Retrospektive Filmkritiken zu „Berge in Flammen“

Christian Rapp: Höhenrausch. Der deutsche Bergfilm. Wien: Sonderzahl 1997, Kapitel 8: Der Krieg als alpinistisches Motiv: Berge in Flammen (Luis Trenker, 1931) , S. 157-178, hier zitiert: S. 159-161, 166-174

Schon bei Der Heilige Berg hatte sich Trenkers Trennung von Fanck angebahnt. Die beiden hatten – nicht unähnlich der Konstellation im Film – um Leni Riefenstahl gebuhlt und sich während der Dreharbeiten heftig befehdet. Ein Eklat, bei dem Trenker Riefenstahl beleidigt hatte, verschlechterte das Klima weiter. Trenker trat zwar noch 1927 in der Skiklamotte Der große Sprung gemeinsam mit Riefenstahl auf, widmete sich danach aber eigenen Projekten.

Nach drei Filmen mit dem italienisch-französischen Regieduo Nunzio Malasomma und Mario Bonnard (1) drehte Trenker 1931 seinen ersten Film in eigener Regie, Berge in Flammen. Als Co-Regisseur stand ihm der Spielfilmregisseur Karl Hartl zur Seite. Berge in Flammen ist der erste und einzige Bergfilm, dessen Spielhandlung sich auf einen realen zeitgeschichtlichen Kontext bezieht: Die Bergfreunde Graf Artur Franchini (Luigi Serventi) aus Rom und der Dolomitenführer Florian Dimai (Luis Trenker) werden während einer gemeinsamen Klettertour im Sommer 1914 von der Mobilmachung überrascht. Beide ziehen, als Gegner, in den Krieg. Nach der Kriegserklärung der Italiener werden Dimai und seine Kameraden an die Dolomitenfront versetzt. Dimais Heimatdorf, knapp an der Frontgrenze gelegen, wird von den Italienern besetzt. Franchini ist Kommandant des Ortes. Bei einer Erkundungspatrouille stellt Dimai fest, daß die Italiener im Col Alto, auf dem die Österreicher ihre Stellung halten, Bohrstollen einrichten, um die Bergspitze in die Luft zu sprengen. Die Österreicher hören das Hämmern des Feindes im Berg, können jedoch nichts unternehmen. Dimai meldet sich zu einer Patrouille, um den Zeitpunkt der Sprengung zu erfahren. In seinem Dorf angekommen, versucht ihn seine Frau Pia zum Dableiben zu überreden. Doch Dimai bricht noch in derselben Nacht wieder auf. Er kann die Mannschaft in letzter Minute warnen. Viele Jahre nach dem Weltkrieg steigen Dimai und Franchini wieder gemeinsam in die Berge und besuchen ihre ehemaligen Stellungen.

Der Weltkrieg erlebte um 1930 sowohl im politischen Diskurs als auch auf der Leinwand ein auffallendes Comeback (2). Zu einem Zeitpunkt, da sich die politischen Verhältnisse in Deutschland zunehmend destabilisierten, bot er sich als jenes Paradigma an, an dem sich eigene politische Positionen zwischen Ablehnung, Verklärung und Revanchismus besonders deutlich und breitenwirksam präzisieren ließen. Insbesondere die Auseinandersetzungen um Lewis Milestones Remarque-Verfilmung Im Westen nichts Neues, der es gelang, mit drastischem Realismus den Krieg und seine Propagandarhetorik zu desillusionieren, zeigten, wie weit die gesellschaftliche Radikalisierung bereits geraten war. Gegen die Uraufführung gingen SA-Trupps mit organisierten Tumulten vor. Obwohl der Film von den Zensurprüfstellen freigegeben worden war und sich Sozialdemokraten und sogar ehemalige Frontkämpfer für ihn einsetzten, wurde dem Druck der Nazis nachgegeben und der Film nach einer Woche abgesetzt. In Wien wurde Im Westen nichts Neues Anfang 1931 auf Druck konservativer Verbände verboten. (3)

