Die Halbstarken (1956)

Inhalt

Berlin in den 50er Jahren. Der 19-jährige Freddy Borchert ist der Anführer einer Halbstarken-Bande. Er ist von zu Hause abgehauen, weil er seinen Vater, einen gewissenhaften Beamten, der seine Familie tyrannisiert, nicht mehr ertragen kann. Aufgrund einer Bürgschaft ist das Geld in der Familie knapp: Freddys Vater muss die Schulden seines Schwagers abzahlen. Jan, Freddys jüngerer Bruder, nimmt Freddys Prahlereien für bare Münze und bittet ihn, ihm Geld zu geben, damit der Vater die Schulden loswird. Freddy bereitet gerade den Überfall auf ein Postauto vor und nimmt Jan mit dem Versprechen mit, ihm das benötigte Geld zu geben. Alles verläuft nach Plan. Doch als sie vor ihren Freundinnen die Säcke öffnen, enthalten diese nur wertlose Postanweisungen. Freddys Ansehen bei der Bande und bei seiner Freundin Sissy ist danach gleich Null. Dagegen hilft nur der Einbruch in eine Villa, um den Tresor auszurauben. Sissy macht mit. Bei dem Versuch, Freddy zurückzuhalten, wird Jan niedergeschlagen. Doch Jan folgt ihnen, um das Schlimmste zu verhindern. Als der Villenbesitzer um Hilfe ruft, legt Freddy seinen Revolver auf ihn an, kann aber nicht abdrücken. Schließlich reißt Sissy die Waffe an sich und schießt. (ARD Programinformation 07.08.2017)

Originaltitel Die Halbstarken
Produktionsland Bundesrepublik Deutschland
Erscheinungsjahr 1956
Länge 92 Minuten
Stab
Regie Georg Tressler
Drehbuch Will Tremper,
Georg Tressler
Produktion Inter West Film GmbH (Wenzel Lüdecke)
Musik Martin Böttcher
Kamera Heinz Pehlke
Schnitt Wolfgang Flaum

Darsteller/innen

  • Horst Buchholz: Freddy Borchert
  • Karin Baal: Sissy Bohl
  • Christian Doermer: Jan Borchert
  • Jo Herbst: Günther
  • Viktoria von Ballasko: Maria Borchert
  • Paul Wagner: Hans Borchert
  • Stanislav Ledinek: Antonio Garezzo
  • Eduard Wandrey: Garezzos Vater
  • Friedrich Joloff: Theo
  • Hans-Joachim Ketzlin: Willi
  • Karlheinz Gaffkus: Kudde
  • Mario Ahrens: Mario
  • Manfred Hoffmann: Klaus
  • Wolfgang Heyer: Wölfi
  • Egon Vogel: Prillinger
  • Gudrun Krüger: Gabi
  • Fritz Daniger
  • Benno Hoffmann
  • Heinz Palm
  • Hans Putz
  • Anneliese Würtz

 

