Das Gesicht einer Stadt (1932)

Inhalt

Der Film „Das Gesicht einer Stadt“ ist der bedeutendste Hannover-Film aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Der besondere Charakter des Films liegt darin, dass er einerseits ein für seine Zeit moderner und technisch sehr gut gemachter Lehrfilm ist über die Entstehung und Entwicklung einer Stadt vom Mittelalter bis in die damalige Gegenwart. Historische Stadtskizzen, durch Überblendungen und Trickaufnahmen lebendig gemacht, werden kombiniert mit Ansichten historischer Straßenzüge und Bauwerke, so dass der Betrachter das Wachsen und den sich verändernden Charakter der Stadt miterlebt. Andererseits ist „Das Gesicht einer Stadt“ ein moderner Imagefilm aus den 1930er Jahren. Die verschiedenen Wirtschafts- und Lebensbereiche der Stadt Hannover werden attraktiv ins Bild gesetzt: Ausgehend von einer geografisch günstigen Lage und vielfältigen Verkehrsanbindungen, über einen modernen Wohnungsbau, ein reges Wirtschaftsleben, eine pulsierende Innenstadt sowie Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen. Dabei werden nicht nur einzelne Filmbilder gezeigt, die in der fotografisch-statischen Überlieferung so nicht bekannt sind, sondern „Das Gesicht einer Stadt“ hinterlässt auch deswegen einen besonderen Eindruck, weil die filmischen Darstellungsmöglichkeiten der damaligen Zeit konsequent genutzt werden.


Filmansicht

Produktion: Döring-Film-Werke, Hannover (1932)
Regie: August Koch
Kamera: August Lutz
Länge: 37 min.
Originalformat: 35mm s/w

 

Bezugsquelle

Für die Bildungsarbeit in Niedersachsen ist der Film über das Portal Merlin des NLQ verfügbar und kann hier abgerufen werden.

Der Film „Das Gesicht einer Stadt“ ist von der GFS auf DVD mit zugehörigem Booklet herausgegeben worden und zum Preis von 10 € an folgenden Verkaufsstellen in Hannover zu beziehen:

GFS, Hannover, Expo Plaza 12
Kino im Künstlerhaus, Hannover, Sophienstr. 2
Historisches Museum, Hannover, Pferdestraße 6
Antiquariat Ingeborg Becker, Hannover, Lister Meile 49
Schloss-Shop-Herrenhausen, Herrenhäuser Straße 5

 

Die konkreten Planungen zu „Gesicht einer Stadt“ begannen im Frühjahr 1931 und gingen von der Produktionsfirma Döring-Filmwerke aus. Diese Firma war 1921 von Johann Friedrich Döring in Hannover, Goethestraße 3 gegründet worden. In den folgenden Jahren expandierte die Filmfirma schnell, eröffnete weitere Arbeitsstätten in der Lange Laube und in der Hüttenstraße in Hainholz. Ende des Jahrzehnts konnten sich die Döring-Filmwerke „Deutschlands größtes Spezialwerk für Kultur-, Lehr- und Werbefilme“ nennen. Bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Jahre 1934 produzierte die Firma weit über 100 Filme, von denen allerdings die wenigsten erhalten sind.

Am 1. April 1931 trat Döring an die hannoversche Stadtverwaltung heran mit der Idee, einen modernen Stadtfilm über Hannover zu drehen, mit dem die Stadt sich vorteilhaft präsentieren könne. Das konkrete Angebot von Döring umfasste zunächst einen etwa 15-minütigen Film im 35mm-Format mit mehreren Kopien und mit „tönendem Text“ (der Tonfilm setzte sich immer mehr durch, war aber auch deutlich teurer). Die Kosten sollten sich auf ca. 9.000 Reichsmark belaufen. Neben der Präsentation des Films in Kinos sowie in Bildungsveranstaltungen stellte Döring eine Aufführung auf den Passagierdampfern des Norddeutschen Lloyd in Aussicht, zu dem die Filmfirma gute Kontakte hatte. Der Magistrat stimmte dem Vorschlag und einer entsprechenden Finanzierung im Wesentlichen zu und setzte eine Kommission zur Überprüfung des Manuskriptes ein. Beauftragt wurde allerdings ein Stummfilm mit Zwischentiteln.

