Der Staat gegen Fritz Bauer (2015)

 

Inhalt

Deutschland 1957. Während die junge Bundesrepublik die NS-Zeit hinter sich lassen will, kämpft ein Mann unermüdlich dafür, die Täter im eigenen Land vor Gericht zu stellen: Zwölf Jahre nach Kriegsende erhält der kompromisslose Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner) den entscheidenden Hinweis darauf, wo sich der frühere SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann versteckt halten soll. Gemeinsam mit dem jungen Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) beginnt Bauer die Hintergründe zu recherchieren. Doch es formiert sich Widerstand bis in die höchsten Kreise: In seiner eigenen Behörde verschwinden immer wieder Akten und auch Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler und BKA-Mitarbeiter Paul Gebhardt behindern den unliebsamen Bauer in seinen Ermittlungen. Ein scheinbar aussichtsloser Kampf gegen unsichtbare Gegner beginnt, doch Bauer und Angermann geben nicht auf, wohlwissend, dass ihnen die Jagd auf Eichmann sowohl beruflich als auch privat alles abverlangen wird.

Film nach 2000

Filmansicht auf dem Medienportal Merlin

Originaltitel Der Staat gegen Fritz Bauer
Produktionsland Deutschland
Erscheinungsjahr 2015
Länge 105 Minuten
Stab
Regie Lars Kraume
Drehbuch Lars Kraume,
Olivier Guez
Produktion Thomas Kufus,
Christoph Friedel
Musik Julian Maas,
Christoph M. Kaiser
Kamera Jens Harant
Schnitt Barbara Gies
Besetzung
  • Burghart Klaußner: Fritz Bauer
  • Ronald Zehrfeld: Karl Angermann
  • Sebastian Blomberg: Ulrich Kreidler
  • Jörg Schüttauf: Paul Gebhardt
  • Lilith Stangenberg: Victoria
  • Laura Tonke: Fräulein Schütt
  • Götz Schubert: Georg-August Zinn
  • Cornelia Gröschel: Charlotte Angermann
  • Robert Atzorn: Charlottes Vater
  • Matthias Weidenhöfer: Zvi Aharoni
  • Rüdiger Klink: Chauffeur Heinz Mahler
  • Paulus Manker: Friedrich Morlach
  • Michael Schenk: Adolf Eichmann
  • Nicole Johannhanwahr: Vera Eichmann
  • Tilo Werner: Isser Harel
  • Dani Levy: Chaim Cohn
  • René Heinersdorff: Schneider
  • Nikolai Will: Staatsanwalt Warlo
  • Anna von Haebler: Junge Frau im Kellerclub

„In den deutschen Feuilletons überwog das Lob für Der Staat gegen Fritz Bauer ganz eindeutig.“ So wird bei wikipedia die Filmrezeption zusammengefasst und mit zahlreichen Filmkritiken, die online abrufbar sind, belegt.

 

Worauf die Deutschen stolz sein dürfen, sofern sie brav sind und brav der Geschichte lauschen.

„Worauf können wir Deutsche denn stolz sein?“, fragt eine junge Frau während einer Fernsehtalkshow den kauzigen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner). Die Frage will provozieren, denn ihrer Meinung nach gehört dieser Dr. Bauer zu denen, die vor allem jungen Menschen wie ihr jenes Deutschland madig machen möchten, das sich mit Adenauer gerade neu erfinden will. Der schlagfertige Staatsanwalt kontert natürlich: Gerade ihre Generation, sagt er der jungen Frau, sei es, die es für ihn lohnend erscheinen ließ, aus dem Exil zurückzukehren und in Frankfurt die Arbeit aufzunehmen, um die Naziverbrecher vors Gericht zu ziehen. Stolz könne man nur auf das sein, so fährt er fort, was man selbst zuwege gebracht hat, nicht auf Goethe oder Beethoven. Das Mädchen scheint überzeugt, der Regisseur der Show hat die Brille abgenommen und vergisst für einen kurzen Moment, dass er in erster Linie eigentlich nicht Zuhörer sein sollte, und vor dem Fernseher sitzt der junge Staatsanwalt und Fan von Bauer Karl Angermann (Ronald Zehrfeld), der sich (beinahe) ein Tränchen unterdrücken muss. Der großkotzige Schwiegervater schimpft: „Gefühlsduselei“. Diese Szene ist der Schlüsselmoment von Der Staat gegen Fritz Bauer, nicht nur, weil hier, in den vielen Gesichtern der bewegten Zuhörer, die Affektökonomie als Inszenierungsprinzip, als Pathosformel des Films deutlich zutage tritt, sondern auch, weil sich dieser Film natürlich nicht nur implizit als eine ganz deutliche Antwort auf die Frage dieser jungen Frau verstanden wissen will: Deutschland kann stolz sein auf Fritz Bauer.

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Lucas Stern, critic.de – 31.08.2015 [03.02.2023]

Mit Helden tun sich deutsche Filme schwer. Lars Kraume porträtiert einen, der fast vergessen ist: den Staatsanwalt Fritz Bauer. Er brachte die Auschwitzprozesse in Gang.