Zwei Talente, die mit ihrem Debütfilm einen großen Erfolg hatten, den sie mit ihrer weiteren Arbeit nicht wiederholen konnten oder wollten, waren der frühere Dokumentarfilmregisseur Georg Tressler und der frühere Journalist Will Tremper; ihr gemeinsamer Erfolgsfilm war DIE HALBSTARKEN, geschrieben von Tremper, der später selbst einige sehr interessante Filme (Flucht nach Berlin, Die endlose Nacht, Playgirl) drehte und dann zum Journalismus zurückkehrte, inszeniert von Georg Tressler, der nach der sehr schönen Endstation Liebe (Buch Tremper) nur noch halbwegs interessante Filme hervorbrachte und schließlich seine Zuflucht beim Fernsehen suchen mußte. Das Projekt DIE HALBSTARKEN war die Frucht einer doppelten Spekulation (wir sehen keinen Anlaß, dieses Wort Spekulation als ein Schimpfwort zu benutzen). Das Problem der Halbstarken war ein heißes Schlagzeilen-Thema der Zeit; Tremper, ein Berliner Milieu-Kenner und als Sensationsreporter bei der BZ ein kleiner Geistesverwandter des frühen Billy Wilder, kannte sich hier ganz genau aus. Die weitere Spekulation lief darauf hinaus, die Welterfolge SAAT DER GEWALT und DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (beide1955) nachzuahmen. Fast automatisch führte der Stoff aber auch zurück zu fruchtbaren Quellen, zu den Berliner Straßen- und Sozialfilmen, die um 1930 entstanden waren; allein die Rückbesinnung auf dieses Milieu machte die Halbstarken schon zu einer Sensation unter den total eskapistischen deutschen Filmen der Zeit. Wie Tremper erzählt, waren der Produzent Wenzel Lüdecke und er auf Tressler verfallen, weil sie von diesem einen faszinierenden Film über Kartoffelanbau gesehen hatten: »Wenn der ein so trockenes Thema so aufregend darstellt, was mußte er erst aus einem von Hause aufregenden Stoff machen!« (Tremper). Das Resultat gab ihnen recht.

aus: C. Bandmann/J. Hembus:


Karin Baal und Horst Buchholz – die Protagonisten in “Die Halbstarken”

Zunächst einmal galt es für Tressler und Tremper,  Hauptdarsteller zu finden, die “den Zeitgeist verkörperten”. Für den männlichen Part bot sich der Berliner Horst Buchholz an. Der gefiel den Frauen, hatte James Dean in der deutschen Fassung von “Rebel Without A Cause” (“Denn sie wissen nicht, was sie tun”) synchronisiert und machte eine prima Figur als kleinkrimineller und verstörter Jugendlicher aus kaputtem Elternhaus.

Aus der Suche nach dem weiblichen Gegenpart von Buchholz machten Tremper und Tressler einen medienwirksamen Wettbewerb. 700 Mädchen bewarben sich für die Rolle der 16jährigen Femme Fatale, die sinnigerweise den Vornamen “Sissy” trug. Erfolgreich war letztlich die zu diesem Zeitpunkt erst 15jährige Karin Baal, alias Karin Blauermel. Die Blondine aus Wedding hatte keinerlei Schauspielausbildung, was in den 50ern noch unüblicher war als heute. Trotzdem erwies sie sich als der eigentliche Glücksgriff in “Die Halbstarken” – auch wenn sie selbst darüber im Nachhinein nicht immer glücklich war. > mehr

rockabilly-rules.com  (abgerufen: 18.02.2022)

 

 

„Bei allen vergröbernden Tendenzen ein beachtenswerter Film mit ausgezeichneter Kameraarbeit, guten Darstellern und einer nicht zu unterschätzenden unterhaltenden Intensität.“ (Filmdienst.de)

 

Gemeint

sind nicht nur die Lieblingskinder der neueren Soziologie, die halberwachsenen Rowdies und Frechlinge, sondern auch hochkriminelle Teenagers, die Uhren stehlen und Postautos überfallen. Der Regisseur und Dokumentarfilmspezialist Georg Tressler, der seinen ersten Spielfilm inszenierte, führt zu Beginn einige Halbstarken-Bräuche unterhaltend und kennerisch vor. Später, bei den umständlichen und zerfahrenen Raub- und Schießaffären, ermattet seine Kraft. Der Bundesfilmpreisträger Horst Buchholz bemüht sich, mit stechendem Blick und Angebergesten die übertünchte Schwäche seiner Generation darzutun. Die fünfzehnjährige schlitzäugige Karin Baal hat ihr Ziel, die Marina Vlady vom Wedding zu werden, einigermaßen erreicht. 