Die Filmaufnahmen fanden dann in der Zeit von Mai bis Ende des Jahres 1931 statt, anschließend wurden noch einige Trickaufnahmen gedreht, um die Ausdehnung des Stadtgebietes in einzelnen historischen Zeitabschnitten darzustellen. Im Februar 1932 teilte Döring der Stadtverwaltung mit, dass der Film in einer ersten Fassung nun fertig sei, allerdings sei er nun mit ca. 35 Minuten gut doppelt so lang geworden. Dadurch kam es zu einem Konflikt mit der Stadtverwaltung, da diese zum einen eine deutliche Kostensteigerung befürchtete, zum anderen eine Auswertung des Films in Kinos skeptisch sah, da die typische Vorfilm-Länge deutlich überschritten war. Nach einer ersten gemeinsamen Sichtung des Films am 20. Februar 1932 im UFA-Palast am Aegidientorplatz gelang es Döring allerdings doch die Stadtverwaltung zu überzeugen. Er konnte ein Schreiben des Norddeutschen Lloyd aus Bremen vorweisen, der den Film „als wirklich der beste Städtefilm, der uns bislang vor Augen gekommen ist“ bezeichnete und eine Vorführung auf den Überseedampfern zusagte. Außerdem berichtete Döring von einem Angebot der Tobis-Melo-Film-GmbH / Berlin, den Film ohne weitere Kosten „tönend zu machen“, wenn ihr dafür das Vorführrecht in den kommerziellen Lichttheatern übertragen werde. Dadurch, dass zusätzlich die Menge der Filmkopien verringert wurde (statt 20 nun sechs 35mm-Kopien, davon je eine mit deutsch-englischen und deutsch-spanischen Zwischentiteln für die Überseedampfer sowie drei 16mm-Schmalfilmkopien), konnte der ursprüngliche Kostenrahmen eingehalten werden. Nach einigen kleinen Änderungen – ergänzt wurden unter anderem einige Industriebilder – wurde „Das Gesicht einer Stadt“ dann am 23. April 1932 im UFA-Palast am Aegi öffentlich uraufgeführt. Fortan lief der 35minütige Stummfilm mit Zwischentiteln erfolgreich in Hannover und auf verschiedenen Überseedampfern.

Wie angekündigt bearbeitete die Tobis den Film für den Einsatz als Vorfilm in Kinos. Dazu wurde der Originalfilm um mehr als 2/3 gekürzt und als 11minütiger Tonfilm mit dem Titel „Wie Städte wachsen“ herausgegeben und ausgewertet.

Zur Überlieferung und Bearbeitung des Films

Im Zusammenhang des Zweiten Weltkrieges verlor sich die Spur von „Gesicht einer Stadt“. Ende der 1970er Jahre wurde dann im hannoverschen Rathaus eine stumme, arg verschrammte 16mm-Schmalfilmkopie mit deutschen Zwischentiteln des Films aufgefunden, ohne dass die Entstehungsgeschichte damals bekannt gewesen wäre. Da die Bedeutung dieses filmischen Dokuments aus der Vorkriegszeit augenscheinlich war, entschied sich die Stadtverwaltung im Jahr 1980, den Film auf Basis dieser überlieferten Kopie neu zu bearbeiten. Mit einem Vorspann und einem begleitenden Kommentar versehen sollte das Stadtbild der Vorkriegszeit dem hannoverschen Publikum verständlich gemacht werden. Realisiert wurde diese neue Bearbeitung durch den hannoverschen Filmemacher Horst Latzke. Es entstand wiederum eine 16mm-Fassung mit dem Titel „Das Gesicht einer Stadt“, diesmal als Magnettonkopie. Mit dieser Fassung konnten die technischen Mängel, die vor allem durch die schlechte Überlieferung bedingt waren, allerdings nicht abgestellt werden: Das Filmbild wies zahlreiche Schrammen auf, es zeigte nicht den vollen Bildausschnitt und es lief mit 24 Bildern pro Sekunde, obwohl der Originalfilm mit 18 Bildern, teilweise mit 16 2/3 Bildern gedreht wurde. Dadurch lief das Filmbild zu schnell durch und der Film hatte statt 37 Minuten nur 25 Minuten Länge. Diese Fassung des Films ist heute noch in einigen städtischen Institutionen vorhanden.