Trenker selbst nennt Im Westen nichts Neues einen der wesentlichen Impulse zu Berge in Flammen. Er wolle seinen Film als Antwort auf Milestone verstanden wissen. Jener habe nur die „gottlose Sinnlosigkeit des Krieges“ gezeigt, keine „Liebe zum Vaterland, keine Tugend“. Was blieb, so Trenker, sei „eine gähnende trostlose Leere“ (4) gewesen. Sein Film dagegen bemüht sich, wie sich zeigen wird, diese Leere wieder mit Inhalten aufzufüllen. Als Kernereignis wählte er einen von italienischer Seite unternommenen Sprengungsversuch österreichischer Gebirgsstellungen. Der Kameramann von Arnold Fanck, Hans Schneeberger, hatte einen solchen am Schreckenstein erlebt und später in einer Erzählung davon berichtet. Auch Schneeberger gelang es damals, die Posten rechtzeitig zurückzuziehen und trotz hoher Verluste die Stellung noch einige Tage zu halten.

Trenkers Drehbuch übernahm aus dieser Schilderung den wesentlichen Geschehnisablauf sowie das bei Schneeberger bereits angelegte Rahmenmotiv einer Freundschaft zwischen zwei ehemaligen Gegenern. Damit handelte er sich einen Plagiatsvorwurf ein. Dieser kam allerdings nicht von Schneeberger, sondern von Trenkers ehemaligem Lehrer, Arnold Fanck. Fanck erhob den Anspruch, selbst schon viel früher ein ausführliches Drehbuch zu dem Schneeberger-Stoff verfaßt zu haben und unterstellte Trenker, dieses Manuskript heimlich kopiert zu haben. (5) […] Der komplizierte Streit um den Stoff, an dem sich neben den Regisseuren Fanck und Trenker auch die Filmpublizistik und Produzenten (6) beteiligt haben, spricht dafür, daß man von dessen Verfilmung (zurecht) einen beachtlichen kommerziellen Erfolg erwartete. Die Verbissenheit, mit der um die Rechte prozessiert und auf eigene Kriegserlebnisse und militärische Kompetenz verwiesen wurde, zeigt aber auch, daß eine analytische, geschweige denn kritische Thematisierung des Krieges auf beiden Seiten nicht die treibende Intention zu dem Projekt war.

[…]

Hansjörg Waldner stellt in seiner Untersuchung des gleichnamigen Romans (von Luis Trenker, Erstausgabe Berlin 1931; Anmerkung der Redaktion) fest, daß sich die Darstellung des Krieges dort verändere, wo es um eigenes Territorium, um die Heimat geht. Dann wird der militärische Auftrag konkret und dem Krieg Sinn verliehen. […] Die Tendenz, den modernen Krieg zugunsten der Profilierung seines Helden auf das Modellhafte und Überschaubare zu reduzieren, tritt im Film noch deutlicher zutage, weil sie durch Bild und Ton unterstützt wird. Das abstrakte Hinterland konkretisiert sich im Dorf. Die moderne Massenarmee reduziert sich auf den schlagkräftigen Wandertrupp, der sich unter den Klängen gemeinsamer Marschlieder formiert und durch die gemeinsam durchlittene Krise stärkt. Diese Krise ist allerdings nicht in erster Linie der Krieg selbst, der ja offenbar durchaus eine mögliche Bedingung der Kameradschaft sein kann, sondern die unterbrochene Verbindung zur Heimat. Weil Grenze und Zensur jede Nachricht auffangen, erhält die Mannschaft keine Feldpost. Mit dem Auftrag, in der besetzten Heimat die Pläne des Gegners zu erkunden, bekommt sie die Chance, den Kontakt zur Heimat wiederherzustellen und sich im Interesse der Kriegsführung zu bewähren. […]

