Die Lüge und der Tod (1988)

Inhalt

Die halbstündige Dokumentation „Die Lüge und der Tod“ untersucht zwei jeweils fünfminütige Filmdokumente von 1941, die aus dem Stadtarchiv Stuttgart stammen: Der erste Film trägt den programmatischen Titel „Lebensmittel-Sonderverkaufsstelle für Juden in der ehemaligen Gastwirtschaft zum Kriegsberg“, der zweite zeigt Stuttgarter Juden, die vor dem Abtransport auf dem Gelände der ehemaligen „Reichsgartenschau“ konzentriert wurden. Der Dokumentarfilm zeigt beide Filme nahezu unkommentiert, um sie anschließend einer quellenkritischen Untersuchung zu unterziehen und mit anderen (schriftlichen) Dokumenten zu kontrastieren, wodurch der erste Film als Propagandalüge entlarvt wird und der zweite ein komplexes Bild von der nationalsozialistischen Vernichtungs-Bürokratie vermittelt.


Die Lüge und der Tod (DDR 1988)
Realisation: Stephan Hermlin, Walter Heynowski und Gerhard Scheumann
Unter Mitarbeit von: Traute Wischnewski, Horst Donth, Walter Martsch, Wolfgang von Polentz, Ilse Radtke, Eberhard Schwarz und Matthias Remmert
Produziert vom DEFA-Studio für Dokumentarfilme (Berlin)
Laufzeit: 34 Minuten.

Nr.

Inhalt

Länge

Zeit

01.

Vorspann und Einleitung mit Vorstellung der Filmrolle Nr. 28 aus dem Stadtarchiv Stuttgart.

0.50

0.00 – 0.50

02.

Vorführung des Films „Lebensmittel-Sonderverkaufsstelle für Juden in der ehemaligen Gastwirtschaft zum Kriegsberg“, wobei Zwischentitel vorgelesen und wenige Erläuterungen gegeben werden.

5.25

0.50 – 06.15

03.

Die Filmrolle wird gezeigt und die Texttafel „Die Lüge“ darüber eingeblendet. Es folgt eine Kommentierung des Films unter Vorführung verlangsamter Ausschnitte und Verwendung von Standbildern. Vorgelesen wird ein Bericht des Zeugen Alfred Marx über die Filmfirma Lommes. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Bericht vom Stadtarchiv nur mit getilgten Namen zur Verfügung gestellt wurde. Der Kommentar enttarnt Propagandalügen des Films und führt die im Film vorkommenden Juden vor, die ermordet wurden.

8.22

06.15 – 14.37

04.

Vorstellung der Filmrolle Nr. 34 und ihre anschließende Vorführung. Gezeigt wird die Deportation der Stuttgarter Juden am 1. Dezember 1941. Verlesen wird ein an das Stadtarchiv Stuttgart von Paul Nägele über dessen Beteiligung an der Filmfirma Lommes. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass der zweite Film nicht von der Firma Lommes, sondern von der Gestapo hergestellt wurde.

5.24

14.37 – 20.01

05.

Im Rückgrill auf Film Nr. 28 soll demonstriert werden, dass die Gestapo schon an dessen Herstellung beteiligt gewesen war. Filmrolle Nr. 34 wird gezeigt und die Texttafel „Der Tod“ darüber eingeblendet. Anschließend wird Film Nr. 34 mit Zitaten kommentiert, während verlangsamte Ausschnitte und Standbilder darauf gezeigt werden. Der Kommentator verliest die Instruktionen der Gestapoleitstelle Stuttgart für die Judendeportationen, zwei Schreiben der jüdischen Kultusvereinigung Württemberg e.V., 1. das Transportschreiben zur „Evakuierung“ und 2. die Einforderung der Transportkosten, sowie Auszüge aus Gestapo-Erlässen zur Durchführung und zum Ablauf der Deportation vom 1. Dezember 1941.

13.46

20.01 – 33.47

06.

Die leeren Koffer der Deportierten werden im Schaukasten einer Fabrikhalle gezeigt. Abspann.

0.39

33.47 – 34.26

Walter Heynowski und Gerhard Scheumann:

Heynowski und Scheumann, bzw. ihr 1969 gegründetes Studio H&S, gehörten zu den bekanntesten Dokumentarfilmern der DDR. Vom DDR-Kulturministerium mit einem großzügigen Etat ausgestattet, verfügten Heynowski und Scheumann über ständige Ausreisegenehmigungen und wurden auf Dokumentar- und Kurzfilm-Festivals mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 1982 wurde das Studio H&S vorübergehend geschlossen, nachdem Scheumann Kritik an der Kulturpolitik der SED geäussert hatte.

Stephan Hermlin:

Der 1915 als Sohn einer jüdischen Einwandererfamilie in Chemnitz geborene Stephan Hermlin, der eigentlich Rudolf Leder hieß, emigrierte 1936 und kehrte 1945 nach Deutschland zurück. Seine angebliche Internierung im KZ Sachsenhausen ist genauso umstritten wie seine Widerstandstätigkeit im Dritten Reich und in der französischen Résistance oder die Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg. Nachdem er sich nach Kriegsende in verschiedenen Gremien in der sowjetischen Besatzungszone engagiert hatte, übte er in der DDR kulturpolitische Funktionen aus, unter vielen anderen die des Präsidenten des Deutschen Jugendrings und des Sekretärs der Sektion Dichtkunst und Sprachpflege an der Akademie der Künste. Letzterer Funktion wurde er enthoben, nachdem er 1962 eine Lesung junger Lyriker mitorganisiert hatte, zu der auch Wolf Biermann gehörte.
Als einer der populärsten und wichtigsten Schriftsteller der DDR beschränkte sich Hermlin nicht auf Lyrik und Belletristik, sondern betätigte sich darüber hinaus als Übersetzer, Kritiker und Herausgeber und veröffentlichte neben Reportagen sogar ein Hörspiel für den DDR-Rundfunk. Hermlin starb 1996 in Berlin.

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