Asylrecht – Report on the Refugee Situation, Jan. 1949

INHALT

Den Filmaufnahmen ist ein Text in englischer Sprache vorangestellt, der eine kurze historische Einordnung des Flüchtlingsproblems in der Nachkriegszeit vornimmt. „Die Deutschen“ erscheinen hier nicht nur als flüchtende Opfer, sondern werden im Zusammenhang des Zweiten Weltkriegs als Verursacher von riesigen Bevölkerungsbewegungen genannt, die unglücklicherweise in der Nachkriegszeit noch anhielten.

Es wird darauf hingewiesen, dass der Film sich darauf beschränkt, einige Aspekte zur Bedeutung von Flucht aufzuzeigen sowie darzustellen, was mit Flüchtlingen geschieht, wenn sie an der Grenze von Ost zu West eintreffen – insbesondere wie die deutschen Verwaltungsorgane agieren.

Der anschließende Film folgt – zumindest in groben Zügen – dem Weg, den Flüchtlinge gehen, wenn sie aus der SBZ – Sowjetischen Besatzungszone –  kommend in die britische Zone gelangen.

Zunächst wird die „Ankunft“ gezeigt: Flüchtlinge kommen in der Dämmerung über die „grüne Grenze“ und übernachten bzw. leben in Notunterkünften: eine Scheune, ein Schloss, ein Bunker und ein Lager. Zurückkehrende Kriegsgefangene verschärfen die Problematik. Flüchtlinge übertreten bei Tage illegal die Grenze, die durch westliche und östliche Polizei bzw. Soldaten überwacht wird. Flüchtlinge überschreiten offizielle Grenzübergänge und werden in Durchgangslager eingewiesen. Anschließend wird die Tätigkeit der Flüchtlingsverwaltung in einem Durchgangslager dargestellt: der Ablauf der Flüchtlingsbetreuung, die Weiterleitung der Flüchtlinge, die Lebensbedingungen in den Baracken sowie die Einzelfallprüfung für die Aufenthaltserlaubnis in der britischen Zone. Und schließlich wird gezeigt, wie die abgewiesenen Flüchtlinge zur östlichen Zonengrenze zurückgeschickt werden, wobei viele, die nicht zurück wollen, illegal in den Westzonen verbleiben.

 


Das Bildmaterial, das Rudolf W. Kipp 1949 für seinen Dokumentarfilm Asylrecht – Report on the Refugee Situation aufgenommen hatte, wurde auch für die 1959 und 1960 vom FWU produzierten Schulfilme mit dem identischen Titel Flüchtlingsnot an der Zonengrenze verwendet.
Hier werden zu allen drei Filmen separate filmographische Angaben gemacht:

 


Angaben im Vorspann der Originalfassung von 1949 (37 Min.):

Originaltitel: Asylrecht. Report on the Refugee Situation Jan. 1949
Produktion: Film Section, Deutsche Dokumentarfilm-Gesellschaft m.b.H.
Regie: Rudolf W. Kipp
Kamera: Rudolf W. Kipp, Hans Böcker, Erich Stoll
Licht: Walter Brode
Schnitt: Marcel Clernow
Produktionsleitung: Heinrich Klemme
Produktionsjahr: 1949
Laufzeit: 37 Minuten, Lichtton


Angaben zum Schulfilm Flüchtlingsnot an der Zonengrenze (1959, 9 Min.):

Titel: Flüchtlingsnot an der Zonengrenze
Produktion: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU)
Produktionsjahr: 1959 (überarbeitete Fassung des Films „Asylrecht“ aus dem Jahre 1949)
Laufzeit: 9 Minuten, stumm

Diese Fassung kann auf im Kapitel IX. des Bildungspaketes zum Film Asylrecht gesichtet  werden.