Ein griffiges und für die dramaturgischen Zielvorgaben eminent wichtiges Bild erhält der Gebirgskrieg in Gestalt der aus Schnee und Eis gebauten Stellungen, die nicht nur wie eine Festung aussehen, sondern auch wie eine Festung verteidigt werden. Im Unterschied zu beweglichen Fronten in der Ebene stellen sie einen einigermaßen stabilen Schauplatz dar und erfordern – mitten in einem industriell geführten Krieg – sehr alte strategische Techniken. Auch der Umstand, daß Berg und Festung sich funktionell decken und zusammen das Angriffziel der Italiener darstellen, erinnert an eine Auffassung, die schon im Mittelalter den Landschaftsdiskurs bestimmte. Der Berg wurde vor allem dort, wo er seit alters her Schutz gewährte, mit der Burg oder Festung assoziiert. Wie die Burg fungiert er gegenüber der sozialen Ordnung des Dorfes als ein schützendes Über-Ich, als Zufluchtsstätte der Bevölkerung, aber auch zur strategischen Orientierung in der Weite. Diese Einheit von Burg/Berg und Dorf wiederherzustellen ist das Motiv Dimais für die Rettungsmission. Mit der Besetzung des Dorfes durch die Italiener ist jene Einheit aufgebrochen, sind Berg und Dorf getrennt. […] Im Hinblick auf das strategische Ziel sind die im Film vermittelten Bewegungsrichtungen der Figuren aufschlußreich: Beginn und Ende des Filmes schildern die alpinistische Besteigung der Berge unter den Bedingungen des Friedens, stehen also unter dem Zeichen des Aufstiegs. Während der Kriegshandlungen dagegen kehren sich die Vektoren um: Eigentliches Ziel ist das Dorf, das Tal wird zum Gipfel. Das Verlangen, dieses Ziel zu erreichen, wird umso stärker, als es von Fremden besetzt ist. Während Dimai mit dem Fernglas das Dorf beobachtet, stirbt sein Freund Staudacher durch eine italienische Kugel. „Aber dieser Blick“, formuliert es Trenker im Roman, ist beinahe ein Leben wert.“ (7)

Die Sehnsucht nach dem Tal bietet eine ähnliche Herausforderung wie die Bergtour im Frieden. Es kehrt sich lediglich die Marschrichtung um. Die entscheidende Mission besteht nun in der erfolgreichen Abfahrt. Dimai meldet sich freiwillig und verzichtet auf jeden Beistand. Von hochalpinen Schneehängen über verschneite Almen führt sein Weg zunächst in ein Zeltlager, aus dem er sich zur Tarnung eine feindliche Uniform stiehlt. Zwischenschnitte zu den Sprengungsvorbereitungen der Italiener unterstreichen die Gefährlichkeit und Zeitnot des Unternehmens. Wie bei Skischwüngen wechseln die Bewegungsrichtungen Dimais zwischen Links- und Rechtsdiagonalen. Das Tempo Dimais steigert sich parallel zum Tempo der Montage. Einstellungsfolgen werden dadurch miteinander verschliffen, daß die Bewegung der Figur den Anschluß an die jeweils nächste Einstellung herstellt. Die Skifahrt gibt sozusagen die Montage vor. Dominieren in den ersten Einstellungen weitgehend Halbtotal- und Halbnahperspektiven, verengt sich der Kameraausschnitt mit zunehmendem Tempo auf Nah- und Großaufnahmen, was sein Tempo zusätzlich beschleunigt, um ihn schließlich in einer Art Zielgerade in den talnahen Wald seines Dorfes einlaufen zu lassen.