Aus: Die Halbstarken (Deutschland)  DER SPIEGEL 42/1956 –

 

Auf den Straßen von Berlin drehte der improvisationsfreudige Georg Tressler seinen berühmten Film DIE HALBSTARKEN, der einen beachtlichen internationalen Erfolg erzielen konnte und dessen Hauptdarsteller Horst Buchholz, Karin Karin Baal und Christian Doermer über Nacht außerordentlich populäre Stars wurden. Der Film hat viele Fehler und bezeugt zuweilen einen etwas zweifelhaften Geschmack, hat aber seinen Wert durch Tresslers unbezweifelbare Ehrlichkeit und die Luzidität, mit der er das Thema der Gewalttätigkeit angeht. Er versucht, mit Naivität, aber auch mit Objektivität zu zeigen, wie und warum aus einem 20jährigen Jungen, der nicht schlechter ist als viele andere auch, ein Ganove und sogar ein Krimineller werden kann. Diese Demonstration wird zuweilen verfälscht durch Outriertheiten bei der Darstellung der sehr ungewöhnlichen Familienverhältnisse und durch die primären psychologischen Reaktionen der Figuren, aber dafür haben die Szenen unter den jungen Leuten den Ton einer ganz seltenen Authentizität. Von vielerlei filmischen Reminiszenzen beeinflußt, die von Pabst bis zu Laslo Benedeks DER WILDE gehen, detailliert Tressler ohne Gefälligkeit die stupide, weil auf Gewalt aufgebaute Revolte seiner Helden, eine zwar unsinnige, aber doch saubere, mutige und virile Revolte. Tressler versucht nicht, seine Helden zu entschuldigen, sondern sie zu erklären«

Yves Boisset, Une Jeunesse en Ruines, in: Présence du Cinéma, 1960

 

 

Dank einer nahezu dokumentarischen Kamera erhob sich dieses Spielfilmdebüt Georg Tresslers weit über den deutschen Film der 50er Jahre … (ARD)

Auch die einfach gestrickte Motivation der beiden ungleichen Helden Freddy und Jan — falsche Freunde, finanzielle Nöte – konnten dem Erfolg des Films keinen Abbruch tun. Die Halbstarken wurden zu einem der erfolgreichsten deutschen Filme der Nachkriegszeit. Denn trotz der Schwächen des Plots ist der Film hervorragend besetzt, technisch sehr gut umgesetzt und weiß auch heute noch spannend zu unterhalten. (Kino-zeit.de)


Nur zwei Beispiel der weit überwiegend poitiven retrospektiven Kritik. Sogar Bandmann/Hambus konnten dem Film positive Aspekte abgewinnen.

Zwei Talente, die mit ihrem Debütfilm einen großen Erfolg hatten, den sie mit ihrer weiteren Arbeit nicht wiederholen konnten oder wollten, waren der frühere Dokumentarfilmregisseur Georg Tressler und der frühere Journalist Will Tremper; ihr gemeinsamer Erfolgsfilm war DIE HALBSTARKEN, geschrieben von Tremper, der später selbst einige sehr interessante Filme (Flucht nach Berlin, Die endlose Nacht, Playgirl) drehte und dann zum Journalismus zurückkehrte, inszeniert von Georg Tressler, der nach der sehr schönen Endstation Liebe (Buch Tremper) nur noch halbwegs interessante Filme hervorbrachte und schließlich seine Zuflucht beim Fernsehen suchen mußte. Das Projekt DIE HALBSTARKEN war die Frucht einer doppelten Spekulation (wir sehen keinen Anlaß, dieses Wort Spekulation als ein Schimpfwort zu benutzen). Das

Problem der Halbstarken war ein heißes Schlagzeilen-Thema der Zeit; Tremper, ein Berliner Milieu-Kenner und als Sensationsreporter bei der BZ ein kleiner Geistesverwandter des frühen Billy Wilder, kannte sich hier ganz genau aus. Die weitere Spekulation lief darauf hinaus, die Welterfolge SAAT DER GEWALT und DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (beide1955) nachzuahmen. Fast automatisch führte der Stoff aber auch zurück zu fruchtbaren Quellen, zu den Berliner Straßen- und Sozialfilmen, die um 1930 entstanden waren; allein die Rückbesinnung auf dieses Milieu machte die Halbstarken schon zu einer Sensation unter den total eskapistischen deutschen Filmen der Zeit. Wie Tremper erzählt, waren der Produzent Wenzel Lüdecke und er auf Tressler verfallen, weil sie von diesem einen faszinierenden Film über Kartoffelanbau gesehen hatten: »Wenn der ein so trockenes Thema so aufregend darstellt, was mußte er erst aus einem von Hause aufregenden Stoff machen!« (Tremper). Das Resultat gab ihnen recht.

