Ohne Dich wird es Nacht (1956)

Szenenfoto mit Eva Bartok und Curd Jürgens (Foto: Filminstitut Hannover)

Inhalt

Der Griff des Rechtsanwalts Dr. Kessler zum Morphium ist tragisch, aber ihm bleibt keine Wahl: Dem einst brillanten Redner versagt vor Gericht die Stimme. Nur das Gift bekämpft seine Rede Hemmung, doch er wird zum Sklaven der Droge. Erst als der Süchtige sich verliebt, gewinnt er wieder Hoffnung. Eine Entziehungskur, der er sich seiner Frau Gina zuliebe unterzieht, bringt zunächst Heilung. Doch der Kampf gegen einen Rückfall wird zur Qual.

Regie: Curd Jürgens
Regie-Assistenz: Elly Rauch
Buch: Walter Forster; nach einem Originalstoff von Walter Forster und Georg Hurdalek
Kamera: Friedl Behn-Grund
Kamera-Führung: Dietrich Wedekind
Kamera-Assistenz: Richard Weihmayr
Bauten: Fritz Maurischat, Ernst Schomer
Koslüme : Alfred Bucken.
Maske: Franz Mayrhofer, Charlotte (Schmidt)-Kersten.
Schnitt: Caspar van den Berg
Ton: Hans-Joachim Richter
Musik: Hans Martin Majewski


Darsteller:

Eva Bartok (Gina Bergold)
Curd Jürgens (Dr. Robert Kessler)
René Deltgen (Charly Justin)
Ernst Schröder (Arthur Wehrmann)
Ursula Grabley (Barfrau)
Carl Wery (Roberts Vater)
Karin Evans (Frl. Bahlke)
Hedwig Wangel (Julchen)
Leonard Steckel (Dr. Bräuner)
Wolfgang Neuss (Apotheker)

Produktion: Filmaufbau GmbH, Göttingen; in Zusammenarbeit mit Arca-Filmproduktion GmbH, Berlin/West
Produzent: Hans Abich, Rolf Thiele
Co-Produzent: Gero Wecker
Herstellungsleitung: Hans Abich.
Produktionsleitung; Gottfried Wegeleben
Aufanhmeleitung: Jürgen Mohrbutter, Richard Oehlers, Kurt Zeimert
Drehort: Atelier Göttingen
Außenaufnahmen: Hannover
Länge: 104 min, 2836 m.
Format: 35mm, s/w, l:1.33.
Uraufführung: 17.8.1956, Hamburg (Barke).

Man sehe, höre und staune: ein deutscher Unterhaltungsfilm mit mutiger Problematik, mit Takt und psychologischer Konsequenz. Das dürfte wohl eine Seltenheit sein, eine leise Sensation sozusagen … Und Curd Jürgens führt zum ersten Mal Regie, eine dezente und überlegene Regie üribrigens (…)

Ja, und der Film? – Der Chronist ist beherrscht genug, nicht sämtliche Jubeltasten seiner Schreibmaschine zu hämmern. Eine einzige Schwalbe macht noch keinen deutschen Leinwandsommer, aber die Schwalbe zwitschert hier. Nach dem klugen Drehbuch von Walter Forster und Georg Hurdalek ist der Rechtsanwalt Jürgens dem Rauschgift verfallen, motiviert aus dem Ehrgeiz, eine Sprechbehinderung, Stottern genannt, für seinen Beruf zu übertäuben. Die Vorgeschichte dieser Sucht nach Morphium ist hieraus und aus übriggebliebenen Schmerzen vom Kriege nicht unbedingt stichhaltig, aber vielleicht vom Vater her, dem Carl Wery das Profil jener Männer gibt, die durch ihre Kinder nicht in der Regeldetri ihres Daseins gestört sein wollen und gleichsam unschuldig in die Schuld geraten, fast begründet. Eva Bartok, Jürgens wirkliche Frau und Lebensgefährtin, auf der Leinwand zugleich, übernimmt nach einer von ihr inszenierten Entziehungskur die Verantwortung, Rückfälle zu verhüten. Wenn es dann allerdings darum geht, ihren Mann zu
veranlassen, einen Suchtkollegen von fälschlichem Mordverdacht freizupauken (René Deltgen in überzeugender Intensität), ist sie in der Katharsis dazu fähig, ihm für die Rettung des Klienten jene Droge zu geben, die ihn zu einer souveränen Verteidigung befühigt. Danach meldet sich Morphium-Jürgens wieder beim Professor der Nervenheilanstalt (Leonard Steckel), und da er sich nunmehr aus völlig eigener Initiative stellt, ist vielleicht, aber, bitte, nur vielleicht, die Heilung möglich.