Es ist klar, daß Dimai nicht nur als schnellster und gewandter Skiläufer zu diesem Unternehmen prädestiniert ist, sondern auch, weil er – als Bergsteiger den anderen immer ein Stück voraus – um die jeweils aktuelle strategische Lage weiß. Demgegenüber repräsentiert sein Vorgesetzter, Leutnant Kall, den pflichtbewußten österreichischen Soldaten, der den Befehlen seines Hauptmanns im Tal unterworfen ist und darüberhinaus keine vergleichbare alpinistische Kompetenz entfalten kann. Es ist bezeichnend, daß er sich gleich in einer der ersten Szenen den Fuß verstaucht und in der Folge nur mehr mit Stock auftritt. Sein Aktionsradius ist auf seinen Unterstand und die Kaverne beschränkt. Sein einziges Kriegsmittel ist das Telefon, über das er regelmäßig seine Rapporte durchgibt und – erfolglos – um Materialnachschub ansucht. In der entscheidenden Phase wird auch diese Verbindung noch unterbrochen. Dimais Kompetenzen, sein Informations- und Mobilitätsvorsprung sind genau jene, die Kall fehlen. So kann Trenker die Rangfolge der beiden Figuren umkehren, ohne die militärische Hierarchie in Frage zu stellen. Im Ernstfall kann die soldatische Autorität durch eine vertreten werden, die auf bergsteigerischer Beweglichkeit basiert. Dimai ist daher der eigentliche Anführer der Mannschaft. Seine Integrität verdankt sich dem Umstand, daß er sein Können in die Logik des Krieges stellt. Sie ergibt erst den eigentlichen Sinn seiner Aktionen. In der Realität des echten Krieges, wo diese übergeordnete Sinngebung fehlt oder auch nur bezweifelt werden kann, erfahren Einzelgänger, wie Trenker zu berichten weiß, ein anderes Schicksal. In Kameraden der Berge weist er auf ein Vorbild für seine Figur des Dimai hin, den Standschützen Bartolo Barbaria. Weil er unter Heimweh litt, versuchte er eben das, was Dimai im Film gelingt. Im Unterschied zum Helden Dimai wurde Barbaria der Desertion verdächtigt und an einen anderen Frontabschnitt versetzt. (8) Berglandschaft und Bergheld treten noch in einer weiteren wichtigen Konfigurationen auf. Wie Martin Warnke in seiner Studie über die politische Landschaft (9) ausführt, verkriecht sich der moderne Soldat vor der Effizienz der neuen Waffen immer mehr in die Erde und gleicht sich in seiner Tarnung auch äußerlich der Landschaft an. Wenn er sich in sie aus taktischen Gründen zurückzieht, begibt er sich jedoch in Gefahr, in ihr tatsächlich zu verschwinden. Auch in Trenkers Kriegsfilm sind die Grenzen zwischen Tarnung und Tod unscharf. Ein Soldat auf Wachposten erfriert im Schneesturm; eine Trägerkolonne, die Nachschub bringen soll, wird von einer Lawine verschüttet – ein Postbote hat bereits gewarnt, daß diese aufgrund des hohen Schnees kaum vorwärts gekommen sei.

Demgegenüber stehen Bilder, die Dimai zeigen, wie er aufrecht Gipfelpositionen bezieht und sich über die Landschaft erhebt. Wie als Alpinist definiert ihn auch als Soldat die Notwendigkeit, sich der Landschaft selbstsicher zu stellen. Lawinne, die die einen vernichten, kann er dazu nützen, sich über die italienischen Wachen hinweg in die Tiefe zu katapultieren. Wo die Kühnheit eines Einzelnen die Landschaft bezwingen kann, wo man ihr wie dem Krieg furchtlos gegenübersteht, kann die Natur zum Verbündeten werden.

Das zeigt sich auch in Trenkers nächstem Film Der Rebell, in dem die Allianz zwischen naturvertrauten Bauern und ihrer angestammten alpinen Umgebung schlachtentscheidend wird. Vom „natürlichen Gefühl“ für den taktischen Nutzen ihrer Berge vermögen die Bauern gegen die stolzen Pferde, Waffen und „blinkenden Uniformen“ der napoleonischen Soldaten erfolgreich vorzugehen. (10) Sie mobilisieren ihre Landschaft gegen einen Gegner, der nicht landschaftlich gebunden ist. Im Film wird kaum das notwendige und mühevolle Sammeln und Häufen von Geröll und Baumstämmen gezeigt. Die Landschaft tritt gleichzeitig mit den Aufständischen in Aktion. Es galt, so Trenker über die aufwendigen Aufnahmen im Finstermünztal, „einen totalen Eindruck von Aufruhr der Menschne, der Felswände, der rollenden Lawine und der stürzenden Wasser in seiner ganzen Wildheit und Wucht einzufangen. Himmel und Erde sollten miteinbezogen werden und mitspielen.“ (11)