Angaben zum Schulfilm Flüchtlingsnot an der Zonengrenze (1960, 21 Min.):

Titel: Flüchtlingsnot an der Zonengrenze
Produktion: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU)
Gestaltung: Rudolf W. Kipp
Produktionsjahr: 1960 (überarbeitete Fassung des Films „Asylrecht“ aus dem Jahre 1949)
Laufzeit: 21 Minuten, Lichtton

Asylrecht, ein Film des Dokumentarfilmers Rudolf W. Kipp, entstand in den Jahren 1948/49 als Auftragsarbeit für die britische Besatzungsmacht. Er wurde in Großbritannien unter dem Titel Report on the Refugee Situation, January 1949 gezeigt. In Deutschland, wo der Film erstmals im Februar 1949 anlässlich einer ökumenischen Flüchtlingstagung in Hamburg vorgeführt wurde, trug er den Titel Asylrecht.

1959 erstellte das Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) aus den Bildern des ursprünglich 37 Minuten dauernden Films eine neunminütige Stummfassung für den Schulunterricht (Titel: Flüchtlingsnot an der Zonengrenze). Die Auswahl der Filmausschnitte sowie deren Anordnung und nicht zuletzt das dem Film beigelegte Textblatt zeigen eine Version, die deutlich durch den Kalten Krieg Ende der 50er Jahre geprägt ist.

Im darauffolgenden Jahr produzierte Kipp im Auftrag des FWU eine überarbeitete 21-minütigen Tonfassung, ebenfalls unter dem Titel Flüchtlingsnot an der Zonengrenze, die sich weitaus stärker an der Originalfassung orientierte und weniger durch antikommunistische Propaganda geprägt war.

Ausschnitte des Films werden bis heute vielfach in Geschichtsdokumentationen verwendet.

2014 wurde Asylrecht zum Gegenstand eines interaktiven Bildungspaketes, das die Gesellschaft für Filmstudien im Auftrag des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) konzipierte. Die technische Realisation übernahm die Bielefelder AMMMA AG. Diesem Bildungspaket wurde neben einer Rekonstruktion der Originalfassung von 1949 auch die Stummfilmfassung Flüchtlingsnot an der Zonengrenze (1959) beigegeben. Das Bildungspaket kann auf dem Portal Filmbildung des Niedersächsischen Bildungsservers abgerufen werden. Auch können hier die rekonstruierte Originalfassung des Films sowie die Schnittfassung von 1959 online abgerufen werden (Links siehe unter Filmographische Angaben).

Ein interaktives Einstellungsprotokoll ist im Bildungspaket zum Film enthalten.

Nr.
Inhalt
Länge
Off-Kommentar

1

In der Dämmerung überschreiten Flüchtlinge ein Feld, überqueren einen Bach, übernachten in einer Scheune.

2.17

Viele Flüchtlinge, die aus dem Osten in die britische Zone kommen, überschreiten die Grenze nachts. Sie suchen Notunterkünfte auf, wo sie ihre Kleider trocknen und sich auf Stroh ausruhen können. Diese Scheune befindet sich etwa 50 Meter diesseits der Grenze bei Jerksheim.
Zu normalen Zeiten würden diese „Neuzugänge“ kaum ein Problem darstellen; aber die Zone ist bereits mit Flüchtlingen übervölkert.

2

Schloss Eutin in Schleswig-Holstein, in dem zahlreiche Flüchtlinge auf engem Raum notdürftig untergebracht sind.

1.55

Schloss Eutin in Schleswig-Holstein. In diesem Teil der britischen Zone ist die Bevölkerung seit 1939 um mehr als 70% angewachsen, während die Zahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen durch Kriegseinwirkungen verringert wurde.

3

Ein fensterloser Bunker in Braunschweig, in dem ebenfalls viele Flüchtlinge leben.

1.00

Der Madamenweg-Bunker in Braunschweig. Er hat keine Fenster. Viele dieser Menschen leben hier seit zwei oder drei Jahren bei künstlichem Licht. Vier Millionen deutsche Flüchtlinge sind infolge des Krieges und der Grenzveränderungen im Osten in die britische Zone gezogen. Noch ist das Problem, sie in die Wirtschaft einzugliedern, nicht gelöst.

