kritischen Filmanalyse.


Literatur

  • Achim Hackenberg (2004): Filmverstehen als kognitiv-emotionaler Prozess. Zum Instruktionscharakter filmischer Darstellungen und dessen Bedeutung für die Medienrezeptionsforschung. Berlin 2004
  • Lothar Mikos(1998): Filmverstehen. Annäherung an ein Problem der Medienforschung, in: medien praktisch Texte Nr. 1, S. 3-8, Sonderheft I/1998

Annäherung an ein Problem der Medienforschung (2004)

(…) Die formalen Aspekte der klassischen Filmanalyse und der Inhaltsanalyse machen für die Medienpädagogik nur teilweise Sinn. Wenn es denn als Zielvorstellung medienpädagogischer Arbeit gilt, mit Hilfe der Analyse Strukturen von Medienprodukten deutlich zu machen, um so ganz im Sinne der Aufklärung zu einem aufgeklärten, medienkompetenten Umgang mit ihnen zu erziehen, dann müssen andere Faktoren mit einbezogen werden: neben der Produktion auch die Rezeption. Dabei geht es aber nicht darum, die Produktion und die Rezeption von Filmen getrennt von den Filmen selbst zu untersuchen, sondern sie in die Analyse der Filmtexte zu integrieren. In diesem Zusammenhang geht es dann nicht um Film verstehen im Sinne des populären Buches von James Monaco (1995), sondern um Filmverstehen, d.h. es geht darum, wie Filme selbst verstanden werden und nicht um die Untersuchung von Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien, wie der Untertitel des Buches lautet. Filmverstehen meint, anhand eines Filmes zu untersuchen, wie er sich als bedeutungsvoller Medientext, der in den kulturellen Kreislauf von Produktion und Rezeption eingebunden ist, konstituiert – und dies ist nicht ohne die Einbeziehung der lebensweltlichen Verweisungszusammenhänge möglich, in denen die Produktion und Rezeption von Filmen stattfindet.

Dies ist ein grundsätzlich anderes Vorgehen als in Inhaltsanalysen und Filminterpretationen. Die dort herausgearbeiteten Interpretationen und Filmbeschreibungen stellen in der Regel nur eine der möglichen Lesarten eines Films dar. Ging es z.B. in der ideologiekritischen Inhaltsanalyse (vgl. Ritsert 1972; Bürger 1980) vor allem darum, den ideologisch affirmativen Charakter von Filmen im Rahmen von kritischer Massenkulturtheorie und politischer Ökonomie zu untersuchen, bezog sich die Filminterpretation aus verschiedenen Perspektiven auf unterschiedliche Aspekte des Filminhalts, die in strukturalistische, literatur- und filmhistorische, genrespezifische, psychologische und soziologische Kontexte sowie auf die biographische Dimension des Regisseurs bezogen wurden (vgl. Faulstich 1988).

Beiden Zugängen ist gemeinsam, daß versucht wird, die Message oder Botschaft des Films zu analysieren, und damit seine Ideologie. Dabei wird davon ausgegangen, daß ein Film gesellschaftliche Wirklichkeit spiegelt. Wir wissen jedoch längst, daß es sich bei einem Film um eine narrative Inszenierung handelt, die möglicherweise unter bestimmten Bedingungen und dank bestimmter Gestaltungsmittel den Eindruck von Wirklichkeit erweckt. Dieser Eindruck ist aber nur möglich, wenn das Wissen der Zuschauer zum Film hinzutritt, denn nur auf der Basis dieses Wissens kann einem Film Authentizität bzw. ein Wirklichkeitseindruck bescheinigt werden. Trotzdem wird z.T. noch nach diesen beiden Verfahren gearbeitet. So greift etwa Eva Flicker in ihrer Untersuchung des Themas Liebe und Sexualität in Spielfilmromanzen auf die soziologische Filminterpretation zurück: „Die Filminterpretation erfolgt dabei unter dem Aspekt der Wiedergabe von Wirklichkeit“ (Flicker 1998, S. 77). Daß es bei Spielfilmen gar nicht um die Wiedergabe von Wirklichkeit geht, sondern um die dramaturgische Inszenierung einer Erzählung, die einen Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit haben kann, kommt der Autorin offenbar nicht in den Sinn. (…)


aus: Lothar Mikos: Filmverstehen. Annäherung an ein Problem der Medienforschung. In: medien praktisch Texte Nr. 1, S. 3-8, Sonderheft I/1998
http://www.medienpraktisch.de/amedienp/mptexte/tex1miko.htm [29.06.2004]

 

 

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