Dieses bodenständige Verhältnis zum Berg, wie es die Kämpfer auf der Seite Trenkers haben, wird in Berge in Flammen durch das Bohrunternehmen der Italiener buchstäblich unterminiert. Sie sind offenbar nicht nur dem Berg gegenüber fremd, sondern auch der Festungsmentalität der Tiroler. Es ist bezeichnend, daß die Kriegsführung der Italiener vor allem über die akustische Ebene vermittelt wird. (12) Das entspricht dem Gesamtprofil ihrer militärischen Strategien. Wo sie agieren, stoßen sie entweder auf keinen Gegner (das Dorf wird kampflos eingenommen) oder verlassen sich auf den Schutz der Nacht. Ihre Kriegsführung erfolgt auf der Tonspur, was suggeriert, daß sie der offenen, sichtbaren Auseinandersetzung ausweichen und dem Kampf die Technologie vorziehen. In der Sprengung des Col Alto hat die unsichtbare Taktik der Italiener schließlich ihren infamen Höhepunkt. Die Einstellungen, die die österreichische Mannschaft ab den Sprengungsvorbereitungen in ihrer Kaverne zeigen, sind mit dem unablässigen Lärm dieser Bohrarbeiten unterlegt. Der Druck einer Vorsprengung im Berg bringt in der Kaverne plötzlich Tische zum Zittern. Leutnant Kall versucht die Mannschaft zu beruhigen: „Solange die noch bohren, haben wir nichts zu befürchten.“ Von nun an wird der Bohrlärm zur kontinuierlichen Klangfolie des Lagerdaseins mit entsprechenden psychischen Konsequenzen. Als die Arbeiten beendet sind und der Stollen mit Sprengstoff gefüllt wird, beginnt der eigentliche Showdown. […] Erst im letzten Moment stürzt Dimai in die Kaverne herein, um die Mannschaft zu warnen, und ermöglicht so die rechtzeitige Flucht vor der Sprengung.

Die Darstellung einer auf Technologie basierenden Kriegsführung ist aber nicht ausschließlich auf die Italiener beschränkt. Bloß ist die Technik der Österreicher im Vergleich zur italienischen untauglich und ineffizient. Schon die Informationsvermittlung zwischen der Kommandostelle im Tal uind der Kaverne am Berg, die regelmäßigen Rapporte über Verluste und Nachschubprobleme sind sinnentleerte Rituale, die den eigentlichen Kampf nicht weiterbringen, sondern eher behindern. Der Hauptmann, der erst zum Apparat gerufen werden muß, gibt zwar Order, die Stellung zu halten, kann aber im Ernstfall nicht einmal mit einer Bohrmaschine aushelfen. Es ist eine industrialisierte und entfremdete Kriegsführung, die in Innenräumen, in den Kommandostellen stattfindet und mit dem Krieg der Helden draußen nichts zu tun hat. Gewissermaßen als Beweisstück der ungleich höheren Effizienz des körperlich ausgetragenen Kampfes rücken die österreichischen Soldaten mit Dimai als Anführer zur Patrouille aus. Ihre rasante Skifahrt wird von feindlichen Maschinengewehrsalven eher rhythmisch begleitet als gefährdet und erhält noch dadurch zusätzliche Verve, daß sie zugleich Angriff und Flucht bedeutet. Aus der Differenz zwischen akustisch und visuell vermittelten militärischen Strategien werden also zwei grundsätzlich verschiedenen Formen des Kriegs deutlich: einer, dessen Wirkungsweisen unsichtbar bleiben und der sich nur im suspekten Raum des Tons äußert, und einer, der sichtbar wird, zielgerichtet ist und die Landschaft mit dem Körper konfrontiert. So kann die Fiktion eines konkreten Krieges aufgestellt werden, der auf sportlichen Einzelleistungen basiert. Wie im Roman interessieren Trenker eher nicht die großen Materialschlachten, sondern die „verwegenen“ Einzelaktionen „einzelner Tiroler Soldaten“. (13) Entlang dieser Favorisierung ist die Darstellung des Krieges insgesamt zu beurteilen. Ein zermürbender Stellungskrieg, in dem faktisch psychische Zerrüttung, Kälte, Nahrungsmangel und Lawinentod bestimmend waren, erfährt nachträglich Dynamik und ästhetische Erhöhung. Freilich, auch sogenannte Antikriegsfilme sind insofern immer Kriegsfilme, als in ihnen Krieg, wie grausam oder realistisch auch immer, innerhalb der filmischen Prinzipien der Bewegung, des Schocks, der Spannung sensationalisiert wird. Von jenen wenigstens der Absicht nach kritischen Arbeiten unterscheidet sich aber der Trenkersche Film dadurch, daß der Krieg mit konkreten Zielen und der Möglichkeit individueller Bewährung ausgestattet wird. Dort, wo sich Trenker verbale Ausfälle gegen den Krieg erlaubt, (14) beziehen sie sich auf die Entfremdungserscheinungen des anonymen Krieges, der nicht im Namen eines „Heimatbodens“ ausgetragen wird.