4

Das Aufnahmelager Ehndorf bei Neumünster; zahlreiche Nissenhütten; Bilder aus dem Lagerleben, die vor allem Kinder und Frauen zeigen.

1.57

Hunderte von Flüchtlingslagern gibt es in der Zone. Dies ist Ehndorf bei Neumünster.

5

Zurückkehrende Kriegsgefangene

0.50

Zu den Flüchtlingen kommt noch der ständige Strom von Kriegsgefangenen, die aus Russland heimkehren. Etwa 200.000 werden noch erwartet. Auch für sie muss Platz gefunden werden. Die aufgeschwemmten Gesichter verraten Hungerödeme, hervorgerufen durch fettarme Gefangenenkost.

6

Grenze zur „Sowjetzone“; Flüchtlinge gehen bei Tag über die „grüne Grenze“.

0.40

Auch bei Tage gehen Flüchtlinge über die Grenze. Hier kommen sie durch die Wälder nördlich Helmstedt.
Hier überschreiten sie die Demarkationslinie im Braunkohlengebiet von Offleben.

7

Westzonenpolizei und britische Soldaten auf der einen Seite, Ostzonenpolizei und sowjetische Soldaten auf der anderen Seite bemühen sich um die Grenzsicherung.

0.52

Die Grenze wird auf der einen Seite von der Ostzonenpolizei und russischen Soldaten bewacht. Hier beginnt die russische Zone.
Auf der anderen Seite sind Westzonenpolizei, beritten und zu Fuß, sowie englische Soldaten. Sie haben die Befugnis, illegale Einwanderer zurückzuweisen. Bei Müsingen werden einige der Ostzonenpolizei übergeben.

8

Offzielle Grenzübergänge bei Helmstedt und Walkenried im Harz; ein ankommender Autobus mit Flüchtlingen. Der Grenzübergang Herrenburg bei Lübeck.

2.00

Helmstedt. Wer einen Interzonenpass hat, darf hier die Grenze passieren. An der Grenze entlang gibt es in Abständen offzielle Stellen, wo Grenzübertritt und Verkehr in beide Richtungen erlaubt sind, wenn die nötigen Papiere vorgelegt werden können. Es kommen mehr als gehen. Über 30.000 neue Flüchtlinge werden jeden Monat in der britischen Zone registriert.
Walkenried im Harz.
Dieser Autobus kam bei Friedland über die Grenze, im Süden der Zone. Im Norden ist Herrenburg bei Lübeck offizieller Grenzübergang. Diese Flüchtlinge haben zwar Ausweise für die Grenzkontrollen, aber die Aufenthaltserlaubnis fehlt noch den meisten. Das nächste Ziel all dieser Menschen, die legal oder durch Wälder und Flüsse kamen, ist also Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis und Lebensmittelkarten für die britische Zone. Doch nur die zuständige Gemeindeverwaltung oder eines der drei Durchgangslager können diese Genehmigung erteilen.

9

Flüchtlinge kommen in die Durchgangslager Pöppendorf (Schleswig-Holstein), Wipperfürth (Nordrhein-Westfalen) und Uelzen (Niedersachsen).

1.40

Das Durchgangslager für Schleswig-Holstein ist Pöppendorf. Die deutsche Lagerleitung prüft hier die Angaben der Flüchtlinge. Einigen wird der Aufenthalt verweigert, andere dürfen zu ihren Freunden und Familien. Alle, die nach den geltenden Bestimmungen nicht in Schleswig-Holstein bleiben dürfen, werden nach Wipperfürth weitergeschickt. Wipperfürth ist das Durchgangslager für Nordrhein-Westfalen. Von hier aus werden die Flüchtlinge auf andere Lager des Landes verteilt. Flüchtlinge, denen man nachweisen kann, dass sie die Grenze im Raum Niedersachsen überschritten haben, werden nach Uelzen zurückgeschickt.

10

Flüchtlingsbetreuung im Durchgangslager Uelzen: Essensausgabe, Gesundheitskontrolle.