Es ist ein trügerisches und ein variables Happy-End, das hier stattfindet, und jeder möge es auffassen, wie er es will. Der Arzt sagt nein, die Kinobesucher sagen ja, und wenn der Arzt ein Filmgänger sein sollte, ist er vielleicht dennoch
und trotzdem beeindruckt, wei lhier ohne Ambitionen die psychoanalytischen und klinischen Erfahrungen sehr vorsichtig behandelt sind. (…)

Der Film hat lediglich einen falschen Titel, weil die Liebe allein keine Sucht heilen kann. Man möchte dafur plädieren, daß weder Alkoholismus noch Rauschgift moralisch diffamierende Delikte bleiben, sondern als Krankheiten sehr diffiziler Art begriffen werden. Falls dieser Film dazu beiträgt, ist er sicherlich wohlgetan.


Lothar Papke, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.8.1956

Curd Jürgens spielt in dieser Rauschgift-Elegie den süchtigen Dr. jur. und seine Frau Eva Bartok die durchhaltend Liebende. Weder die gefühlsamen Bilder von dem Duell zwischen Morphium und Liebe noch die monotone Entziehungskur geben viel Spannung her, doch – der Regisseur Curd Jürgens hat mit den stärkeren Momenten haushälterisch gewirtschaftet und auch den sorgsam besetzten Randfiguren Platz gelassen. Besser als Jürgens: Rene Deltgen als aus der Bahn geworfener Radrennfahrer. Einprägsamer als die Breitwandbilder des Films: das musikalische Leitmotiv, ein von Hans-Martin Majewski geschickt ausgenutztes, modern arrangiertes Bach-Zitat. (Filmaufbau/Area-Film.)

Der Spiegel 36/1956, 04.09.1956

ERINNERUNGEN AN EIN FILMPROJEKT

Von Hans Abich

Wir in Göttingen wollten 1956 in unserer Filmaufbau GmbH für unseren hauptsächlichen Verleiher, Kurt Schorcht, in München einen Spielfilm zu dem damals aktuell werdenden Drogenthema drehen. Drei wichtige Vorentscheidungen hatten wir getroffen und Curd Jürgens als Hauptdarsteller, Wolfgang Staudte als Regisseur und Franz Geiger als Drehbuchautor gewonnen.

Mein Freund und Produzentenpartner Rolf Thiele und ich gingen auf Finanzierungsreise. Als wir nach Göttingen zurückkamen, hatte sich Franz Geigers Treatment in der Weiterarbeit daran mit Wolfgang Staudte zu einem Drehbuch verwandelt, in welchem wir „unseren“ Stoff bei bestem Willen nicht wiederzuerkennen vermochten. Aber unsere Änderungswünsche stießen bei den beiden auf Widerstand. Die Hoffnung auf Einigung kostete Zeit und Nerven, was zuweilen dasselbe bedeutete.

Es kam der Punkt, an dem ich nur noch eine radikale Lösung sah: das von uns hochgeschätzte Paar, das durch uns erst zusammengekommen war, um Verzicht auf die vereinbarte Weiterarbeit an diesem Spielfilmprojekt zu bitten – fairerweise gegen Auszahlung ihrer Honorare. Damit uns nicht das Herz über diesem Konflikt breche, sagte ich ihnen noch in der Tür, dass ich alles daransetzen würde, mit jedem von ihnen noch je einen Film in spe zu realisieren. Für diesmal schieden wir sozusagen ritterlich …

Ich habe unseren Film OHNE DICH WIRD ES NACHT (1956) in guter Erinnerung behalten, aber nur noch einmal in all den Jahren seither wieder gesehen. Es läge mir auch daran, zumindest die hauptsächlichen Leistungen, etwa die des Kameramannes, zu streifen. Beispielsweise vollbrachte ein Drehbuchschreiber die entsagungsvolle Aufgabe, bis in die Drehzeit hinein das sagenhafte Tonband des Curd Jürgens in ein für alle lesbares Drehbuch umzusetzen. Das war der Autor Walter Forster vom Tegernsee. Eigene Einfälle waren erlaubt …

(…)

Aber diese Reminiszenz will ja von unserem „Retter“ damals berichten. Und dazu gehörte, dass dieser Curd Jürgens, der uns Freund wurde und blieb, eine ernste und zugleich heitere Gelassenheit vor und nach dem täglichen Dreh aufbrachte, obgleich er über besondere Strapazen hätte klagen können, die aus der Entstehungsgeschichte dieser Produktion erwachsen waren.

Jürgens und Bartok, das war damals auch ein liebenswürdiges und temperamentvolles Liebespaar. Deshalb machte es uns ein wenig traurig, als bei der Uraufführung dieses frühen Spielfilms in Hamburg spürbar wurde, dass etwas an der Ehe Jürgens-Bartok ins Brüchige geraten war. Dankbar denke ich an beide.

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Hans Abich

In: Hans-Peter Reichmann (Hg.): Curd Jürgens. Frankfurt am Main 2000/2007 (Kinematograph Nr. 14)

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