  1. Die Filme waren: Der Ruf des Nordens (1929), Die heiligen drei Brunnen (1929/30), Der Sohn der weißen Berge (1930)
  2. Als Beispiele: Lewis Milestone: All quiet on the Western Front (1930) G. W. Pabst: Westfront 1918 (1930) Victor Trivas: Niemandsland (1931)
  3. Hans Beller: Gegen den Krieg – Im Westen nichts Neues (All quiet on the Western Front, 1929), in: Fischer Filmgeschichte Band 2 (hrsg. v. Wener Faulstich/Helmut Korte), Frankfurt 1991, S. 119f.
  4. Luis Trenker: Alles gut gegangen. Stuttgart 1965, S. 260.
  5. Arnold Fanck gegen Luis Trenker, in: Die Filmwoche, Berlin, 8. Jg. Heft 44, 29.10.1940, S. 1384.
  6. Nach 1933 übernahm die HOM-Film von Harry Sokal den Verleih, obwohl Sokal ursprünglich Trenkers Kläger war.
  7. Luis Trenker: Berge in Flammen, Berlin 1931, S. 193
  8.  Luis Trenker: Kameraden der Berge, a.a.O., S. 225f.
  9.  Martin Warnke: Politische Landschaft – Zur Kunstgeschichte der Natur, München 1992, S. 119f.
  10. Luis Trenker: Der Rebell, Berlin 1935, S. 204
  11. Luis Trenker: Alles gut gegangen, Berlin 1935, S. 285
  12. Auf die geschickte Tonmontage dieser Sequenz hat übrigens schon Rudolf Arnheim aufmerksam gemacht. Rudolf Arnheim: Film als Kunst (1932), München-Wien 1974, S. 278.
  13. Luis Trenker: Berge in Flammen, a.a.O., S. 5.
  14. Einmal äußert sich Trenkeralias Dimai über den „Saukrieg“, nachdem Feldbriefe ausgeblieben waren, ein anderes spricht Pia von dem „verfluchten Krieg“, als sie das falsche Gerücht von Dimais Tod vernommen hat.
Berge in Flammen

Sequenzprotokoll
Zeitgenössische Filmkritiken
Retrospektive Filmkritiken
Arbeitshinweise


Einführung

Christian Rapp zufolge behandelt Berge in Flammen den Krieg „als alipnistisches Motiv“. Nachdem er eingangs auf die Produktionsgeschichte des Films und das Zerwürfnis der Bergfilm-Ikonen Luis Trenker und Arnold Fanck eingeht, analysiert Rapp das Verhältnis des Berghelden Dimai / Trenker zur alpinen Landschaft unter Kriegsbedingungen, wobei er andere Filme und Romane Trenkers zu Vergleichen heranzieht. Der natur- und heimatverbundenen Kriegführung der Tiroler stellt Rapp die „infame“, technologiebasierte Taktik der Italiener entgegen. Durch ästhetische Überhöhung schaffe Trenker die verklärende „Fiktion eines konkreten Krieges“, der auf männlichem Heldentum und sportlicher Einzelleistung basiere.

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