Im Jahre 2006 entdeckte die Gesellschaft für Filmstudien e.V. (GFS) bei Recherchen im Bundesarchiv-Filmarchiv eine weitere Kopie des Originalfilms: eine gut erhaltene 35mm-Kopie, die im Staatlichen Filmarchiv der DDR Ende der 1960er Jahre von Nitrofilm auf Sicherheitsfilm umkopiert worden und nach der Wende ins Bundesarchiv-Filmarchiv gelangt war. Interessanterweise hat diese Kopie deutsch-spanische und in der zweiten Hälfte deutsch-englische Zwischentitel. Es handelt sich somit offensichtlich um eine Originalfassung, die auf den Überseedampfern gelaufen ist. Ein Vergleich mit der überlieferten Zensurkarte des Films zeigt, dass die Fassung vollständig ist.

Nach erfolgreichen Vorgesprächen mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv hat sich die GFS entschieden, von dieser Fassung eine hochwertige HD-Abtastung anfertigen zu lassen und den Film für Vorführzwecke nutzbar zu machen. Im Winter 2010 / 2011 wurde der Film dann auf Basis der neuen Abtastung erstmals im Kino im Künstlerhaus Hannover gezeigt. Wegen des großen Interesses folgten zahlreiche ausverkaufte Vorstellungen, wobei der Stummfilm dabei stets von dem Stummfilmkomponisten Wolfgang Zettl am Klavier begleitet wurde. Im Sommer 2011 hat die GFS den Film auch auf DVD herausgegeben, ebenfalls mit der begleitenden Klaviermusik von Wolfgang Zettl. Im Begleitheft zu der DVD ist ein die Filmbilder erläuternder Kommentar abgedruckt. Dieser ist entsprechend der etwa 50 Zwischentitel gegliedert, umfasst darüber hinaus viele inhaltliche Ortsbenennungen und ermöglicht so in Verbindung mit dem dargestellten timecode die Identifikation zahlreicher abgebildeter Orte im Film.

 

Nr.
Zeit
Min:Sek ab
Titel / Zwischentitel
Hinweise zum Inhalt
01
00:00
Das Gesicht einer Stadt
 
 
00:30
Hersteller: Döring-Film-Werk, Hannover
  00:34
Photographie: A.Lutz
 
00:41
Regie: August Koch
05
00:46
Schulunterricht in der Bürgerschule, Heimatkunde
 
01:52
Jahrhunderte gaben der Stadt die vielfältige Schönheit und den heutigen Charakter.
 
02:43
Im weit ausgedehnten Stadtbild…
 
02:58
… bildet die Altstadt den Kern, aus dem sich das heutige Hannover entwickelt hat.
 
03:22
Im Mittelpunkt der Altstadt ragt als Wahrzeichen der Stadt der eigenartig geformte Turm der Marktkirche gen Himmel.
10
03:45
Zu ihren Füßen liegt die Altstadt.
 
03:57
…das Hannover des 14.Jahrhunderts.
… Borgentrickturm (heute im Foyer der Volkshochschule) (…) Marktbetrieb um die Marktkirche, altes Rathaus, Bürgerhäuser, Kreuzkirche mit Duve-Kapelle, Hoekenwappen, Beginenturm und Leinebrücke, Rückfronten der Calenberger Neustadt („Hannovers Klein-Venedig“), Altstadtstraße mit Badeanstalt, Aegidienkirche und alte Kanzlei
 
08:13
Zum Schutze der Bürger um 1550 stark bewehrte Stadtmauern aufgeführt.
  08:39
Mitten im 30 jährigen Krieg wurde die Stadt unter Herzog Georg Residenz.
  09:02
Hannover vergrößerte sich im 16.Jahrhundert nach Westen durch die Neustadt.
15 09:57
Das erste hannoversche Werksteinhaus, das um 1583 entstand.
Das Hahnsche Haus an der Leinstraße
 