2.21

Das ist Uelzen, das Durchgangslager für Niedersachsen. Ein Teil der Flüchtlinge wird auf Infektionskrankheiten untersucht. Unterernährung, eine typische Flüchtlingskrankheit.

11

Weiterleitung der aufgenommenen Flüchtlinge mit Zügen in einzelne niedersächsische Städte.

1.24

Flüchtlinge, die aufgenommen werden, fahren mit Sonderzügen in die verschiedenen Städte Niedersachsens.

12

Die Lebensbedingungen in den Baracken des Lagers Uelzen.

2.15

Neue Flüchtlinge. Ein Barackenraum im Lager Uelzen. Zeitweise wohnen, essen und schlafen hier über 360 Menschen.

13

Die Einzelfallprüfung im Durchgangslager Uelzen für die Aufenthaltsgenehmigung in der britischen Zone. Zahlreiche Beispiele von Personen, die zum Teil aufgenommen, zum Teil auch zurückgeschickt werden.

11.00

Alle diese Flüchtlinge warten auf Bescheid, ob sie die Aufenthaltsgenehmigung für die britische Zone bekommen. Jeder Fall wird genau untersucht. Unterschiedslose Aufnahme aller Flüchtlinge würde den Lebensstandard aller, besonders aber den der hier schon lebenden viereinhalb Millionen Flüchtlinge erheblich herabsetzen. Die Verwaltung der Grenzkontrollen liegt in den Händen der deutschen Länderregierungen, und es ist ihr Bestreben, diejenigen aufzunehmen, deren Not am größten ist, jedoch nur so viele, dass die Schwierigkeiten der bereits Aufgenommenen nicht noch erhöht werden.
Der Mann im weißen Pullover ist Landarbeiter. Er ist gekommen, um Arbeit zu finden. Seine Eltern leben noch in der Ostzone, er wird zurückgeschickt.
Dieser Mann ist von Beruf Maurerpolier. Er gibt an, dass er politisch verfolgt worden sei und in der russischen Zone nicht mehr arbeiten dürfe. Da er seine Aussagen beweisen kann, wird er aufgenommen.
Auch dieser Mann sucht Arbeit. Er kam mit seiner Frau und sieben Kindern über die Grenze. Aber der Wunsch, sich zu verbessern, berechtigt nicht zur Aufnahme; er muss wieder zurück.
Diese Frau möchte zu ihrem Mann, der nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in der britischen Zone geblieben war. Ihr wird gesagt, dass sie sich an die Stadtverwaltung Remscheid wenden müsse, da ihr Mann jetzt in Remscheid arbeitet.
Dieses Mädchen aus Ostpreußen hat seinen Vater verloren. Sie wollten zusammen die Grenze überqueren und haben sich aus den Augen verloren. Da sie seit vergangenem Oktober in einem russischen Gefangenenlager war, wird sie aufgenommen.
Diese junge Zeichnerin beansprucht Asylrecht wegen politischer Verfolgung. Sie kann nur aufgenommen werden, wenn sie eine Stellung findet.
Diese Frau aus Dresden möchte zu ihrem Sohn nach Lüneburg. Sie erhält den Bescheid, dass sie bei dem dortigen Bürgermeister einen Antrag stellen muss.
Diese Frau kommt aus russischer Gefangenschaft. Ihr Mann ist gefallen. Man erlaubt ihr, zu ihrem Bruder nach Stade zu ziehen.
Der Mann einer dieser Schwestern lebt seit Kriegsende in der britischen Zone, hat jedoch im Augenblick keinen festen Wohnsitz. Wenn auch die Absicht besteht, Familien nach Möglichkeit wieder zusammenzuführen, muss doch in diesem Fall die Frau umkehren und warten, bis ihr Mann registriert ist und die Aufenthaltsgenehmigung hat. Die Schwester aber kann auch später nicht aufgenommen werden.
Dieser Junge möchte seinen Vater in Braunschweig besuchen. Es wird ihm erlaubt.
Diese Frau erwartet in zwei oder drei Wochen ein Kind. Ihr Mann ist ins Lager gekommen, um sie abzuholen. Aber auch in diesem Fall können die Bestimmungen über Familienzusammenführung nicht angewandt werden, da der Mann noch keine Aufenthaltsgenehmigung hat. So muss die Frau wieder zurück.
Dieser junge Arbeiter hat keinen Personalausweis. Er sagt, dass er aus einem französischen Gefangenenlager komme und gerne hier bleiben möchte. Da er die letzte Nachricht von seinen Eltern aus der Ostzone bekam, wird es ihm nicht gestattet.
Diese Frau ist zum vierten Mal hier und wird wieder abgewiesen. Vor drei Jahren hat sie in Flensburg gelebt, dann zog sie nach Magdeburg in die russische Zone. Jetzt möchte sie nach Flensburg zurück, aber das ist unmöglich.
Diese Frau kam mit ihren drei Kindern. Sie will zu ihrem Mann, der im Ruhrgebiet arbeitet. Aber der Mann hat seine Anschrift geändert und lebt mit einer anderen Frau zusammen. Ihr wird gesagt, dass sie in die Ostzone zurückkehren muss.
Alle, denen der Aufenthalt in der britischen Zone verweigert wird, erhalten eine Fahrkarte nach Schöningen, wo sie sich selbst einen Weg über die Grenze suchen müssen.