aus  C. Bandmann/J. Hembus: Klassiker des deutsche Tofilms 1930-1980, München 1980, S. 175/76

 

(…) Schon an der inzwischen altmodischen Bezeichnung aufmüpfiger Jugendlicher mit dem Begriff „Die Halbstarken“ wird deutlich, dass der gleichnamige Film aus dem Zeitkontext Mitte der 50er Jahre betrachtet werden sollte. Der Film selbst lässt an der damals landläufigen Meinung wenig Zweifel, wenn er zu Beginn zwei Schrifttafeln zeigt, die darauf hinweisen sollen, dass es sich bei den hier gezeigten Jugendlichen um eine Minderheit handelt und diese „im Zwielicht von Erlebnisdrang und Verbrechen“ heranwachsen. Diese eindimensionale Sichtweise und die daraus entstehende Konfrontation zwischen bürgerlicher Gesellschaft und der ersten Jugendbewegung nach dem Krieg, machen bis heute die Zeitlosigkeit eines Films aus, der den Generationskonflikt und das damalige Lebensgefühl unter den Heranwachsenden authentisch wiedergibt. (…) > mehr
Udo Rotenberg: DIe Halbstarken bei: Grün ist die Heide – 08.04.2013

 

Regisseur Georg Tressler wirbelte den deutschen Film auf und machte alles anders – er nahm die Kamera in die Hand, filmte draussen, ging an die oft schäbigen Originalschauplätze, stellte kein Hallenbad nach, sondern war körperdicht an den Laiendarstellern dran und produzierte ausserdem zur Hälfte der üblichen Kosten. > weiter
 
Nirgendwo ein starker Vater zu sehen – Falk Schwarz auf filmportalde – 09.04.2014

 

Der Film „Die Halbstarken“ mit Karin Baal und Horst Buchholz tändelt zwischen obsessiver Jugendgewalt und embryonaler Jugendkultur im Westberliner Nachkriegsalltag > weiter
 
Andreas Busche: 1956: Fäuste und Hiebe – der Freitag 41/2016

 

Ein beeindruckender Einblick in den deutschen Nachkriegsalltag: Während sich di e Alten mit der neuen Lebens- und Wirtschaftsordnung schwer tun und sich für 5 Mark eine Beule verpassen lassen oder über die Verschwendung einer neuen Jacke in Aufruhr geraten, blüht die Jugend des „Wirtschaftswunders“ im Kapitalismus auf: > weiter

Mehr als ein nur ein „Nachkriegsporträt“ – J Heinemann auf filmportal.de – 29.05.2018

„Einen Halbstarken kann man auf den ersten Blick erkennen: Die Bekleidung besteht meistens aus Texashose, schweren Schuhen, Buschhemd und Halstuch. In vielen Fällen sind es Jungens im Alter von 16 bis 20 Jahren. Nichtstuer, die zu faul zum Arbeiten sind und demnach viel Zeit und Langeweile haben“, urteilte der Südwestdeutsche Rundfunk im Jahre 1956. (zitiert bei: kino-zeit.de)

 

Ganz schlimm, diese Jugend von heute. Das war sie auch in den Fünfzigern schon: „Halbstarke“ legten Innenstädte lahm und prügelten sich mit Polizisten. Sie galten als Symptom des Werteverfalls – ein Irrtum.“ > weiter

 


Nina Neitzert: Der Film „Die Halbstarken“ im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Moderne, München, GRIN Verlag 2003, https://www.grin.com/document/16695

 

 

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