10:22
Das Denkmal für Johann Duve…
 
10:35
… der im 17.Jahrhundert die ersten Mietshäuser erbaute.
Der Duve-Brunnen, damals noch auf dem Neustädter Markt
 
10:49
Der große Philosoph Leibniz…
  10:58
… lebte in dem heute nach ihm benannten Hause.
20
12:04
Nach 1666 entstand unter Kurfürst Johann Friedrich das bis heute gut erhaltene Schloss mit Garten Herrenhausen.
Gartenanlage, Schloss, Palmenhaus
 
13:48
Die höchste Fontaine des Festlandes (67,2m).
 
14:03
Eine Lindenallee von 2 km Länge…
 
14:18
… verbindet das Schloss…
Galeriegebäude
  14:27
… mit der heutigen inneren Stadt.
25
14:36
Im 18.Jahrhundert entstand im südlichen Teil der Stadt die Aegidien-Vorstadt.
Breitestraße mit Aegidienkirche
 
15:08
Die stetig wachsende Einwohnerzahl bedingte im 18.Jahrhundert die Schleifung des Festungsgürtels.
 
15:33
Frei war nun die Bahn. Unter den Händen geschickter Stadtbaumeister entwickelte sich die Stadt in einer glücklichen Form.
Grupen, Laves, Wallbrecht, Waterloosäule, das alte Schloss an der Leine Tramm, Elkart
 
16:31
Technische Hochschule.
Tierärztliche Hochschule
 
17:12
Die Wasserkunst.
30 17:30
Hauptbahnhof.
 
17:40
Reichspost.
 
17:55
Opernhaus.
 
18:03
Neues Rathaus.
 
18:34
Provinzial-Museum.
35
18:45
Stadthalle.
 
19:00
Wohlgepflegte Straßen führen durch die Stadt.
Vom Aegidientorplatz über Georgsplatz und Georgstraße
 
19:51
Altes stürzt…
 
20:01
… um Neuem Platz zu machen.
Stadtbibliothek, Anzeiger-Hochhaus, Capitol-Hochhaus
 
21:05
Zweckmäßig und hygienisch sind die neuen Wohnbauschöpfungen.
Gartenstadt in Kleefeld, Geibelplatz mit Hochhaus, Sankt-Heinrichs-Kirche am Sallplatz, Liststadt
40
22:49
Inmitten dieser Wohnblocks…
 
22:59
… gibt es Grünflächen und Spielplätze, auf denen sich die Kinder nach Herzenslust tummeln können.
 
23:39
Für die Ertüchtigung und Bildung der Jugend sind modern und zweckmäßig ausgestattete Schulen erbaut.
Volksschule in der Südstadt, Mädchenberufsschule an der Lutherkirche, Hochschulbau an der Nienburger Straße
 
24:29
Die ungemein günstige Lage Hannovers im nordwestlichen Deutschland brachte ihm eine vielfältige Industrie…
Industrieanlagen und Fließbandarbeit
 
25:20
… und schuf es zu einem idealen Verkehrsknotenpunkt.
Hauptbahnhof mit Gleisen und Lokomotiven, Ausgang Ernst-August-Platz, Flughafen Hannover Vahrenheide (durchschnittlich 10 ankommende und 10 abfliegende Luftpassagiere pro Tag um 1930), Hafenanlagen
45
26:53
Zum Herzen der Stadt.
Steintor, Georgstraße, Café Kröpcke, Tag- und Nachtaufnahmen am Kröpcke, „Georgs-Palast“, „Pelzhaus Louis Weber“
 
28:12
Die vielen Grünanlagen der Stadt zeugen vom Verständnis der Erbauer für die Gesundheit und die Schaffenskraft der Bürger.
Maschpark, Eilenriede, Gaststätte Neues Haus mit Resebrunnen, Villen am Schiffgraben, Eilenriede, Spielplatz und Freibadestelle (…)
 
30:01
Alte Friedhöfe bilden inmitten der Stadt Grünanlagen von eigenartigem Reiz.
Grab von Charlotte Kestner, der Lotte aus Goethes „Leiden des jungen Werthers“, Georgengarten, Tiergarten mit Gaststätte, alte Pferderennbahn auf der Bult, Zoo
 
34:30
Moderne Freilicht-Bäder bieten Erfrischung und Erholung.
Lister Volksbad, Eilenriedestadion
 
35:53
So bildete sich im Kreislauf des Geschehens das Gesicht der Stadt:
50
36:10
Die Alten bauten für uns…
 
36:19
… wir bauen für unsere Kinder…
 
36:32
… und diese bauen weiter.
53
36:44
Ende.