14

Abgewiesene Flüchtlinge treffen in Schöningen (Grenze zur SBZ) in einem alten Theater ein, das überwiegend mit neu ankommenden Flüchtlingen belegt ist.

1.10

Das ist die einzige Flüchtlingsunterkunft in Schöningen, ein altes Theater. Es stellte sich heraus, dass nur sehr wenige der Abgewiesenen von Uelzen hierher kommen. Der Saal war hauptsächlich mit Neuankommenden belegt.
Diese Frau ist gerade über die Grenze gekommen. Sie war so müde, dass sie ihre Kinder niederlegte und stehend neben ihnen einschlief.

15

Abgewiesene Flüchtlinge, die nicht zurückwollen, wandern in der britischen Zone umher, schlafen in alten Luftschutzkellern und Warteräumen, lagern an Landstraßen und versuchen per Anhalter weiter zu kommen.

3.05

Die Abgewiesenen aber, die nicht zurückkehren wollen, wandern in der Zone umher. Sie suchen Unterschlupf und hoffen, eines Tages doch wieder Arbeit und Wohnraum zu finden. Sie übernachten in Warteräumen und alten Luftschutzkellern.

Ende der 1950er Jahre, als der Wiederaufbau sich dem Ende zuneigt und die Integration der Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die bundesrepublikanische Gesellschaft weitgehend abgeschlossen ist, stellt das Münchner Institut für Film und Bild (FWU) – zuständig für die Produktion von Unterrichtsfilmen – einen Film her, der aus dem Bildmaterial von ASYLRECHT zusammengeschnitten ist. Für diesen neunminütigen Film mit dem Titel FLÜCHTLINGSNOT AN DER ZONENGRENZE 1948 benutzt das FWU nur ¼ des ursprünglichen Bildmaterials und montiert die Szenenfolgen um. Es fällt auf, dass neben Kürzungen und Umstellungen etwas vollständig fehlt: die in ASYLRECHT gezeigte Kooperation von Ost- und Westzonenpolizei sowie ein Hinweis darauf, dass ein Teil der Flüchtlinge nicht aufgenommen, sondern in die damalige Ostzone zurückgeschickt wurde. Der Film endet mit Bildern, die Flüchtlinge bei verschiedenen Tätigkeiten, z.B. beim Kochen im Auffanglager zeigen. Dieser Film wird 1959 als stumme Fassung hergestellt, was auch daran gelegen haben mag, dass die damaligen Schulen in der Regel noch mit Stummfilmprojektoren ausgerüstet waren.


Flüchtlingsnot an der Zonengrenze (1959, Stummfassung, ca. 9 Min.)

Ein Einstellungsprotokoll ist im Bildungspaket zum Film „Asylrecht“ enthalten.