Mord verjährt nicht. Auch die deutsche Vergangenheit nicht. Warum es 70 Jahre dauern kann, bis ehemalige SS-Männer wie Oskar Gröning vor Gericht gestellt und verurteilt werden, mag juristische Gründe haben, nachvollziehbar ist es dennoch nur schwer. Dass die deutsche Justiz ab den späten fünfziger Jahren überhaupt – widerwillig – ihrer Pflicht nachkam und halbherzig begann, die Täter zu verfolgen, ist dem Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer zu verdanken. Einem Mann, der heute nicht sehr berühmt ist, obwohl ihn jedes Schulkind kennen sollte. Der großartige Spielfilm Der Staat gegen Fritz Bauer macht ihn zu seinem Helden.

Der Film zeigt, wie scheinbar unzerstörbar die Mauer des Schweigens war, die zehn Jahre nach Kriegsende die Täter schützte. Er hilft dabei, zu verstehen, warum noch heute Prozesse gegen Greise geführt werden müssen. Gemeinsam mit Im Labyrinth des Schweigens, dem Film über die Auschwitzprozesse, in dem die Figur des Fritz Bauer eine Nebenrolle spielt und der 2016 als deutscher Beitrag bei den Oscar-Nominierungen antritt, leistet er Aufklärung darüber, wie die Aufklärung über die Verbrechen der Deutschen während der Nazizeit begann. (…)

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Zeit online, 30. September 2015

Großes Nazijäger-Kino

In der Nachkriegszeit verfolgte der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer NS-Verbrecher, er war am Aufspüren von Adolf Eichmann beteiligt. Im Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ wird dem deutschen Helden nun ein Denkmal gesetzt.

Es ist ein gefährdetes Leben, das der hessische Oberstaatsanwalt Fritz Bauer Ende der Fünfzigerjahre führt. 1936 vor den Nazis nach Skandinavien geflohen, war der Jurist und Sozialdemokrat 1949 in die Bundesrepublik zurückgekehrt, 1956 wurde er Generalstaatsanwalt in Hessen. Dass er am Aufspüren des Kriegsverbrechers Adolf Eichmann in Argentinien entscheidenden Anteil hatte, wurde erst nach seinem Tod bekannt.

Zu seinen Lebzeiten verknüpfte sich Bauers Name vor allem mit dem Auschwitz-Prozess, in dem ab 1963 erstmals seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen in großem Maßstab die nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet wurde, die in Zeiten von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder nur allzu gerne verdrängt wurde.

Für den Regisseur Lars Kraume ist Bauer ein deutscher Held, ein Vorbild, dessen Name viel zu wenig bekannt ist. Das könnte sich mit seinem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ jetzt endlich ändern.

 
Frank Arnold: Großes Nazijäger-Kino. In: Spiegel-online –

Wir müssen unser Land verraten

Lars Kraumes Film beschränkt sich auf die Zeit um 1957, in der Fritz Bauer die Festnahme von Adolf Eichmann instrumentierte, ohne dass es in Deutschland bekanntwerden durfte. Er hatte Informationen über Eichmanns Aufenthaltsort in der Gegend von Buenos Aires bekommen, vertraute aber den deutschen Behörden nicht, denen er zutraute, Eichmann zu warnen. Deshalb schaltete er den israelischen Mossad ein, der Eichmann dann tatsächlich fassen und in Jerusalem vor Gericht stellen konnte. (…)
»Die meisten Filme, die aus jener Nachkriegszeit erzählen, in der die Mode wieder eine Rolle zu spielen begann und Einbauküchen der letzte Schrei wurden, ertrinken in ihrem Dekor, das Ruinenchic mit buntem Fünfziger-Jahre-Kitsch vereint. ›Der Staat gegen Fritz Bauer‹ nicht. Auch die jazzige Musik von Julian Maas und Christoph M. Kaiser hebt sich ab vom Üblichen und gibt der Geschichte, die weitgehend dokumentarisch ist, einen Swing, ein Zeitgefühl, das sich ja nicht darin erschöpft, dass ein Schweigen zu brechen ist, sondern auch heißt: Leben war wieder möglich […] Lars Kraume macht diesen Mann zu einem deutschen Helden. Es wurde Zeit, denn es gibt keinen besseren.« (zitiert nach filmernst.de)

Verena Lueken: Der Mann, der nicht vergessen wollte. FAZ-online, aktualisiert am 

 

„Leicht dissonante Jazzmusik. Ein untersetzter, weißhaariger älterer Herr schließt müde seine Wohnung auf – und stutzt. Jemand hat eine Postkarte unter seiner Tür hindurch geschoben, ohne Abbildung, aber mit einer Todesdrohung. Hastig reißt der Mann eine Schublade auf, nimmt eine Pistole heraus, lädt sie durch. Vorsichtig späht er durchs Fenster in die Nacht. Nein, diese Szene spielt nicht in einem Problemviertel New Yorks, sondern in Frankfurt am Main Ende der 1950er Jahre.“