 

Hannoverscher Kurier vom 11. März 1932

„Wie eine Stadt entsteht“
Hannover wurde gefilmt
Ein Film der Stadt Hannover

In Verbindung mit den Döring-Filmwerken hat die Stadt Hannover einen Film drehen lassen, der ein Lehrfilm und ein hannoverscher Film zugleich ist. Der Verfasser ist Verkehrsdirektor Dr. Langemann , der in Verbindung mit einer aus Magistratsmitgliedern und Fachleuten bestehenden Kommission ein vorbildliches Werk geschaffen hat. Es nennt sich: “ Wie eine Stadt entsteht „. Zum Vorbild ist die Stadt Hannover genommen. Der Film führt rasch in den Stoff hinein. Ein Stadtplan erscheint, mitten verdunkelt sich der älteste Kern, der Anfang der Stadt. Wir sehen in Bildern, wie dieser Kern aussieht, lernen die Architektur der Zeit kennen. Der Stadtplan erscheint immer wieder; Stadtmauern ziehen sich um das Innere; die Stadt erweitert ihre Wallanlagen, wird Festung. Immer wieder tauchen im Wandel der Jahrhunderte die Wandlungen des Baustiles auf, die Zeiten ändern sich und das Gesicht der Stadt. Die Wallanlagen fallen, und in Riesenschritten eilt die Stadt neuer Erweiterung zu.

Aus der Stadt des Mittelalters wird die moderne Stadt , die Straßen weiten sich, der Verkehr wandelt das Bild der Stadt, die Häuser türmen sich, werden höher und höher; aus der Landstadt wird die Großstadt . Und so werden wir spielend in der Geschichte der Städte unterrichtet. Es wird gezeigt, wie die Alten für uns bauten und wir für die jungen, und schließlich erscheint ein spielendes Kind, das mit Bauklötzchen baut, und so wird es einst weiter bauen für die, die nach ihm kommen. Der Lehrfilmcharakter ist offenkundig. Auch die Schule steckt darin, wie der Lehrer in der Geschichtsstunde den Kindern das Werden einer Stadt anschaulich macht.

Das Ganze ist ein Tonfilm, vertont von der Tobis. Es wird jedoch auch eine stumme Fassung hergestellt für besondere Vortragszwecke und auch ein Schmalfilm für den Gebrauch in den Schulen. Der Norddeutsche Lloyd hat sich bereits stark für den Film interessiert und sich erboten, ihn auf seinen großen Schiffen zu zeigen, um die fremden Gäste, die nach Deutschland kommen, mit der Geschichte deutscher Stadtwerdung vertraut zu machen und ihnen zugleich ein Bild zu geben von deutscher Stadtkultur überhaupt. Die Tobis wird diesen Film in einen Filmverleih geben, damit er in den Programmen der Lichtspielhäuser gezeigt wird.

 

Zu Beginn des Films erscheint der Titel im Stil einer zeitgenössischen modernen Werbegraphik: Klare Großbuchstaben in Systemschrift, die Buchstaben der einzelnen Wörter in verschiedenen Größen, die gewohnte Wortfolge dergestalt verändert, daß das erste und zweite Wort untereinander stehen, rechts daneben das dritte und vierte Wort wiederum untereinander, das Wort „Gesicht“ um 45 Grad „aufwärts“ gedreht und perspektivisch in die Tiefe des Raumes zulaufend – unverkennbar der Stil einer ästhetischen Avantgarde, wie sie in Hannover ab Mitte der 20er Jahre von sich Reden machte. Dieser Anfang verspricht etwas, das der Film in den folgenden 30 Minuten einlöst: DAS GESICHT EINER STADT ist in der bildlichen Gestaltung auf dem künstlerischen Niveau seiner Entstehungszeit.