Nr.
Inhalt
Länge

1

In der Dämmerung überschreiten Flüchtlinge ein Feld

0.37

2

Grenze zur „Sowjetzone“. Flüchtlinge gehen bei Tag durch einen Wald bzw. an einem Graben entlang.

0.33

3

Flüchtlinge überqueren einen offiziellen Grenzübergang. Kontrollen

0.17

4

Flüchtlinge auf dem Weg in ein Auffanglager.

0.36

5

Flüchtlingsbetreuung im Auffanglager: Essensausgabe, das Leben in den Baracken, Gesundheitsuntersuchung.

2.01

6

Die Einzelfallprüfung im Auffanglager.

1.29

7

Sonderzüge bringen aufgenommene Flüchtlinge in niedersächsische Städte.

0.54

8

Notdürftig untergebrachte Flüchtlinge in einem alten Schloss.

1.27

9

Notdürftig untergebrachte Flüchtlinge in einem Bunker.

0.41

10

Menschen in einem großen Flüchtlingslager.

0.11

„Kurzgefasstes Erläuterungsblatt“ der FWU (1959)

„Bei Nacht und über unwegsames Gelände kommen die Flüchtenden über die Grenze. Diese Vorsicht ist geboten, denn die kommunistisch geleitete sog. Volkspolizei der SBZ hat den Auftrag, die Zone abzuriegeln. Pausenlos patrouillieren die Doppelposten entlang der Zonengrenze, die durch Schilder, abmontierte Eisenbahnschienen, Straßensperren, Waldschneisen und Brachstreifen systematisch zum Eisernen Vorhang ausgebaut wurde.

Die Absperrung war allerdings in der ersten Nachkriegszeit noch nicht so streng; es gab damals noch die von allen Besatzungsmächten gestattete Familienzusammenführung. Der Film zeigt deshalb auch eine Gruppe von Menschen, die die SBZ auf der Straße und bei Tag, ohne Furcht vor den wachsamen Augen der Posten, verlassen durften. In jedem Fall aber war das Verlassen der Zone mit dem Verlust allen Besitzes verbunden: die einen konnten auf der beschwerlichen Flucht nur das Allernötigste mitnehmen, den anderen war nicht mehr Gepäck erlaubt, als sie zu tragen vermochten. In erschütternden Bildern führt uns der Film die ganze Dürftigkeit dieser Flüchtlingshabe vor Augen.

Gleichgültig, ob sie legal oder illegal, aus politischen oder anderen Gründen in die Westzone kommen, alle erwartete auf westdeutschem Boden das sog. Auffanglager. Wir sehen, wie sich die Ankommenden vor dem Lagertor stauen, wie ihre Ausweise kontrolliert werden, und beobachten ihren müden, traurigen Zug zu den Baracken. Dieser Empfang im Westen mag deprimierend und ernüchternd sein, aber der Westen ist in den Jahren 1945-48 selbst noch arm; er kann nicht mehr bieten als die morschen Baracken, die den Krieg überstanden. Immerhin gibt es zu essen für die Flüchtlinge: die Kamera beobachtet die Schlange vor der Kantine, blickt den Wartenden ins verhärmte Gesicht und begleitet sie in ihre Unterkünfte. Bilder von der grauenhaften Enge und der erschütternden Armseligkeit dieser Elendsbehausungen bestürzen den Betrachter.

Die eigentliche Aufgabe der Verwaltung des Auffanglagers besteht in der Überprüfung der Person des Angekommenen und seiner Fluchtmotive. Der entscheidende Augenblick ist deshalb für den Flüchtling dann gekommen, wenn er vor den Aufnahmebeamten tritt. Es gelingt dem Film, die verhaltene Spannung einzufangen, die die wartende Menge vor dem Büro erfüllt. Und dann steht die Kamera verborgen hinter dem Beamten (in einem Nebenraum) und blickt mit ihm in die Gesichter. Dies ist einer der Höhepunkte des Films! Gesichter, die ängstlich auf diesen für ihre Zukunft so entscheidenden Mann und auf den vor ihm liegenden Aktenstoß blicken, Gesichter, die apathisch sein Blättern in den Papieren verfolgen, müde Gesichter, Gesichter, die Bitterkeit verraten und solche, die voll gespannter Hoffnung sind. Für den Beamten aber sind weder die Gesichter noch die unterdrückten oder vergossenen Tränen maßgebend, sondern nur die Papiere; die Aktenlage entscheidet; ihr entsprechend fällt er seinen Spruch: aufgenommen oder abgelehnt.