> mehr: Der Staat gegen Fritz Bauer (2015) (kino-zeit.de) [03.02.2023]

Ein Sonntag Ende der Fünfziger. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer sitzt am Wohnzimmertisch und wartet auf seinen jungen Kollegen, den er zur Dienstbesprechung zu sich nach Hause gebeten hat. Vom Plattenspieler tönt Tschaikowski, Sinfonie Nr. 6 »Pathétique«. Bauer spielt Schach, allein, dreht das Brett um für den Zug des Gegners. Eine schlichte Szene, aber doch eine Schlüsselszene für die Einsamkeit, die diesen Mann umgibt. Manchmal wirkt er eigensinnig, zu seiner Umgebung pflegt er ein distanziertes Verhältnis. »Wenn ich mein Zimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland«, soll der echte Bauer einmal gesagt haben.
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Rudolf Worschech: Kritik zu Der Staat gegen Fritz – epd-film.de 18.09.2015

 

Der Zweite Weltkrieg liegt bereits mehr als zehn Jahre zurück, und damit auch das Ende der Schreckensherrschaft der Nazis. Während Deutschland langsam wieder zur Tagesordnung übergeht, kämpft Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner) noch immer dafür, die damaligen Verbrechen aufzuklären und die Täter vor Gericht zu stellen. Als er erfährt, dass der frühere SS-Obersturmbannführer und Strippenzieher Adolf Eichmann in Argentinien gefunden worden sein soll, keimt in ihm die Hoffnung auf, auf diese Weise noch weitere Schuldige zu finden. Doch immer wieder werden ihm und seinem jungen Untergebenen Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) dabei Steine in den Weg gelegt.

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Oliver Armknecht: film-rezensionen.de – Samstag, 3. August 2019 []03.02.2023


Kraftvolles, fesselndes Porträt des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, ohne den der Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) und die Ergreifung von Adolf Eichmann undenkbar gewesen wären. Beim filmdienst wird diesem „kraftvollen Portrait“ attestiert:

„Der kammerspielartige Film setzt dem mutigen Juristen glaubwürdig ein Denkmal, schwankt dabei aber etwas unentschlossen zwischen Reenactment, Genre-Konventionen und vorsichtiger Abstraktion.“

„Der Staat gegen Fritz Bauer“ erinnert daran, wie in den 1950ern der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer Altnazis jagte und dabei von vielen behindert wurde – auch aus Angst. Das ist trotz der betulichen Inszenierung recht spannend, wird durch den hinzugefügten Handlungsstrang um die Situation von Homosexuellen damals aber unnötig aufgebauscht.

»Dem couragierten Pionier der Aufarbeitung von NS-Verbrechen, der klarsichtig erkannte, dass der NS-Staat kein Betriebsunfall der Geschichte war, ein filmisches Denkmal zu setzen, ist längst überfällig […] Lars Kraume versucht, mit seinem Psychogramm eines Aufrechten dieser Aufgabe gerecht zu werden. Dabei hält er sich nicht immer nur an die nüchternen Fakten. So ist sein junger, verkappt homosexueller Staatsanwalt Karl Angermann, hervorragend dargestellt von Ronald Zehrfeld, ein fiktiver Charakter. Der dramaturgische Schachzug ermöglicht ihm künstlerische Freiheit, die sein kraftvolles Biopic um einiges spektakulärer gestaltet.«

»Kraumes Arbeit ist eine Hommage an den deutschen Juristen Fritz Bauer, ein Thriller und ein zeitgemäßer Film.​« (Deutsche Welle)

kinofenster.de – Inhalt

Interview
Lars Kraume möchte mit seinem Biopic Der Staat gegen Fritz Bauer die Erinnerung an den hessischen Generalstaatsanwalt wachhalten. Im Interview spricht er über dramaturgische Freiheiten im Drehbuch und die Bedeutung Bauers für die Nachwelt.

Filmbesprechung
Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer will die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Bei seinen Ermittlungen gegen bekannte NS-Verbrecher muss er sogar die eigenen Behörden umgehen. Lars Kraumes Biopic porträtiert Bauer und die Bundesrepublik der 1950er-Jahre.

Hintergrund – Fritz Bauer – Mensch und Jurist
Fritz Bauer ist vor allem als Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse in Erinnerung geblieben. Aber sein Wirken und Denken ging noch weiter, er wollte das deutsche Strafrecht humanisieren. Eine Würdigung des Juristen und Menschen Fritz Bauer.

Hintergrund – Fakten und Fiktion
Lars Kraume und sein Kodrehbuchautor Olivier Guez gehen in Der Staat gegen Fritz Bauer stellenweise recht frei mit historischen Quellen um. Unser Hintergrundtext trennt die Fiktion von den Fakten und erhellt den historischen Kontext der Filmerzählung.

Hintergrund – Abschied von gestern: die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im zeitgenössischen und aktuellen deutschen Kino

Anregungen für den Unterricht

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