Der Film gliedert sich, durch Zwischentitel unterstützt, in verschiedene Abschnitte. Ausgehend von einer schulischen Unterrichtssituation, in der die geographisch-verkehrstechnische Lage Hannovers verdeutlicht wird, zeigt die Kamera die Stadt zunächst aus der Vogelperspektive in einem Panoramaschwenk. Anschließend wird die historisch-architektonische Entwicklung Hannovers vom 14. Jahrhundert an gezeichnet. Dabei wird zur Erläuterung historisches Kartenmaterial verwendet, das mittels Überblendung sowie anderer Tricktechniken die Entwicklung demonstriert. Der repräsentative Baustil um 1930 -exemplarisch an der Stadtbibliothek, dem Anzeigerhochhaus und dem Capitolhochhaus vorgeführt- schließt diesen Teil ab. Es folgen einige Kapitel Werbung für das zeitgenössische Hannover: zunächst der Wohnungsbau, dann Handel, Industrie und Verkehr, wobei die glitzernde und turbulente Innenstadt am Kröpcke mit Tag- und Nachtaufnahmen hervorsticht. Und schließlich als letzter Abschnitt präsentiert der Film „Die Großstadt im Grünen“: den Maschpark, die alte Pferderennbahn, die Eilenriede, verschiedene Gärten, Kinderspiel- und Sportplätze, auf denen sich Menschen erholen und betätigen. Mit den Worten „Die Alten bauen für die Jungen (Bilder der Marktkirche).. wir bauen für unsere Kinder (Bilder zeitgenössischer Bauarbeiten)… und diese bauen weiter“ -das Bild zeigt Kinder, die mit Bauklötzen spielen- klingt der Film aus.

Schon wegen seines Blickes in die Geschichte, der Art, wie im Film die zeitgenössische Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft verortet wird, ist DAS GESICHT EINER STADT bemerkenswert. Zunächst wird, von einer Fragestellung in der Gegenwart
(Geographieunterricht) ausgehend, der historischen Entwicklung der Stadt ein breiter Raum gegeben, um dann die Gegenwart in verschiedenen Schwerpunkten zu skizzieren. Und der Schluß -„wir bauen für unsere Kinder … und diese bauen weiter“ schließt ganz selbstverständlich und unspektakulär an die Zukunft an. In einem Zwischentitel gegen Schluß heißt es „So bildete sich im Kreislauf des Geschehens das Gesicht der Stadt.“ Die Gegenwart wird im Film als Ergebnis und Teil einer längeren historischen Kontinuität ohne Brüche dargestellt, die so auch weiter in die Zukunft führt. Dieses Verhältnis zu Vergangenheit und Zukunft ist in den späteren Hannover-Filmen nicht mehr zu beobachten. Einen zentralen Stellenwert in dem Film bekommt die menschliche Arbeit: die gezeigten Arbeiten im Wohnungs- und Straßenbau, die Menschen in den Fabriken, sie schaffen Lebensqualität und sichern den Fortschritt bis in die Zukunft hinein. Die Entwicklung ist durch Modernisierung geprägt: „Altes stürzt … um Neuem Platz zu machen“, so ein Zwischentitel. Die Stadt erscheint sowohl in der Darstellung der industriell-städtischen Arbeit, der Fabrikarbeit, als auch in der Darstellung des Innenstadtlebens am Kröpcke sehr modern: durch Mehrfachbelichtungen, Überblendungen, gespiegelte und rotierende  Bildausschnitte, in einer Kamerafahrt auf einer Straßenbahn, in Flugaufnahmen usw. findet der Film bildliche Ausdrucksformen für die Moderne um 1930, die in einigen Passagen deutliche Bezüge zu dem klassischen Experimentalspielfilm BERLIN, DIE SINFONIE DER GROSSTADT (Regie: Walter Ruttmann, 1927) aufweisen. DAS GESICHT EINER STADT zeigt ein modernes und optimistisches Portrait mit einem selbstbewußten Blick in die
Stadtgeschichte.


Auszug aus:

 

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