Im Film erleben wir mehrere Fälle. Die Aufgenommenen erhalten die Fahrkarte nach ihrem nächsten Bestimmungsort in Westdeutschland. Wer würde es nicht verstehen, dass sich die aufgestaute Spannung in haltlosen Tränen löst? Der Film zeigt die Menschen dann vor der Transporttafel, wo jeder seinen Namen zu entdecken versucht. Schon im nächsten Bild blicken wir auf den Auszug der Glücklichen, die mit ihrem bescheidenen Gepäck den bereitstehenden Zug besteigen. Mit Kreide sind auf die einzelnen Waggons die Bestimmungsorte geschrieben, denn die Verteilung der Flüchtlinge erfolgt in jenen Jahren nach einem genau bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Länder der drei Westzonen.

Für Westdeutschland war dieser nicht mehr versiegende Zustrom von Menschen aus der SBZ ein nur schwer lösbares Problem, denn 1945 waren bereits ca. 9 von den insgesamt 13 Millionen Vertriebenen aus Osteuropa aufzunehmen gewesen; die meisten von ihnen lebten noch jahrelang in notdürftig eingerichteten Lagern. Man war deshalb gezwungen, auch die Flüchtlinge aus der SBZ in Lagern unterzubringen, von wo aus sie dann nach Arbeit suchen und später vielleicht in eine menschenwürdige Wohnung ziehen konnten. Wo es irgend möglich war, ersparte man den mit den Transporten aus den Auffanglagern Kommenden eine erneute Unterbringung in Baracken: Schlösser wurden zweckentfremdet, um die Menschen aufzunehmen. Hinter der imposanten Fassade unter dem weiten stuckverzierten Deckengemälde, die uns der Film vorführt, herrscht jedoch das nämliche Chaos wie in den Baracken. Von der barocken Üppigkeit der Decke stürzt der Blick auf den Boden des Raumes: aufs Engste zusammengepfercht hausen die Flüchtlinge, teilen mit Decken ihre „Zimmer“ ab, kochen auf primitiven Herden ihre dünne Suppe; für Stühle ist kein Platz, man sitzt auf den „Betten“, jämmerlichen mehrstöckigen Pritschen. Wir sehen im Film das Leben in diesen Räumen und erleben auch die erschütternde Szene, wie eine Mutter widerwillig ihr Baby füttert, das für sie in dieser Not eine große Last bedeutet.

Dabei haben die Schlossbewohner wenigstens noch Licht in ihren Räumen. Der Film zeigt uns auch einen fensterlosen Bunker, der als Flüchtlingslager verwendet wird. Überall ist die bedrückende Enge das Vorherrschende; – Essen, schlafen, kochen, waschen – alles erfolgt im gleichen Raum. Die arbeitslosen Männer sitzen auf den Betten herum oder vertreiben sich die Zeit mit Kartenspielen. Am ärgsten trifft es die Kinder. Die Kamera beobachtet eine Gruppe von ihnen: sieben Kinder sitzen um einen kleinen Tisch und spielen, malen und schreiben in dieser erzwungenen Enge.

Mit diesem Bild endet der Film.“

Dokument: Textblatt zur Stummfassung „Flüchtlingsnot an der Zonengrenze“ (PDF)

Bildungspaket 2015 – Interaktive PDF

Die ergänzenden Materialien des Bildungspaketes umfassen zusätzliche Informationen zum historisch-politischen Kontext, eine Filmzusammenfassung in den Worten des Regisseurs, Sequenz- und Einstellungsprotokolle sowie den Sprechertext der Originalfilmfassung umfassen.


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